Ansichten eines Informatikers

Mein Mösenkalender 2021 ist eingetroffen

Hadmut
9.12.2020 17:04

Anmerkungen zum Südpol-Zoo.

Nun, ich will ja nicht so sein, und habe deshalb neulich beschlossen, in die Frauenförderung einzusteigen und in einen Vulvaversity-Kalender zu investieren, ein Abreißkalender mit 365 frontal fotografierten Mösen. Sie haben ja sonst nichts. Man muss in seinen Erwartungen ja bescheiden sein, wenn man Frauen mit feministischem Hintergrund fördern will. Wurde gerade geliefert.

Die FAZ jubelt: 365 Fotos vom weiblichen Genital: Ein Freiburger Kollektiv hat einen Kalender herausgebracht, der mit der gängigen Vorstellung der Vulva brechen und zu Gesprächen anregen soll.

NTV: Vulva-Kalender soll Vielfalt zwischen den Beinen zeigen

Ein Jubelvideo haben sie auch:

Vulvaversity – Abreißkalender 2021 – Crowdfunding Video from weit on Vimeo.

Ja…Diversität zwischen den Beinen.

Also … naja … von einer gewissen Serienstreuung abgesehen (erfahrene Karosseriebauer würden ungleichmäßige Spaltmaße bemängeln) sind die irgendwie alle gleich, und alle gleich fotografiert. Eher Einfalt.

Und auch nicht repräsentativ. Ich habe beim Durchblättern nur zwei Piercings entdeckt. Freiburg ist halt nicht Berlin.

Und wieder mal die doppelten Maßstäbe.

Zunächst dachte ich ja an die alten Hustler-Hefte, die bei der Bundwehr in der Wachstube für lange Nächte rumlagen. Während Playboy und Penthouse ja mehr Wert auf das große Ganze legten, war der Hustler ja schon immer das Mösenfachblatt für Fortgeschrittene, und wurde dafür als übelst frauenfeindlich, frauenerniedrigend, objektifizierend und so weiter beschimpft.

Wenn aber der Hustler, der immerhin auf mindestens zwei Dritteln der Bilder noch mehr oder weniger viel Frau drumherum zeigte, was ist dann ein Abreißkalender für an die Wand, der für jeden Tag eine Möse in gynäkologieanfängertauglicher Großaufnahme zum täglichen Abreißen und Wegwerfen darbietet?

Warum regt sich alles so darüber auf, dass manche Leute Frauen Schwanzfotos schicken, aber der große Mösenatlas trifft nur auf Jubel?

Und warum eigentlich überlege ich mir (als Mann) bei der Aktfotografie, etwas irgendwie gut zu fotografieren und nicht so, wie es schon hunderttausendmal abgenudelt wurde, wenn die da einfach mit dem Ringblitzlicht im Massenverfahren alle genau gleich, frontal und formatfüllend abbilden?

Und wo soll da – über die Unterschiede in der Körperpflege hinaus – nun eigentlich die versprochende Diversität, Vielfalt liegen? Loch, Loch, Loch, Loch….

Und wie stellen die sich das eigentlich vor? Jeden Tag eins abreißen und dann? In den Hausmüll? Was sollen die Nachbarn denken, die an den Müllcontainer treten?

Und warum grinsen die da im Video eigentlich so, ich aber nicht beim Angucken?

Ist das vielleicht gar nicht zum Angucken gedacht, sondern war das ein Befriedigungsprojekt für den oft verschwiegenen, aber noch viel öfter existierenden weiblichen Drang zur Exhibition? Es ist ein mir nicht nur aus der Aktfotografie vertrautes Phänomen, dass es nicht wenige Frauen überaus eilig damit haben, sich vor einer Kamera auszuziehen, und nicht das Produkt, das Ergebnis, sondern der Vorgang als solcher zählt und unübersehbar gewisse Lust verschafft. Jungs springen aus Flugzeugen oder stürzen sich Schluchten herunter, Mädchen heben das Röckchen? Das Thema hatte ich ja schon öfters. In der Öffentlichkeit wird es immer so hingestellt, als wäre Exhibitionismus, wenn Männer im Park kleine Mädchen vor unvollendete Tatsachen stellen, meine Lebenserfahrung sieht das aber eher als pathologisches Randphänomen und den Exhibitionismus als im wesentlichen weibliche Domäne mit gesellschaftlichem Monopolanspruch.

Nun bin ich grundsätzlich dem weiblichen Exhibitionsmus ja auch gar nicht abgeneigt, sondern stehe ihm im Allgemeinen sehr positiv gegenüber. Aktfotografie ist immerhin nichts geringeres als die gelungende Symbiose aus einem in aller Regel, besser außerhalb, exhbitionistischem weiblichen und voyeristischen männlichen Teamanteil, eines der wenigen Beispiele für Vorteile durch gemischte Teams.

