Grönemeyer und die Milliarden
Was für eine Unverschämtheit.
Das geht auch gerade durch die Presse: Herbert Grönemeyer, der ja ohnehin schwer nach links kippt, will Milliarden an Geld für Künstler einsammeln.
Jeder der 1,8 Millionen Millionäre im Land soll eine zweimalige Zahlung von 50.000 bis 150.000 Euro leisten.
Demnach müssten sich die Wohlhabendsten zu einer zweimaligen Sonderzahlung von zum Beispiel 50.000 bis 150.000 Euro bereiterklären. Der Sänger sei zu dem Ergebnis gekommen, dass dann in diesem wie auch im nächsten Jahr „ad hoc circa 200 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung“ stehen würden. Mit diesem privaten Rettungsschirm sollen Existenzen gesichert, Pleiten aufgefangen und Ängste gemildert werden.
Schon die Formulierung: „müssen sich bereiterklären”. 200 Milliarden will er haben. Pro Jahr. (Behauptet der Kurier.)
Der hat wohl einfach so gerechnet, 2 Millionen Millionäre, jeder zahlt im Schnitt 100.000 Euro, macht 200 Milliarden. Geldregen. Ob das dann „zweimalig” oder „zweimalig pro Jahr” sein soll, und ob die Spanne von 50.000 bis 150.000 Euro eine oder beide Zahlungen sein soll, lasse ich mal dahingestellt, das geht nicht so klar daraus hervor.
Ich halte es aber für dumm.
Denn unter „Millionäre” zählen inzwischen viele Leute, die sich vor längerer Zeit mal ein Haus gekauft haben, dessen Wert jetzt entsprechend angestiegen ist. Die aber kein überflüssiges Geld mal so rumliegen haben. Was sollen die machen? Eine Wand absägen und auf eBay verkaufen?
Ich finde es auch unglaublich unverschämt. Denn seit den siebziger Jahren, seit Schallplatten und Farbfernsehen so richtig aufkamen, bedeuteten Musikerkarrieren sehr häufig eben auch Millioneneinkünfte, und das vor allem aus Zwangsgebühren und Zwangsbeiträgen für Rundfunk, weil die Leute im Fernsehen gezeigt werden oder im Radio rauf und runtergespielt werden. Da gibt es eine Menge Leute, die ein „one-hit-wonder” waren oder schon lange nichts mehr arbeiten, und trotzdem noch enorme Gelder aus öffentlichen Beiträgen kassieren. Ich würde zum Beispiel überaus gerne mal wissen, was Leute wie Helene Fischer, Vanessa Mai, Carolin Kebekus, oder auch die Truppe von heute show und Extra3 so bekommen und wieviele da an den Futtertrögen so sitzen. Helene Fischer soll ja sehr breit verdienen, und das soll zentral auch mit ihrem Vertrag mit dem ZDF zu tun haben. Man könnte mit Fug und Recht fragen, wieso eigentlich das ZDF Helene Fischer bezahlt und nicht umgekehrt, schließlich macht das ZDF da ja Werbung für deren Shows und Musikverkäufe, und normalerweise zahlen Werbetreibende an die Sender und nicht umgekehrt.
Jedenfalls könnte ich mich nicht erinnern, dass irgendwelche Künstler, insbesondere die nicht, die mit öffentlich-rechtlichen Geldern oder Steuerförderungen selbst zu Multimillionären wurden, jemals flächendeckend etwas für andere abgegeben haben. Und nicht wenige dieser Millionäre haben als Freiberufler oder Unternehmer Steuersparmodelle oder Wohnsitze im Ausland, um Steuern zu sparen.
Wie das bei Grönemeyer selbst ist, weiß ich nicht, ist mir nicht klar. Es wurde ja in der Presse erwähnt, dass er gerichtlich gegen Leute vorgeht, die insinuieren oder Formulierungen verwenden, dass er in Deutschland keine Steuern zahle, weil er in London lebe, er aber Wert darauf lege, dass er auch in Berlin gemeldet sei (mit unterschiedlichem Erfolg). Ob das allerdings immer so war oder nur der neuere Stand der Dinge ist, war den Berichten auch nie zu entnehmen. Und ich könnte mich jetzt auch nicht erinnern schon mal gelesen zu haben, dass Grönemeyer von anderen Künstlern die Unterlassung forderte, ihr Geld ins Ausland zu schaffen.
