Die Ugah-Ugah-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Wieder mal die doppelten Maßstäbe.
Das Bundesverfassungsgericht hätte fast genau das bestätigt, was ich neulich in meiner Stellungnahme gegenüber dem Landtag von Sachsen zur Beitragserhöhung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk geschrieben hatte.
Zur Erinnerung: Ich hatte darin dargelegt, dass ich beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk (vulgo: ARD, ZDF, DLF) Korruption und Untreue sehe, weil die da entgegen der Rundfunkordnung und der Rechtsprechung BVerfG, die Neutralität und die gleichmäßige Darbietung aller in der Gesellschaft vertretenen Auffassungen vorschreiben und zur verfassungsrechtlichen Grundlagen der Beitragspflicht machen, völlig einseitige Propaganda betreiben und das immer mit ihrer „Meinungsfreiheit” begründen.
Ich hatte dargelegt, dass die Meinungsfreiheit eine Privatangelegenheit ist und regelmäßig durch einen Arbeitsvertrag eingeschränkt wird. Man kann sich also nicht beim Rundfunk anstellen lassen und dann behaupten, dass es Sache der Meinungsfreiheit sei, was man da in die Kamera posaunt. Meinungsfreiheit gibt es im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur (höchstens) im dem Umfang, in dem die Rundfunkordnung, also die Staatsverträge und Landesgesetze, diese zulassen. Das tun sie, aber nur in geringem Umfang, nur in Form von Kommentaren, aber nicht in programm- oder inhaltentscheidender Weise.
Die Leute bekommen dort in der Regel Gehälter oberhalb von 200.000 Euro im Jahr, plus fette Pension, aber Leuten wie einem Georg Restle oder einer Anja Reschke klarzumachen, dass sie sich da an die gesetzlichen Regeln zu halten haben, und eben nicht die Sau als Meinungsfreiheit rauslassen dürfen, ist ein aussichtsloses Unterfangen. Die sind der festen Überzeugung, dass sie da Propaganda treiben können, wie sie wollen, und die Intendanten sorgen dafür, dass das auch tatsächlich so ist. Der Rundfunkrat, der sie davon abhalten sollte, macht nichts, weil der nur aus Leuten besteht, deren Interesse Neutralität genau nicht ist.
Korruption ist kein definierter Rechtsbegriff, aber eine weithin anerkannte Definition sieht darin den Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Vorteil. Weil die Wahrnehmung der Meinungsfreiheit als Privatsache immer ein privater Vorteil ist, halte ich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in dieser Hinsicht für korrupt.
Nur dass die Gerichte und der Landtag da nicht so mitgehen.
Nun aber hat das Bundesverfassungsgericht in einer ganz anderen Sache, nämlich politisch korrekt entgegengesetzt, genau haarscharf an dem vorbeibeschlossen, was ich da in der Stellungnahme beschrieben hatte. Ein Arbeitnehmer, Betriebsrat gar, war (nach Abmahnung und Wiederholungsfall) fristlos gefeuert worden, weil er einen dunkelhäutigen Kollegen mit „Ugah, Ugah!” bezeichnet hatte. Dagegen hatte er sich vor dem Arbeits- und Bundesverfassungsgericht erfolglos zu wehren versucht, indem er das als Meinungsfreiheit verteidigen wollte.
Das Bundesverfassungsgericht hat nun die Beschwerde wegen formaler Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen. Der Fehler lag darin, dass die Beschwerde nicht begründet war. Obwohl das Bundesverfassungsgericht an die Begründung, den Antrag, das Vorbringen überhaupt nicht gebunden ist und entscheiden kann, was und wie es will, muss eine Begründung vorgetragen werden, weil nur dann überhaupt eine Verfassungsbeschwerde im formalen Sinne vorliegt. Hat man es nicht begründet, hat man formal gesehen keine Verfassungsbeschwerde erhoben, weil die Begründung dazugehört. Steht in jedem Fachbuch über die Verfassungsbeschwerde, und soweit ich mich erinnere, auch auf dem Merkblatt des Bundesverfassungsgerichts. Denn die Verfassungsbeschwerde heißt nicht „Könnt Ihr mal gucken, ob Ihr was findet”, sondern kann nur mit der Behauptung erhoben werden, dass man in seinen Rechten verletzt sei (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG). Man muss es selbst behaupten. Was übrigens ein Grund ist, warum ich diese strategische Prozessführung, bei der die sich für die politischen Entscheidungen maßgeschneiderte Beschwerden selbst schreiben und den passenden Beschwerdeführer dazu casten lassen, für unzulässig halte, denn man muss es selbst behaupten. Es reicht nicht, dass ein Dritter kommt und ruft „Guckt mal, der da wurde in seinen Rechten verletzt!”. Gerade bei diesen Annahmevoraussetzungen und Details betrügt das Bundesverfassungsgericht die Öffentlichkeit enorm.