Vielleicht bin ich deshalb auch etwas verwöhnt, was Beschaffenheit, Zustand und Darbietung der Auslegeware betrifft. Es gibt da, wie soll ich sagen, gewisse fotografisch-ästhetische Maßstäbe, die ich mir über die Jahre – das Adjektiv hart verkneife ich mir an der Stelle aus rhetorischen Gründen – erarbeitet habe.

Und das muss ich leider sagen, diesen Ansprüchen wird die Sammlung nicht gerecht. Da ist der Stand der Kunst und Darbietung eigentlich weiter. Ich würde sowas fotohistorisch bestenfalls auf dem Stand der 1960er und 70er Jahre einordnen. Als Werbeprospekt für das Angebot „Frau” nur sehr bedingt tauglich.

Es ist etwas traurig, wenn man so ein Ding in die Hand bekommt, von dem man weiß, dass die da (glücklicherweise nur) Herzblut reingsteckt haben, und sich wirklich freuen, dass sie so ein tolles Projekt hervorgebracht haben, und man das vor dem Hintergrund des Standes der Kunst selbst mit Wohlwollen bestenfalls mit einem Naja bewerten kann. Das ist irgendwie Selbstüberschätzung.

Oder was steht da auf der Webseite?

Um die Vulva in all ihrer Vielfalt sichtbar zu machen, zum Nachdenken und Diskutieren anzuregen, haben wir für 2021 einen Abreißkalender mit Fotos von 365 verschiedenen Vulven produziert. Bewusst verzichtet Vulvaversity dabei auf das Ästhetisieren oder die künstlerische Darstellung. Die Bilder zeigen somit ein unverfälschtes, unverändertes Abbild der Vulven.

Tja. Denkfalle. Bewusster Verzicht auf Ästhetisieren und künstlerische Darstellung ist das Problem. Genau darin zeigt sich nämlich die fehlende Vielfalt. Alte Männerweisheit: Kennste fünf, kennste alle. Stimmt nicht ganz. Sagen wir es so: Ich kenne da ein weit größeres Diversitäts-, Leistungs- und Zustandsspektrum als die das da zeigen. Freiburg halt. Dass in Berlin mal etwas gepflegter aussehen könnte als in der Provinz mag manchen überraschen.

Immerhin ist geklärt, was man dann mit den Zetteln macht:

Die abgerissenen Kalenderblätter können später als Notizzettel, Einkaufslisten, Postkarten etc. weiterverwendet werden. Zudem enthält der Kalender wissenswerte Informationen über die Vulva, die eigentlich zum Allgemeinwissen zählen sollten.

Ja, das ist nett. Als Postkarte verschicken. Oder hier im weit überwiegend muslimisch und verschleiert besuchten LIDL damit als Einkaufszettel rumlaufen. Hat was. Sicherlich nicht sehr lange, aber hat was.

Kurios finde ich ja, dass die Nachfrage die Auflage offenbar weit überstieg und sie deshalb eine Fortsetzung für 2022 angekündigt haben, als ob die dann irgendwie anders aussehen würden als die ersten 365. Unklar ist mir, auf welcher Seite da noch unbefriedigter Bedarf besteht: Bei Käufern oder bei Exhibitionistinnen. Ich hatte mich ja neulich schon über einen Fernsehbericht in irgendeinem der Jugendprogramme des öffentlich-rechtlichen Schlimmfunks gewundert, dass von einem Typen handelt, der als Hobby Gipsabgüsse von Vulven anfertigt. Früher hätte man den als Perversling abgetan, aber offenbar rennen sie ihm nun die Bude ein, der kommt wohl kaum nach. Angeblich veranstalten sie in Berlin ja Pussy-Viewing-Events.

Am Ende gar eine bewusste oder unbewusste Exit-Strategie aus der Feminismus-Sackgasse? Ist das vielleicht so eine Art „wir sind wieder da”? So eine Art Räumungsverkaufsversuch der untervögelten Überdreißigjährigen?

Apropos anders: Fällt mir gerade so auf, hier wird ausschließlich die klassische urdeutsche Einheitsmöse präsentiert. Keinerlei Geschlechterdiversität, keine schwarze, keine farbige, keine asiatische. Nix trans, nix inter, nur die klassische bio-binär standardisierte Normbuchse, wie man das früher so kannte. Und das nennen die Vielfalt?

Immerhin lässt sich als Fazit konstatieren, dass sich das feministische Geschlechterbild und Selbstverständnis unzweifelhaft wieder sehr stark konsolidiert und auf ein einheitliches Baumuster zurückgezogen hat.

So gesehen könnte man es als eine Art Hilfeschrei auffassen, back to the roots, wieder einen Musterkatalog herkömmlicher weiblicher Physiognomie herausgeben, um den „gender trouble” endlich wieder aufzuräumen. Also wollte man sagen „das ist Frau, daran erkennt man sie”.