Ansichten eines Informatikers

Die Luftblase im Kompass

Hadmut
29.11.2020 13:49

Das Thema scheint die Leute ja enorm zu beschäftigen.

Klären wir mal etwas auf.

Ich bekomme einige Zuschriften von Leuten, die mir klarmachen wollen, dass die Luftblase da reingehöre. Eine greife ich mal raus.

In jedem Kompass dieser Bauart (flüssigkeitsgelagert/gedämpft) ist eine Luftblase.
Sie dient dem Druckausgleich bei Temperaturänderung.

In der Regel geht Sie durch ein wenig schütteln nach oben.

Wenn man mal ins Klo greift kann man das übrigens auch ruhig mal zu geben.

Nein. Das ist Unfug, typisches Halbwissen, Dunning-Kruger.

Ja, ich weiß. Es gibt (oder gab früher) Kompasse mit einer Luftblase drin. Aber nur in wenigen davon war sie auch absichtlich drin.

Ich habe gerade mal durchgezählt: Abgesehen von den inzwischen drei Ferngläsern mit eingebautem Kompass und den elektronischen in den GPS-Geräten finde ich gerade (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) in meiner Austattung 12 Kompasse von ganz billigen Anhängern aus China über Kartenkompasse bis zu einem Plastimo Iris 50, einem professionellenm Bootskompass. Es sind Kartenkompasse, Marschkompasse, ein kleiner Kugelkompasss

Davon sind

  • 3 Kartenkompasse ohne Flüssigkeit
  • 7 flüssigkeitsgefüllt, aber ohne jede Luftblase
  • 1 Kugelkompass, dessen Kugel sich immer aufrichtet und den Horizont zeigt, und dem es deshalb auch egal ist, wie schief man ihn hält, der die Luftblase auf der Oberseite und ein Stückchen Metall auf der Unterseite der Kugel braucht, um die Kugel auszurichten,
  • 1 billigen chinesischen Minikompass (Durchmesser 2cm), der eine ziemlich große Luftblase und ein gewölbtes Oberglas hat, die aber nichts anzeigen kann, weil die Achse in der Mitte verhindert, dass die Luftblase überhaupt in die Mitte gelangen kann, und der anscheinend einfach nur undicht und etwas ausgelaufen ist. Manche Öle diffundieren mit der Zeit durch Kunststoff.

Es ist also definitiv falsch, dass in jedem Kompass dieser Bauart eine Luftblase drin ist.

Hier wird es erklärt:

Ohne die dämpfende Eigenschaft der Flüssigkeit würde die Rose wild umherspringen und nicht stoisch gelassen den Kurs anzeigen – selbst in der schlimmsten Hackwelle.

Verwendeten die Hersteller früher hauptsächlich Alkohol für die Füllung, schwimmt die Kompassrose heutzutage in einem speziellen Leichtöl. Das Öl gewährleistet, dass das Instrument selbst in extremen klimatischen Bedingungen präzise arbeitet. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH) verlangt beispielsweise einen Arbeitsbereich für einen Kompass von -30 bis +70 Grad Celsius. In diesem Temperaturfenster darf die Flüssigkeit weder ihren Aggregatzustand ändern noch ihre dämpfende Eigenschaft verlieren. Das Leichtöl nimmt es mit diesen Anforderungen auf, reagiert allerdings bei den jeweiligen Temperaturen entsprechend: Bei Kälte zieht es sich stark zusammen und bei Hitze dehnt es sich aus. Um genau dieses Verhalten zu kompensieren, benutzen die Hersteller Ausdehnungsmembranen. Die Membran im Kompass geht die Volumenveränderungen sozusagen mit und gibt der Flüssigkeit den entsprechenden Platz zum Ausdehnen oder Zusammenziehen.

Nix Luftblase. Das war vielleicht früher mal so, aber ist es schon lange nicht mehr.

Oder auch hier bei den „Kompassmachern”, die da verschiedene Modelle besprechen:

Die Kompasskapselist nicht thermoelastisch, sie hat eine Luftblase. Der Kompass wirkt sehr billig und einfach. […]

Der Kompass als auch die Verpackung schauen relativ neu aus. Trotzdem hat sich eine Luftblase gebildet. Bei sehr vielen Modellen mit der Scheibe und dem Nordpfeil haben wir heute das Problem. Vermutlich war es nicht einfach bei diesem Modell einen Ausgleich bei den Ausdehnungskoeffizienten herzustellen.

und zu alten Kompassen aus den 60er Jahren:

Die Kompasskapsel ist fluidgefüllt, erscheint starr und hat keine Luftblasen (2018!). […]

Leider hat im Laufe der Jahre auch dieser Kompass eine Luftblase bekommen, was aber nach über 40 Jahren auch nicht weiter schlimm ist. Nach einiger Zeit ist die Luftblase plötzlich wieder verschwunden. […]

