Der Black-Friday-Schmu
Oh, geht mir das auf den Wecker.
Ich hätte da so gerne „Schwindel” geschrieben, aber das traue ich mich nicht, da könnte man schnell Anwaltspost riskieren. Also lasse ich es bleiben.
Ich werde per Mail und Webseiten bombardiert mit Black-Friday-Angeboten.
Nur: Da ist wenig dabei, was einer Nachprüfung standhält. Denn schaut man mal auf den Niedrigstpreis-Seiten und bei anderen Anbietern nach, sind das die normalen Preise, die einem da als Super-Duper-Wahnsinns-Sonderangebot angepriesen werden. Und nicht selten sind es die alten Modelle, die einem da untergeschoben werden sollen, weil natürlich die Weihnachtsgeschenke-Kundschaft gerne aktuelle, tolle Sachen verschenkt und nicht (gefühlten) Billig-Ramsch.
Ich war gerade drauf und dran, mir mein Handy gegen ein günstiges zu ersetzen, mehr RAM, mehr Flash, mehr Pixel. Habe aber gerade noch gemerkt, dass das Nachfolgermodell mit noch viel mehr RAM, noch viel mehr Flash und noch viel mehr Pixel für aber nicht viel mehr Euro und dafür aber 5G schon in den Startlöchern steht.
Besonders unangenehm fällt mir da gerade Saturn wieder auf.
Die sind mir nämlich im Frühjahr schon mal unangenehm aufgefallen. Als das mit Corona und Home Office losging, wollte ich hier medientechnisch noch etwas aufrödeln und nicht zuviel Geld ausgeben und war auf dieses sehr günstige Angebot gestoßen, Ryzen, 16GB RAM, 1TB SSD, Radeon, für – weiß nicht mehr genau – so um die 400 Euro oder knapp drüber. Nur: Obwohl das auf der Webseite (und auch noch lange danach) beworben wurde, war das Ding nicht zu kriegen. Man konnte es in den Warenkorb legen, aber erst im Bezahlvorgang hieß es dann, sorry, geht nicht. Man konnte es nicht bestellen, und ich habe in der Auswahl zum Abholen ein Dutzend Städte eingegeben, kein Markt will das Ding vorrätig gehabt haben. Als gäbe es das Gerät gar nicht. Das Modell war auch sonst nirgends zu finden, was aber nicht viel heißt, weil sich Media Markt/Saturn ja gerne mal für ihre Handelsware eine eigene Typenbezeichnung draufschreiben lassen, um den Preisvergleich zu erschweren, damit man das nicht einfach per Suchmaschine bei anderen finden kann. Ich hatte mal bei Acer nachgefragt, ob es das Modell überhaupt gibt oder ob das ein Fake ist. In der Antwortmail hörte ich förmlich, wie sie sich am Kopf kratzten. Ja, also in ihrer Datenbank sei das Modell schon drin, aber mehr könnten sie dazu jetzt auch nicht sagen…
Gerade habe ich wieder so ein seltsames Erlebnis.
Eine (als Modell veraltete) SONY Alpha 7 M2 kostet im Kit mit dem 28-70, 3.5-5.6 in deren Angebot gerade 798.36, während dasselbe Model ohne das Objektiv realistischere 954.85 kostet.
Nun muss man wissen, dass Sony nicht wie Nikon und Canon die Praxis übt, für das untere Preissegment eigene, billige Plastikkameras zu bauen, sondern eine andere Taktik anschlägt: Die bauen einfach ihre alten Modelle weiter und verkaufen die dann als Billig-Modelle. Das kann man sich nun überlegen, was man besser findet: Eine topaktuelle Kamera, aber aus billigem Plastik und wenig robust, an der man dann auch nicht alles reparieren lassen kann (was sich angesichts des Preises und der Arbeitskosten ohnehin nicht lohnen würde), oder eine technisch mehr oder weniger veraltete, aber dafür robustere, professionellere Kamera. Billige Plastikkameras haben zwar ihre Nachteile, vor allem bei Lebensdauer (ich kenne aber kaum Fälle, in denen die technische Lebensdauer überhaupt erreicht wurde, reicht also), aber auch den unbestreitbaren Vorteil, deutlich leichter zu sein. Das kann viel ausmachen, wenn man sie tragen muss, und schlechte Fotos machen die auch nicht, aber ich mag die Sucher und die Bedienung von Billigkameras nicht.