Bemerkenswert daran ist nun, dass sich das Bundesverfassungsgericht trotz der eigentlich klaren Rechtslage und trotz der schon unzulässigen (und damit gar nicht entscheidbaren) Verfassungsbeschwerde trotzdem zu einer sehr ausführlichen materiellen Begründung im Beschluss bemüßigt sah, ich zitiere hier aber mal die kürzere und verständlichere Darstellung in der Pressemitteilung:
Die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die arbeitsgerichtliche Bestätigung der Kündigung ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Zutreffend wurde die konkrete Situation als maßgeblich angesehen, in der ein Mensch mit dunkler Hautfarbe direkt mit nachgeahmten Affenlauten adressiert wird. Der Schluss, dass aufgrund der Verbindung zu einem nach § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verpönten Merkmal keine nur derbe Beleidigung vorliege, sondern die Äußerung fundamental herabwürdigend sei, ist auch im Lichte von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, der sich gegen rassistische Diskriminierung wendet, nicht zu beanstanden.
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit erfordert im Normalfall eine Abwägung zwischen drohenden Beeinträchtigungen der persönlichen Ehre und der Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit tritt aber jedenfalls zurück, wenn herabsetzende Äußerungen die Menschenwürde antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Das haben die Gerichte hier in Anwendung des Kündigungsschutzrechts nicht verkannt. Sie stützen sich auf §§ 104, 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz und §§ 1, 7, 12 AGG, in denen die verfassungsrechtlichen Wertungen der Unantastbarkeit der Menschenwürde und des Diskriminierungsverbots ihren Niederschlag finden. Sie begründen ausführlich, dass und warum es sich um menschenverachtende Diskriminierung handelt. Danach wird die Menschenwürde angetastet, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert wird, und damit das in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ausdrücklich normierte Recht auf Anerkennung als Gleiche unabhängig von der „Rasse“ verletzt wird.
Ergänzend dann doch aus dem Beschluss noch:
Kündigungsrechtlich konnte die Äußerung unabhängig vom Strafrecht bewertet werden (vgl. BAG, Urteil vom 1. Juli 1999 – 2 AZR 676/98 -, juris, m.w.N.). Zudem wurde berücksichtigt, dass dem Beschwerdeführer die Bedeutung seiner Äußerungen ausweislich vorheriger Auseinandersetzungen im Betrieb bekannt war, er auf eine frühere Abmahnung keinerlei Einsicht zeigte oder sich etwa entschuldigt hätte. Dazu kommt der Verweis auf die Pflicht des Arbeitgebers aus § 3 Abs. 3, § 12 Abs. 3 AGG und § 75 Abs. 1 BetrVG, sein Personal vor rassistischen Anfeindungen zu schützen, die wiederum das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ausgestalten.
Das ist im Ergebnis richtig, in der Begründung meines Erachtens nicht ganz. Denn sie stellen zwar – in Übereinstimmung mit der bisherigen Verfassungsrechtssprechung – mehr oder weniger fest, dass es sich hier um eine Schmähung handelt, die nicht mit einer inhaltlichen Kritik verbunden war, legen also nahe, dass dies nicht unter die Meinungsfreiheit fiel. Das gilt generell als nicht oder nur sehr viel geringer geschützt. Der Haken daran ist, dass das eine Tatsachenfeststellung und als solche den Fachgerichten vorbehalten und nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist, sie aber gleichzeitig einräumen, dass die Arbeitsgerichte das nicht klargestellt hatten, ob sie dies als Schmähung, Formalbeleidigung oder Verletzung der Menschenwürde eingestuft hatten. So gesehen hätten sie die Beschwerde, wenn sie denn ordentlich begründet und formal zulässig gewesen wäre, eigentlich sogar positiv annehmen und die Sache zurückverweisen müssen, nämlich mit der Begründung „Ihr könnt Ihn zwar rausschmeißen, aber Ihr müsst das schon genauer erklären, warum.” Es ist nämlich rechtlich ein Unterschied.
