US-Wahl: Effektiv egal
Ich bin offenbar nicht der einzige, der das so sieht.
Ich vertrete ja den Standpunkt, dass es im Groben egal ist, wen die in den USA zum Präsidenten wählen. Die Rolle des Präsidenten in den USA wird maßlos überschätzt. Es heißt zwar immer, er sei der mächtigste Mann der Welt, aber das heißt nicht viel. Die USA sind föderal, und das recht chaotisch, die Kompetenzen weit und oft seltsam verteilt.
Dazu sind die USA und ihre Gesellschaft sehr weit davon entfernt, sich von einem Präsidenten noch etwas sagen zu lassen. Im Prinzip könnte man sagen, dass man mit den Angriffen gegen Trump auch das Amt so demoliert hat, dass es einem nur noch recht wenig bringt, es selbst zu besetzen. Man hat da längst eine Inversion der Machtverhältnisse ausgelöst, wo längst der Mob der Straße wesentliche Entscheidungen trifft. Wohlgemerkt: Mob. Nicht Demokratie, nicht der Wähler. Es ist eine Entdemokratisierung, weil es damit auch egal ist, wen man wählt, weil es darauf nicht mehr ankommt. Ich glaube nicht, dass die US-Wähler mit ihrer Wahl wirklich noch etwas maßgeblich beeinflussen können.
Genausowenig glaube ich, dass sich die aufgewiegelten Linken und Schwarzen von einem Joe Biden lange werden still halten lassen. Die können gar nicht ruhig zuhause sitzen, das wird höchstens eine kurze Ruhephase geben, wenn überhaupt. Eher glaube ich, dass aus Kriegsgeheul dann Siegesgeheul würde, dass sich in seiner Außenwirkung nicht unterscheidet. Man wird eher noch mehr plündern.
Es geht wieder los: Das Zentrum Washingtons wird verbarrikadiert, aus Sorge vor Ausschreitungen und Plünderungen rund um die Wahl. Die Polizei hat sich schon im Sommer mit Tränengas im Wert von über 100.000 Dollar eingedeckt. „Befürchten Krawalle, egal, wer gewinnt“. @welt pic.twitter.com/W3Ry5eotDF
— Steffen Schwarzkopf (@S_Schwarzkopf) October 31, 2020
Krawalle, egal wer gewinnt.
Genau so sehe ich das auch.
Ich glaube nämlich nicht, dass man Krawalle gegen oder wegen Trump veranstaltet hat, sondern der Krawalle selbst wegen, und Trump nur als Ausrede vorgeschoben hat. Trump oder nicht, die werden weitergehen. Die Leute werden ja weder spontan bürgerlich, noch spontan schlau.
Und auch hier schießt sich die linksverblödete TAZ schon auf Biden ein, obwohl der noch nicht gewählt ist: Keine Kompromisse mehr – Joe Bidens Versöhnungsrhetorik ist nicht glaubwürdig und hat mit der Realität wenig zu tun. Eine echte progressive Politik der Demokraten wäre nötig. Der ist noch nicht gewählt und muss schon weg, weil nicht links genug. Die werden den ähnlich bekämpfen wie Trump, vor allem, weil sie dann Vize Kamal Harris dran haben wollen, die ja als deftige Marxistin gilt. Und wenn Trump gewinnt, dann geht’s sowieso rund.
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind derzeit einfach zu erklären, wenn man dieser Erzählung Glauben schenkt: Es gibt die Guten und die Bösen. Die Bösen sind mental verstrahlt und lügen sich die Welt zurecht. Ihr Anführer ist ein vulgärer Rassist, dem vermutlich schon eine narzisstische Kränkung Anlass zu einem Militäreinsatz geben könnte, und seine Jünger würden ihm gläubig folgen.[…]
Die Guten dagegen wollen, dass alle Menschen Chancen auf Bildung und Gesundheitsversorgung haben, die Welt vor dem Untergang gerettet wird und der furchtbare Spuk im Weißen Haus an diesem 3. November endet. Anschließend reicht man den Bösen die Hand und hofft, sie mögen wieder zur Besinnung kommen. Das Land überwindet dadurch seine Spaltung.
So die Erzählung, die derzeit viele Liberale und Linke in den USA verbreiten und der viele Europäer.innen nur zu gern Glauben schenken wollen. Das ist, mit Verlaub, Unsinn. Die USA sind tiefer gespalten denn je, seit in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Rassentrennung aufgehoben wurde.
Das ist soweit zutreffend beschrieben.
Anstatt eine klebrige Soße voll des süßen Pathos zu vergießen, müsste eine progressive Erzählung von einem Präsidenten Joe Biden handeln, der am Morgen nach seiner Amtseinführung eine Reform des Wahlsystems vorantreibt, der es wagt, den Supreme Court um zwei Richter.innenplätze zu erweitern, der der Kohle- und Frackingindustrie die Basis entzieht und Investitionen in erneuerbare Energien steckt und der denen, die es sich leisten können, mehr Steuern abverlangt. Auftreten müsste ein Präsidentschaftskandidat, dem internationale Organisationen und transatlantische Verpflichtungen nicht weniger bedeuten als heimische Wahlergebnisse.
Die globale Lage ist ohnehin viel zu ernst, als dass man sich mit Kompromissen aufhalten dürfte.
Heißt: Kaum würde Biden gewählt sein (falls er gewählt wird), dürfte er in kürzester Zeit von den Linken zum Feindbild gemacht und bekämpft werden, weil nicht links genug.