Ansichten eines Informatikers

Die sozialistische Zensur zieht sich zu – rapide

Hadmut
9.1.2021 15:06

Die Ereignisse passieren inzwischen im Stundentakt.

Gerade hatte ich noch von der Flucht aus Twitter und Facebook geschrieben, ein Leser hatte mich schon ob der Begriffswahl getadelt, denn es sei ja keine Flucht, sondern eine Vertreibung, und Überlegungen angestellt, wohin man ausweichen könnte, da überschlagen sich schon die Ereignisse.

Heute morgen ging es durch die Presse, etwa SPIEGEL: Google verbannt rechtsradikales Onlinenetzwerk Parler aus App Store

Nach dem Sturm auf das US-Kapitol verstärkt auch Google den Kampf gegen Rechtsradikale. Die App des Onlinedienstes Parler fliegt aus dem App Store.

Nach dem gewaltsamen Sturm auf das US-Kapitol durch radikale Anhänger des scheidenden Präsidenten Donald Trump hat Google den Onlinedienst Parler aus seinem App Store genommen. Das umstrittene Netzwerk lasse »ungeheuerliche Inhalte« zu, die zu tödlicher Gewalt anstiften könnten, erklärte das Unternehmen am Freitag. Parler war zuletzt insbesondere von Rechtsradikalen genutzt worden, die zuvor von anderen Onlineplattformen ausgeschlossen worden waren.

»Wir sind uns bewusst, dass in der Parler-App weiterhin Beiträge gepostet werden, die zu anhaltender Gewalt in den USA aufstacheln«, sagte Google in einer Antwort auf eine Anfrage der Nachrichtenagentur AFP. Berichten zufolge hatte auch Apple der Plattform gedroht, den Dienst aus dem App Store zu entfernen. Parler müsse Maßnahmen ergreifen, um Nutzer daran zu hindern, illegale, gewalttätige Aktivitäten gemeinsam zu planen, forderte Apple demnach.

Und was dann tagesaktuell „illegal” ist und nicht unter Meinungsfreiheit fällt, das diktieren dann Organisationen wie die „Neuen Deutschen Medienmacher” vertraulich im Hinterzimmer, wie ich das von den Netzwerk-Recherche-Konferenzen berichtet hatte: Hass ist keine Meinung, fällt nicht unter Meinungsfreiheit. Was Hass ist, das bestimmt der Diskurs ständig neu. Und die Diskurshoheit haben wir.

So wird dann über die Rabulistik des „Hate Speech” die Meinungsfreiheit ausgehebelt: Natürlich stehe man für Meinungsfreiheit (weil man sie selbst für sich braucht), aber nur die offiziell verkündete Meinung sei eben „Meinung”. Alles andere sei „Hass”, deshalb keine Meinung und habe deshalb auch keine Meinungsfreiheit.

Und ja: Auch Apple will Parler aus dem App Store werfen.

Und wenn die Handy-Apps da weg sind, dann sind die deutlich abgehängt, vor allem eben mobil. Man kann zwar (zumindest unter Android im Developer Mode per adb über USB oder nach Einstellung es zu erlauben im Systemmenü über den direkten Download von einer Webseite) auch von außerhalb des App Store Apps installieren, aber das ist schon nichts mehr für jedermann und auch gefährlich, weil man keine automatischen Updates bekommt. Beim iPhone weiß ich es nicht, ob es geht. Allerdings kann auch Android Apps ganz blockieren.

Die Alternative wäre über den Webbrowser, aber auch das können sie sperren. Beispielsweise, weil sie ja zunehmend DNS-over-HTTP machen und alles über ihre zentralen DNS-Server laufen lassen, oder indem die die Domain direkt im Browser sperren.

Auch das Sperren von TLS-Zertifikaten wird sicher kommen. Ich hatte das ja schon als Gefahr angekündigt, als ich mein Blog auf vielfachen Wunsch von HTTP auf HTTPS umgestellt habe. Das ist zwar dann verschlüsselt und durch Proxies schwerer zu sperren, birgt aber die Gefahr, dass sie einem einfach kein Zertifikat mehr geben und man sich dann selbst sperrt. Insbesondere wenn man als Sicherheitsparameter einstellt, dass der Browser künftig nur noch per HTTPS draufgeht (strict transport security) oder sich auf ein Zertifikat festlegt (pinning). Damit können die einem dann ziemlich den Hahn abdrehen.

Ich fühle mich doppelt in Meinungs- und Pressefreiheit verletzt: Aktiv und passiv

Ich fühle mich in meiner aktiven Meinungs- und Pressefreiheit verletzt, weil man ja ständig fürchten muss, abdreht zu werden. Abmahnungen bekomme ich immer wieder, und meinen Account hat Twitter ja auch schon mal geperrt. Man ist längst in einer Situation wie in einer sozialistischen Diktatur, wo man jedes Wort zweimal umdrehen muss, bevor man es äußert.

Und passiv, weil man vom Informationszugang abgeschnitten wird.

Gerade der Vorgang im Capitol hat gezeigt, wie wichtig es ist „alternative Fakten” zu bekommen. Gerade davon soll man aber abgeschnitten werden, damit man nur noch das bekommt, was man nach Meinung der „Partei” bekommen soll.

Ich kann mich erinnern und hatte es schon ein paarmal erwähnt, dass ich auf einer „Key-Signing-Party” (gegenseitiges Bestätigen von PGP-Schlüsseln) 1994 auf einer IETF-Tagung in San Jose als dort völlig unbekannter Teilnehmer meinen deutschen Personalausweis vorgezeigt hatte, um mich auszuweisen und meinen Identität zu beweisen. Das war dort und anschließend in einer Mailingliste heftigst kritisiert worden. Nicht ich persönlich, sondern Europa dafür, dass sie sowas überhaupt haben. Weil doch – so argumentieren die dort – das Warschauer Getto gezeigt hätte, dass man in einer Diktatur nur überleben kann, wenn man seine Identität jederzeit wechseln kann. Nur Amerika sei sicher, weil man dort kein Meldewesen habe und jederzeit seine Identität wechseln könnte.

Und nun sind es längst amerikanische Firmen wie Google, Facebook und Twitter, die uns voll überwachen, alles über uns sammeln, und uns in digitale Gettos sperren. Und viele derer, die damals noch davor gewarnt haben, machen da heute mit Wonne mit.