Ansichten eines Informatikers

Verschlüsselungsverbote: Es geht wieder los

Hadmut
8.11.2020 23:17

Kaum ist Biden gewählt, geht’s gleich wieder in die Vollen.

Ich hatte das ja neulich schon berichtet, dass an allen Ecken und Kanten Leute daherkommen und fordern, End-zu-End-Verschlüsselung abzuschaffen und zu verbieten.

Bill Gates hat neulich posaunt, dass er Ende-zu-Ende abschaffen will, dass die Gesprächsinhalte automatisch überprüft werden sollten, ob sie den Policies entsprechen. Die vollautomatische Zensur. Die EU will sowas verbieten. Verschiedene Provider.

Netzpolitik kündete neulich, dass die Geheimdienste jetzt über die Provider Trojaner in den Datenverkehr einschleusen wollen.

Bericht aus Berlin:

Und die Tagesschau:

Im Kampf gegen den Terrorismus will die Bundesregierung die Arbeit der Geheimdienste erleichtern. Verfassungsschutz, BND und MAD sollen unter bestimmten Bedingungen auch Zugriff auf Messenger-Nachrichten erhalten.

Die Bundesregierung will den Geheimdiensten künftig erlauben, Kommunikation über WhatsApp und andere verschlüsselte Messenger-Dienste mitzulesen. Das Kabinett entschied, dass der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst (BND) und der Militärische Abschirmdienst (MAD) künftig nicht nur laufende Gespräche via Messenger überwachen dürfen, sondern auch Botschaften, die per Messenger verschickt werden.

Da wird jetzt jeder oppositionelle Gedanke identifiziert, gesperrt und gelöscht. Dann kommt man in die Gulags des Ministeriums für Wahrheit und Versöhnung.

Eben gerade schreibt mir ein Leser, das wusste ich auch noch nicht, dass man nach dem Anschlag von Wien neulich mit einem Kryptoverbot reagiert:

Auf den Terroranschlag folgt EU-Verschlüsselungsverbot

Im EU-Ministerrat wurde binnen fünf Tagen eine Resolution beschlussfertig gemacht, die Plattformbetreiber wie WhatsApp, Signal und Co künftig dazu verpflichtet, Generalschlüssel zur Überwachbarkeit von E2E-verschlüsselten Chats und Messages anzulegen.

Der Terroranschlag in Wien wird im EU-Ministerrat dazu benützt, um ein Verbot sicherer Verschlüsselung für Services wie WhatsApp, Signal und viele andere im Schnellsiedeverfahren durchzusetzen. Das geht aus einem mit 6. November datierten internen Dokument der deutschen Ratspräsidentschaft an die Delegationen der Mitgliedsstaaten im Rat hervor, das ORF.at vorliegt. […]

Aus dem ursprünglich für Anfang kommender Woche geplanten Besuch Macrons wurde pandemiebedingt eine Videokonferenz „zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus“. Weiters steht ein Besuch des EU-Ratspräsidenten Charles Michel in Wien für Montag an, der ebenfalls mit Bundeskanzler Kurz Gespräche führen wird. Zudem empfängt Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) den französischen Europastaatssekretär Clement Beaune im Bundeskanzleramt. Alleine um Kondolenzbezeugungen geht es dabei natürlich nicht.

Mittlerweile wird zwar immer klarer, dass offenbar haarsträubende Ermittlungsfehler im BVT den Anschlag erst ermöglicht hatten und nicht fehlende digitale Überwachungsbefugnisse.

Das ist der Beschluss, auf den sie sich beziehen.

The European Union fully supports the development, implementation and use of strong encryption. Encryption is a necessary means of protecting fundamental rights and the digital security of governments, industry and society.

Glatt gelogen. Sie etwa meinen Fall. Aber sie sagen ja auch schon im nächsten Satz:

At the same time, the European Union needs to ensurethe ability of competent authorities in the area of security and criminal justice, e.g.law enforcement and judicial authorities,to exercise their lawful powers, both online and offline

Genau an dem Punkt war ich 1997 schon mal.