Der eigentliche materielle Grund, es direkt ohne Tatsachenwiederaufnahme abzuweisen wäre verfassungsrechtlich gewesen, dass die Meinungsfreiheit im Rahmen eines Arbeitsvertrages deutlich eingeschränkt ist. Das liegt an der Vertragsfreiheit. Es hat zwar jeder Meinungsfreiheit, aber eben auch jeder die Möglichkeit, mit einem anderen einen Vertrag zu schließen, der es beinhaltet, davon in gewisser Hinsicht keinen Gebrauch zu machen, nämlich da, wo es den Vertrag tangiert. Man kann sich seine Meinungsfreiheit selbst einschränken, indem man einen Vertrag eingeht, gewisse Dinge zu unterlassen.
Und dazu gehören regelmäßig Dinge wie das Außeninteresse des Arbeitgebers. Man darf also den Arbeitgeber nicht öffentlich beleidigen oder Dinge sagen, die ihm im Rechtsverkehr und Geschäft abträglich sind, denn man bekommt ja Geld dafür, dass man für ihn arbeitet. Beispiel: Man hat Stewardessen gefeuert, weil die sich nackt oder unzureichend bekleidet mit Teilen ihrer Uniform im Flugzeug fotografiert und das mit erkennbarem Bezug zur Fluglinie in Social Media gepostet hatten.
Dazu gehört aber eben auch der Betriebsfrieden, weil der Arbeitgeber natürlich ein Interesse hat, dass die Leute zusammenarbeiten, kooperativ sind und eine arbeitstaugliche Atmosphäre vorfinden. Das ist so eine Voraussetzung zur Erbringung der bezahlten Arbeitsleistung. Deshalb ist es vom Arbeitsvertrag erfasst, dass man es zu unterlassen hat, der Kollegin zu sagen „Boah, bist Du hässlich!”, und zwar selbst dann, wenn sie wirklich hässlich ist, obwohl sowas grundsätzlich noch innerhalb der Meinungsfreiheit liegen könnte oder würde, wenn es einen sachlichen Bezug hat.
Insofern wäre die verfassungsrechtlich treffendere Begründung gewesen, dass es auf die Frage, ob „Ugah Ugah” unter die Meinungsfreiheit fällt (und damit eben auf die fehlende Tatbestandswertung und Einordnung der Fachgerichte, das ist der springende Punkt) gar nicht ankommt, weil er durch seinen Arbeitsvertrag dort keine Meinungsfreiheit mehr hat, die ein solches „Ugah Ugah” überhaupt noch abdecken könnte.
Anscheinend aber wollte das Bundesverfassungsgericht hier etwas entscheiden, was es nicht entscheiden konnte, ob das nämlich eine generelle Schmähung war, die von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt ist, was aber eine Sache eines Straf- oder Unterlassungs- und nicht eines Arbeitsverfahrens gewesen wäre.
Nun stellen sich drei Fragen:
- Warum hat das Bundesverfassungsgericht überhaupt so ausführlich begründet, wenn die Beschwerde doch unzulässig war?
Und warum solche Kapriolen, die eigentlich nicht zu entscheiden waren, wenn man doch einfach hätte sagen können, dass sowas im Rahmen des Arbeitsvertrages einfach nicht geht, egal ob nun unter Meinungsfreiheit oder nicht, weil die da eben eingeschränkt ist? Warum begibt man sich auf das dünne Eis, hier eine dem BVerfG selbst verbotene Tatsacheneinstufung nachzuholen, die die Fachgerichte nicht gemacht hatten?
Wollte man da unbedingt politisch, links urteilen, Politik machen?
- Wollte man unbedingt umschiffen, dass andere, genauso beleidigende, aber politisch gerade mainstreamkorrekte Schmähungen ebenfalls zu Kündigungen führen könnten?
Oder eben die Feststellung vermeiden, dass Arbeitnehmer generell in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt sind, weil man die für irgendwelche feministischen Kriege noch braucht?
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Erstgenannte Richterin: Susanne Baer
Vergleicht mal, wieviel, wie ausführlich die da zu einem rechtlich völlig uninteressanten und klaren Fall schreiben, ohne auch nur irgendetwas rechtlich Neues zu sagen, während die damals in meiner Sache gar nichts, kein einziges Wort der Begründung geschrieben hatte.
Hat noch jemand Zweifel daran, wie links und wie politisch dieses Bundesverfassungsgericht ist?
Selbst wenn es im Ergebnis richtig entscheidet, trieft die linke Brühe stilistisch aus allen Ritzen.