Die Problematik bei diesem WILKIE-Kompass liegt bei den drei Ausdehnungskoeffizienten der verwendeten Materialien, der Membran, der festen Kompasskapsel und der Fluidfüllung. Diese drei Parameter müssen exakt aufeinander abgestimmt sein, ansonsten kommt es zu Luftblasen in der Kapsel. Besonders in einem Auto muss das berücksichtigt werden, da es hier zu erheblichen Temperaturschwankungen kommt. Eine genaue Beschreibung der Kompensierung äußerer Einflüsse finden Sie beim K&R Modell des Autokompasses. Der Kompass wurde am 23. Januar 1969 unter der Nummer 6751021patentiert. […]

Die Kompasskapsel ist fluidgefüllt (ölgedämpft) und bereits thermoelastisch, d.h. sie hat den gleichen Ausdehnungs-koeffizenten wie die ölgedämpfte Flüssigkeit um die Bildung von störenden Luftblasen zu vermeiden. […]

Der Kompass ist so konstruiert, dass die Fluidkapsel bei Verlust der Flüssigkeit und somit bei einer Bildung einer Luftblase ausgetauscht werden kann. Somit könnte selbt heute noch fehlerhaft gewordene Kapseln ausgetauscht werden. […]

Der Kompass war in erster Linie dafür gedacht alles zu können und in der Höhe vor allem keine Luftblasen zu bekommen.

Und besonders wichtig zu einem defekten Exemplar:

Die Fluidkapsel ist bereits thermoleastisch. Leider ist sie aber defekt, sodass im Laufe der Jahre eine große Luftblase entstanden ist. Diese drückt auf die schwebende Kompassrose, die Ablesung wird verfälscht. Der Kompass ist somit nicht mehr funktionsfähig.

und zum technischen Hintergrund:

Was macht also ein Thermometer? Ein Thermometer misst in Abhängigkeit der Temperatur die Ausdehnung von Flüssigkeiten, Gasen oder Festkörpern. Hierzu muss der Ausdehnungskoeffizient bekannt sein. Und was hat das mit einem Kompass zu tun? Auf den ersten Blick wenig, betrachtet man aber die Fluidkapsel, so erkennt man folgenden Zusammenhang. In einer Fluidkapsel befindet sich eine Flüssigkeit, die die Schwingung der Magnetnadel eindämmt, sie damit relativ schnell zur Ruhe kommen lässt. Diese Kompasskapsel ist in der Regel transparent und besteht aus Kunststoff. Zuerst verwendete man Plexiglas (Deckel und Kessel) und füllte sodann eine Flüssigkeit ein. In den 1940er Jahren war das eine Flüssigkeit namens Intava seitens von C. Stockert & Sohn in eine neuartige Kapsel für den Armbandkompass der Luftwaffe AK 39. Sie bestand aus Plexigum (Plexiglas). Es kam zu Luftblasen.

Aber warum? Ein Kompass wird in einem größeren Temperaturbereich verwendet. In der Regel in von -30 bis +45 Grad Celsius. Dass man hierbei kein normales Wasser verwenden kann versteht sich bei diesem Temperaturen von selbst. Eine entsprechende ölige Flüssigkeit kommt in die Kapsel, welche sich den Temperaturen anpassen kann und auch die Klarsichtigkeit bzw. Transparenz der Ablesung auch über einen langen Zeitraum gewährleistet. Bei den unterschiedlichen Termperaturen dehnt sich die Flüssigkeit in der Kapsel aus. Haben wir eine starre Kompasskapsel, die sich in diesem Termeraturbereich so gut wie nicht ausdehnt oder zusammenzieht, so bekommen wir in der Kapsel entweder einen Überdruck oder eine Luftblase.

Ist diese Luftblase klein, so macht das nichts, wird sie aber groß, so drückt sie auf die Magnetnadel und die Messung der Richtung wird falsch. Sowohl die Kapsel auch auch die Flüssigkeit in der Kapsel, das Fluid, sollten daher sich ähnlich ausdehnen und zusammenziehen – die Ausdehnungskoeffizient sowohl der Kapsel aus auch des Fluids sollten aus diesem Grund nahezu identisch ein. Es ist daher logisch, dass Thermometer- und Barometermanufakturen mit entsprechendem Know How auch Fluidkapseln für Kompasse herstellen. Wir haben bereits bei den Fränkischen Kompassmanufakturen PASTO und WILKIE aber auch bei C. Stockert & Sohn und Kasper & Richter die Kompassmodelle mit einer Fluidfüllung gesehen.

Man hat das Problem also erst gar nicht, wenn man die Kapsel aus einem Material macht, das etwa denselben Ausdehnungskoeffizienten wie die Flüssigkeit hat.

Ansonsten verwendet man eine Membran oder eine Kapsel aus elastischem Material, die der Ausdehnung der Flüssigkeit nachgibt.

Und nur bei ganz billigen Exemplaren oder sehr alten, bei denen man das noch nicht beherrschte, hat man Luftblasen absichtlich eingefüllt. Ansonsten sind Luftblasen im Kompass ein Mangel, Defekt oder Altererscheinung, die die Funktionsfähigkeit gefährden oder beeinträchtigen.