The principle of security through encryption and security despite encryption must be upheld in its entirety. The European Union continues to support strong encryption. Encryption is an anchor of confidence in digitalisationand in protection of fundamental rightsandshould be promoted and developed.Protecting the privacy and security of communications through encryption and at the same time upholding the possibility for competentauthorities in the area of security and criminal justiceto lawfully access relevant data for legitimate, clearly defined purposes infighting seriousand/or organizedcrimesand terrorism, including in the digital world, are extremely important. Any actions taken have to balance these interests carefully. […]

Moving forward, the European Union strives to establish an active discussion with the technology industry, while associating researchand academia,to ensure the continued implementation and use of strong encryption technology. Competentauthoritiesmust be able to access data in a lawful and targeted manner,in full respect of fundamental rights and thedata protection regime, while upholding cybersecurity. Technical solutions for gaining access to encrypted data must comply withthe principles of legality, transparency, necessity and proportionality

Sie diskutieren mit der Industrie. Der Bürger wird nicht gefragt.

Wozu auch? Dasselbe Lager, nämlich die Linken, die vor Jahren noch gegen die viel harmlosere Vorratsdatenspeicherung waren, weil sie niemanden unter „Generalverdacht” sehen wollen, sind auf einmal die, die alles, auch die Inhalte abhörbar machen.

Ich glaube, das ist eh nur ein Vorwand.

Ich kann zwar kein Arabisch (nur drei Worte: Salem Aleikum und ich weiß, dass „Null” „Siff” oder „Sifr” oder so ähnlich heißt – daher kommen „Ziffer” oder eben auch „Cipher” oder „Chiffre”), aber ich hatte mich damals im Studentenwohnheim mal mit dem netten Palästinenser von meinem Flur unterhalten, eigentlich über Schimpfworte, weil mir aufgefallen war, dass viele Araber selbst dann, wenn sie arabisch miteinander sprechen, gerne deutsche Schimpfwörter wie „Arschloch!” verwenden, weil die so herrlich praktisch, bündig, pragmatisch und direkt sind. Er hatte mir erklärt, dass es im Arabischen eine Kunst, aber eine aufwendige sei, jemanden fach- und sachgerecht zu beleidigen. Da müsse man auf umständliche Verschörkelungen zurückgreifen. „Du Sohn einer Hündin”, „Sohn einer Hure!” oder „Ich ficke Deine Mutter” seien nicht etwa Zuckerbäckerei, sondern eher aus der Not geboren, dass man Beleidigungen mangels direkter Ausdrücke immer irgendwie inhaltlich umschreiben muss, und die Mutter und Abstammung halt immer das sei, womit man jemandem am stärksten trifft. „Arschloch” dagegen sei so wunderbar praktisch und direkt, als wäre es von deutschen Ingenieuren konstruiert. Bei der Gelegenheit hat er mir auch erklärt, dass es im Arabischen Sprachstile gebe, die so voller Anspielungen und Bezüge und Verweise sind (ich kenne das eigentlich von den Navacho-Indianern, die man im zweiten Weltkrieg als Funker einsetzte, weil man sie nicht verstehen konnte), so umschreibend und schnörkelnd, dass ein Außenstehender zwar die Worte, aber nicht den Sinn verstehen könnte. Deshalb merke man mitunter gar nicht, dass man gerade beleidigt werde (was der Sache den Effekt nimmt), deshalb sei es aber auch sehr schwer bis unmöglich, etwa Terroristen abzuhören.

Ich denke, es geht jetzt daran, so eine Art Welt-Stasi gegen die eigenen Bürger aufzubauen.

Die alte DDR-Stasi hatte ja das Problem mangelnder Kapazität, weil sie nie genug Kassettengeräte hatte, um alle Telefonate aufzuzeichnen, und alles, was man aufgenommen hatte, ja auch von irgendwem angehört und aufgeschrieben werden musste, also die Personalstärke eine obere Grenze der Abhörkapazität bildete.

Das Problem ist nun gelöst. Man ist in der Lage, alles, Text, aber auch gesprochene Sprache automatisiert zu verstehen und die Inhalte zu prüfen. Wie Bill Gates das fordert.

Man muss gar nicht mehr wie früher die Mikrofone in der Wohnung verstecken. Hat inzwischen ohnehin alles schon Mikrofone eingebaut.

Und Corona zwingt uns dazu, Telekommunikation zu betreiben. Bis Februar habe ich meine Vorträge und Schulungen immer persönlich im Besprechungsräumen gehalten. Seit März halte ich alles über Videokonferenz. Seither können die USA alles mithören, was ich da sage.