Ein anderer Punkt sind Kit-Objektive. Die taugen – im unteren Preissegment – in der Regel nichts oder nicht viel. Im teuren Profibereich ist das anders, Nikon beispielsweise bietet da auch sehr hochwertige Kits an, aber im unteren Bereich sind die meistens nur Plastikdreingabe für unter den Weihnachtsbaum, weil sonst der Frust da wäre, eine Kamera ohne Objektiv zu haben, und weil man viele Käufer einfach damit verschreckt, wenn sie sich ein Objektiv kaufen müssten, ohne erstmal rumprobieren zu können. Das ist psychologisch ganz wichtig, dass da erst mal alles in der Packung drin ist, um loslegen zu können. Deshalb werden im unteren Amateurbereich auch gerne Kits mit Speicherkarte und Fototasche angeboten. Deshalb sind Kit-Objektive meistens auch nur aus Plastik. Außen, und manchmal sogar innen, in der Optik. So wie Brillengläser aus Kunststoff.
Aber kann ein Kit-Objektiv gar so schlecht sein, dass die Kamera mit Objektiv 150 Euro weniger kostet als ohne? Schmerzensgeld für die Beleidigung des Fotografen, ihm ein solches Objektiv darzureichen? Stinkt’s? Klebt’s? (Nicht lachen, hatte ich schon. Nach diversen Experimenten einschließlich des Einsatzes einer Minibohrmaschine mit Kupferbürste und bedenklichem Resultat – das mache ich nie wieder – kam ich zu dem Ergebnis, den alten Kleister am besten mit Nagellackentferner auf Aceton-Basis wegzulösen.)
Oder ist gerade das der Trick, die Kamera ohne Objektiv teurer danebenzustellen, damit man glaubt, das Super-Schnäppchen gemacht zu haben? Es gibt ja den Witz vom Brezelverkäufer, der ein Schild da hängen hat, dass eine Brezel 50 Pfennig kostet und 3 Brezeln 1,80 Mark. Als man ihn fragte, was der Blödsinn soll, antwortete der, dass ihm die Leute dann drei Brezeln einzeln für zusammen 1,50 abkaufen, weil sie glauben, sie hätten ihn reingelegt. Ohne das Schild würden sie nur eine Brezel kaufen. Man muss den Leuten immer das Gefühl geben, dass sie ein besonderes Schnäppchen gemacht, den anderen übervorteilt hätten. Nicht der Preis zählt, sondern dieses Gefühl. Beispielsweise, indem man es „Black Friday” nennt.
Geht übrigens auch andersherum. Ich habe mal einen Weitwinkeladapter in Amerika im Laden eines Halsabschneiders unter dessen eigenen Einkaufspreis und weniger als ein Zehntels seines Anfangsgebotes heruntergehandelt, indem ich den in ein so heißes Biet- und Handelsgespräch verwickelt habe, dass der nur noch das verdammte Ziel vor Augen hate, mir endlich dieses verdammte Ding andrehen zu können, der das als Frage der Ehre gegenüber den anderen Verkäufern ansah, mir das Ding andrehen zu können. Eherne Regel, wenn Ihr in Asien oder im Arabischen seid und was kaufen wollt, aber den Wert nicht schätzen könnt: Niemals anmerken lassen, dass Ihr das Ding haben wollt. Geringschätzig angucken, Preis fragen, das Ding wieder hinstellen, den Händler auslachen und gehen. Auf keinen Fall rumdrehen oder auf den ersten und zweiten Zuruf reagieren, nur den Rücken zuwenden. Aber nicht zu weit weggehen. In Sicht- und Hörweite stehen bleiben, aber mit dem Rücken zum Laden, keinerlei Interesse zeigen, nicht beachten. Handy lesen oder sowas. Wenn der Preis überhöht war, kommt der hinterhergelaufen und macht ein ordentliches Angebot. Denn so ausgelacht und stehen gelassen zu werden, das nagt an der Ehre, das ist ein Gesichtsverlust.