Und wenn man in den Foren schaut, werden Luftblasen immer als Mangel und Zeichen für Undichtigkeit angesehen. Manche treiben hohen Aufwand, um den Kompass wieder aufzufüllen.

Außerdem stören Luftblasen deutlich die Ablesegenauigkeit, weil sie die Kompassnadel oder -rose behindern können, die muss sich ja frei drehen und kippen können. Eine nennenswerte Blase darf in einem Kompass deshalb gar nicht vorkommen.

Ich finde es überaus erstaunlich, wieviele Leute mir gerade einreden wollen, dass die Luftblase in den Kompass reingehöre, die müsse da drin sein.

Die einen meinen, damit man den Kompass gerade hält. Was aber bei so einem Fernrohr erstens überhaupt nicht erforderlich und untypisch ist, einem zweitens überhaupt nichts bringt (weil man ja auch nicht in die Waagerechte schaut um mal zu gucken, was man da so findet, sondern weil man dahin guckt, wo das ist, was man sich anschauen will, habt Ihr schon mal jemals ein Fernglas verwendet?), drittens dazu eine gewölbte Oberfläche wie bei einer Libelle einer Wasserwaage erforderlich wäre und man mit einem planen Oberflächenglas, wie es die meisten Kompasse haben, keine Wasserwaage bauen kann, das also gar nicht funktionieren kann? Habt Ihr jemals schon mal eine Wasserwaage verwendet? Oder überhaupt einen Kompass?

Hat irgendeiner von Euch Schlaumeiern schon mal einen Kompass überhaupt in der Hand gehabt? Ist irgendwem schon mal aufgefallen, dass man den Kompass selbst nicht waagerecht halten muss, sondern nur so, dass sich die Rose oder die Nadel frei und ungehindert drehen kann, weil die sich selbst ausbalanciert?

Oder habt Ihr jemals schon einen Peilkompass gesehen, bei dem man die Luftblase sehen könnte, wenn man durch die Peilung schaut?

Ich habe nicht nur keinen einzigen Peilkompass mit einer Luftblase drin, sondern auch keinen einzigen, bei dem man diese angeblich so wichtige Luftblase beim Peilen überhaupt sehen könnten, wenn sie eine hätten.

Die anderen meinen zum Druckausgleich bei Temperaturänderung. Das mag früher vielleicht mal so gewesen sein, aber erstens ist es eben nicht mehr so (ich glaube, als Kind und bei den Pfadfindern hatte ich mal noch einen mit einer kleine Luftblase), und zweitens waren diese Luftblasen nie so groß, dass sie die Funktion oder die Sicht beeinträchtigen könnten.

Ferngläser mit Kompass

Wenn Ihr der Meinung seid, dass so eine Luftblase da drin sein muss, dann erklärt mir doch mal bitte

  • Warum bei meinen mittlerweile drei Ferngläsern mit einem solchen Kompass (darunter, wie erzählt, ein baugleiches desselben Herstellers) eine solche Blase nicht drin ist?
  • Ich ja ganz gerne mal in Outdoor-Läden die Ausstellungsstücke ausprobiere, mindestens ein Dutzend von den Dingern schon in der Hand hatte, und da auch nie eine Luftblase drin war?
  • Warum in den Bedienungsanleitungen der Hersteller jeder Piep erwähnt wird, nur nie, dass da eine Luftblase drin sein müsste,
  • Warum man nirgends ein Hersteller- oder Nutzerfoto von so einer Anzeige mit Luftblase sieht,
  • Warum man das dann so bauen würde, dass die Luftblase das genaue Ablesen unmöglich macht, also den ganzen Zweck konterkariert, anstatt das Ding so zu bauen, dass die Luftblase außerhalb des Sichtfensters bleibt.

Händler hat Mangel bestätigt

Die Versandplattform (aliexpress) und der Händler haben übrigens inzwischen bestätigt, dass das ein Mangel ist und da nicht reingehört.

Ich bin nur mit dem Ergebnis unzufrieden. Sie lassen mir als Mediationsvorschlag die Wahl zwischen

  • einer Erstattung von 15.54 EUR
  • Erstattung des ganzen Kaufpreises, wenn ich das Glas auf meine Kosten zurückschicke. Als Päckchen nach China kostet es 16 Euro, als Paket mit Verfolgung 43 Euro.

Seltsames Verhalten

Ich finde es manchmal erstaunlich, wie manche Leute nur darauf warten, dass ich irgendwo einen echten oder vermeintlichen Fehler mache und drauf aus sind, mir einen reinzudrücken.

Da könnt Ihr noch so zetern: Diese Blase gehört in dieses Fernglas nicht rein und ist ein Mangel.

Zeigt mir mal einen Hersteller, der absichtlich solche Blasen in Fernglas-Kompasse macht.

Wie kann man überhaupt auf die Idee kommen, dass das, was ich da im Foto gezeigt habe, was die Funktion stark beeinträchtigt, so gewollt und konstruiert sein könnte?

Oder habt Ihr als Kind zu viel mit Opas altem Wehrmachtskompass gespielt, der schon bei Stalingrad dabei war?

Manchmal staune ich, worin sich manche Leute so verrennen.