Insofern empfinde ich das als blanke Unverschämtheit, wenn hier jahrzehntelang der große Reibach und die große Abzocke veranstaltet wird, und dann, wenn es nun mal ein Jahr nicht gut läuft, die Leute mal eben 200 Milliarden abdrücken sollen. Wie es anderen geht, fragt der da auch nicht.
Es ist zwar richtig, dass die Kulturbranche leidet. Neulich las ich irgendwo den Begriff „Kulturinfarkt”.
Meines Erachtens hat das inzwischen aber mit „Kultur” nur noch sehr wenig zu tun. Oder gar nichts. Das ist Business, Unterhaltungsindustrie. Geldmacherei. Einen kulturellen Wert kann ich bei mindestens 95% des Geplärres aus dem Radio nicht nur nicht entdecken, der Umsatzrückgang impliziert auch eine gewisse Entbehrlichkeit. Fast alles, was mir an guter Musik gerade spontan noch einfällt, ist vor 2000 entstanden. Vieles danach lebt davon, dass wir einen „Kulturbetrieb” haben, in dem automatisch Geld, Sendezeiten, Auszeichnungen verteilt werden. Ist jetzt nicht so, dass irgendein Radiosender mal verkündet hätte, dass sie mal für einen Monat auf Musik verzichten, weil das Gejaule so schlimm sei, dass sie dem Beitragszahler die Geldverschwendung dafür nicht zumuten wollten. Gehe ich in den Elektronikmarkt, ist die CD-Abteilung völlig geschrumpft und in den hintersten Bereich verschwunden.
Trotzdem gab es da jahrelang Millionäre am Fließband. Einfach mal nur anschauen, was für Verträge da irgendwelche DSDS-Hüpfer bekommen haben.
Warum also hat die fett verdienende Branche – die ihr Einkommen teils ohne adäquate Leistung automatisch bekommen hat – sich nicht selbst Notfallreserven angelegt? Da hätte man doch drauf kommen können, dass bei Ausbruch von Krankheiten die Sache mit den Konzerten problematisch werden könnte, man mal ein Jahr oder auch zwei überbrücken können müsste.
Warum hat man nicht wie Angestellte in eine Arbeitslosenversicherung eingezahlt, die mal ein Jahr aushelfen kann?
Warum will man sich jetzt von denen durchfüttern lassen, die für sich selbst vorgesorgt haben?
Warum sollte man anderen Hartz IV zumuten können, einem Künstler aber nicht?
Warum nicht die Corona-Variante von Hartz IV, bei dem das Vermögen in Form von Berufsausrüstung wie Mischpulte, Scheinwerfer und das ganze Zeugs, nicht berücksichtigt wird und deshalb auch nicht verkauft werden muss?
Warum hat jeder andere Unternehmer oder Selbständige sein Risiko selbst zu tragen, während Künstler davon befreit sein sollen, sich um ihren Kram zu kümmern?
Nun, wird mancher einwenden, als Künstler verdiene man nicht genug, um etwas zurückzulegen. So? Heißt das nicht, dass man besser einen ordentlichen Beruf ergriffen hätte, wenn es so wenig abwirft? Mit Germanisten habe ich auch kein Mitleid. (Neulich schrieb mir einer, eine Verwandte mit Abschluss, ich glaube sogar Doktor in Germanistik, hat nach xx erfolglosen Bewerbungen aufgegeben und arbeitet nun bei McDonald’s.) Warum sollte man mit Künstlern mehr Mitleid haben?
Und warum hat Grönemeyer denen nicht in den letzten 20 Jahren schon gesagt, sie sollen sich was zurücklegen, und wenn es dazu nicht reicht, lieber einen ordentlichen Beruf ergreifen?