Wahrscheinlich steht ein neues Modell der Sony Alpha 7 vor der Tür, dann wohl Mark IV. Dann rutscht die derzeitige Mark III einen nach unten durch und dann vielleicht so auf den bisherigen Preisplatz der II bei ca. 1200 rutschen und deshalb müssen sie jetzt wohl die II loskloppen und haben eben diese Kits noch in rumstehen, die sie loswerden müssen.
Nun, dachte ich mir, ich habe ja noch alte Minolta-Objektive, die zwar auch veraltet und nicht mehr so gut sind, auch nicht so wirklich für Digital geeignet, auch noch was für die erste Sony-Alpha 100 (hoffnungslos total veraltet), aber irgendwie auch alles zu schade zum Wegwerfen. Alles mit A-Mount-Bajonett. Es gibt zwar einen Adapter von A- auf E-Mount, mit einem innenstehen teildurchlässigen Spiegel (*grusel*) für den Autofokus, aber neulich hat Sony einen neue, endlich würdige Version des Adapters angekündigt, ohne Spiegel, kleiner, trotzdem mit Autofokus-Motor. Kenner meinen, das sei das letzte, was Sony für da alte A-Mount herstellt, offenbar beenden sie das jetzt völlig, machen nur noch spiegellose mit E-Mount (oder einem moderneren Nachfolger) und haben sich deshalb nochmal Mühe gegeben, endlich einen ordentlichen Adapter zu bauen.
Und dann habe ich ja neulich erzählt, dass die Chinesen und andere Asiaten wie 7Artisan, TTartisan, Viltrox, Laowa, Samyang, ganz viele, sehr günstige, meistens aber nur mechanische Objektive ohne Elektronik und Autofokus anbieten, die wirklich viel Spaß machen können, wenn man mit Dingen mit Blenden wie 0,95, starke Weitwinkel, Macros und so weiter zum Minipreis was anfangen kann. Gefallen mir sehr gut, gibt es aber oft nicht für Nikon Z, aber für Sony E-Mount. Dafür gibt es noch allerlei Adapter auf Kameras mit E-Mount. Ein einfaches (wenn auch veraltetes) E-Mount-Vollformat-Modell im Haus zu haben, ist für den Preis kein Fehler, und um die alten Objektive aus den 80er Jahren darauf zu prüfen, was überhaupt noch brauchbar ist, reicht das. Ich habe neulich zum ersten Mal in meinem Leben ein Objektiv. Schlicht und einfach in den Müll (selbstverständlich noch aufgeschraubt, um das Platinchen mit der Elektronik getrennt und vorschriftsmäßig zu entsorgen), ein Minolta 50mm 1,8, das ich mir als Student von meinem knappen Geld gekauft hatte. Die Blende sprang nicht mehr zurück, verharzt, und Rückholfeder zu schwach geworden. Ich habe es nicht geschafft, das Ding selbst zu reparieren, zumal der innere Teil fest verschweißt war. Es (technisch völlig veraltet) in Reparatur zu geben, wäre teurer als ein neues geworden. Ich brauche mal eine passende Vollformatkamera, um überhaupt prüfen zu können, was ich an Objektiven noch aufhebe oder ausmisten kann, weil es Schrott ist oder für Digitalkameras nicht ausreichend taugt.
Also wollte ich mir eine bestellen.
Aber, ach.
Nicht lieferbar, nirgends abholbar. Wieder so ein Schummelangebot, das einen erst mal auf die Webseiten lockt, damit man da dann doch was anderes kauft?
Als ich diesen Blog-Artikel hier schrieb, und den Link nochmal raussuchte, war die Kamera dann plötzlich doch bestellbar. Vielleicht haben sie Nachschub bekommen, oder sowas.
Also habe ich mir eine bestellt.
Jetzt bin ich mal gespannt, ob die auch geliefert wird.