Sollen wir hier eigentlich Kultur retten oder nur solche Leute, die keinen Bock haben, für sich selbst vorzusorgen?
Warum sollen Leute, die sich mühsam ihr Häusle erspart haben, und deshalb nun als „Millionär” gelten, die finanzieren, die so in den Tag reinleben?
Erinnert mich an so einen alten Witz darüber, was Sozialismus ist. Sagt der Sozialist zum arbeitenden Bürger, er soll mit ihm teilen, damit sie gleich viel haben. Fragt der Bürger „Und was ist, wenn Du Deinen Teil verplempert hast?” „Dann teilen wir wieder.”
Ich halte Grönemeyers Forderung für enorm unverschämt. Offenbar sind aber nicht alle meiner Meinung:
Herbert #Grönemeyer macht sich dafür stark, dass Reiche in der #Coronakrise die Kulturszene unterstützen. Kulturstaatsministerin Monika #Grütters gefällt die Idee. https://t.co/E2TbriqVW9
— RND (@RND_de) November 6, 2020
Herbert #Grönemeyer schlägt vor, die Vermögenden in diesem Land sollten einen Sonderbeitrag zur Finanzierung der Pandemiebekämpfung und ihrer Folgen leisten. Wir nennen das #Vermögensabgabe. Es freut mich sehr, dass der Koalitionspartner sich diesem Instrument zu öffnen beginnt. https://t.co/KqIzictLZ9
— Saskia Esken (@EskenSaskia) November 6, 2020
So, so, „Vermögensabgabe”. Wenn es nicht freiwillig ist, ist es „abnehmen” und nicht „abgeben”. Eine Vermögensabnahme. Oder Vermögenswegnahme. Sollte man sich auch mal klarmachen.
Das bedeutet dann auch eine Spaltung der Gesellschaft. Denn zum einen zahlen wir immer mehr Steuern – Frauen, Migration, Europa, und und und – bekommen dann aber auch immer weniger Staat dafür, etwa keinen Polizeischutz mehr, in Berlin keine funktionierende Stadtverwaltung, und sollen dann das, was man für Staatsfunktionen hält, untereinander ausmachen und querzahlen.
Ich kann mir da jetzt auch nicht vorstellen, dass die Künstlerbranche im umgekehrten Fall etwa die Friseure, die Pizzabäcker oder die Informatiker durchfüttern würden. Denn als sozial habe ich bisher nur sehr wenige Künstler erlebt. (Ich hatte mal einen sehr netten und angenehmen Berufsgitarristen als Wohnungsnachbarn.) Im Gegenteil kam mir viele Leute aus der „Kulturbranche” als ziemliche Kotzbrocken, Egoisten, Egozentriker vor. Ich bin mir nicht sicher, ob man das braucht, um auf der Bühne zu bestehen, oder ob man so wird, wenn man auf der Bühne steht, aber ich glaube nicht, dass irgendwelches Geld oder irgendwelche Souveränität von diesen Leuten zu erwarten wäre, wenn sie nicht politisches oder finanzielles Kapital daraus schlagen könnten. Vor allem empfinde ich es als abstoßend, wie „Künstler” mit ihren Konzerten, Fernsehauftritten und ihrer Publizität Politik machen. Etwa dieses Chemnitz-Konzert mit Hetze gegen Polizei und Kommentarlage dazu.
Ich plädiere daher dringend dafür und ersuche hier mitlesende Millionäre darum, jegliche derartige Zahlungen zu unterlassen. Ich finde das eine Unverschämtheit.
Wer Geld abgeben will, der möge sich dafür Krankenschwestern, Sanitäter, Feuerwehrleute oder Kellnerinnen, Köche und solche Leute suchen, und es denen geben. Vor allem solche Leute, die für uns ihre Gesundheit riskieren und die arbeiten, während alle anderen sicher zuhause sitzen, oder die vorher schon Knochenjobs hatten und jetzt auf dem Trockenen sitzen.