Ansichten eines Informatikers

Vom Wetter, vom Klima und von den Breitengraden

Hadmut
14.1.2021 0:35

*Seufz* [Nachtrag]

Ich hatte noch neulich geschrieben, dass ich nicht so ganz verstehe, warum es in Madrid nachts bis zu -15° werden soll, während es in Griechenland tagsüber bis zu 31° geben soll. Wäre doch vom Breitengrad ähnlich.

Dafür habe ich einen Stapel Mails bekommen. Manche, aber nicht alle freundlich.

Ob ich im Geographieunterricht geschlafen hätte. (Ja, das auch, aber das habe ich dann durch Reisen mehr als wieder reingeholt.)

Viele sind ja der Meinung, dass das einfach daran liege, dass das eine ein maritimes und das andere ein kontinentales Klima sei. So Standard-Schulwissen halt.

Das ist als Schulbuch-Erklärung schön, aber es trägt nicht so weit, wie man denkt. Maritimes Klima gilt als weniger wechselhaft, was ich so aber auch nicht bestätigen kann. In vielen Städten und Gegenden am Meer bläst ein ganz ekliger Wind, weil alles offen ist, und der kann sehr unterschiedliche Wetterlagen reinbringen. Melbourne hat traditionell vier Jahreszeiten, und zwar jeden Tag, und dort ändert sich das Wetter so schnell, wie man das Schiebedach am Auto aufmachen kann. New York kann saukalt sein.

Und dann war ich ja mal auf La Reunion, einer Insel, die so klein ist, dass es dort praktisch nur maritimes Klima gibt, und selbst, wenn man das bestreiten würde, es nur eine Autobahn gibt, die ringförmig um die Insel geht, direkt am Meer entlang, und trotzdem auf der einen Seite ein deutlich anderes Klima herrscht als auf der anderen Seite. Obwohl beides am Meer und nur ein paar Kilometer auseinander ist. Weil halt von Osten über den indischen Ozean ein ganz anderes Wetter über das Meer heranbläst als vom Westen her, von Madagaskar und Afrika. Es kommt also nicht nur darauf an, wo man selbst ist, sondern von wo es bläst. Wir sind ja hier noch kontinentaler als Madrid, und trotzdem haben wir hier Heißluft, wenn es von Afrika kommt, und der Staub auf der Straße enthält Sahara-Sandabrieb.

Das bisschen Mittelmeer reicht noch nicht aus, um Griechenland zu maritimem und Madrid zu kontinentalem Klima mit solchen großen Unterschieden zu machen.

So merkten auch einige kundige Leser an, dass Spanien gerade unter dem Einfluss eines Tiefs vom Antlantik her steht (als das als von so vielen als „kontinental” beschriebene Madrid von kalter Luft von über dem Meer ergriffen wurde), während Griechenland (das so viele Schlaumeier als maritim beschrieben) von heißen Winden aus Afrika aufgeheizt wurde, die sich da über dem Land erhitzt hatten.

Also genau andersherum als die schlaumeierten, die in der Schule wach waren.

Richtig dagegen, und das hatte ich nun nicht bedacht, war der Umstand, dass Madrid auf 700 bis 800 Metern höhe liegt. Ein Pilot sagte mir mal, 1° kälter auf 100 Meter Höhe, schon allein das würde 8° Unterschied erklären. Zudem liege Madrid zwischen Bergketten (siehe topologisch). Wenn ich mir das aber so anschaue, wäre ich da eher der Meinung, dass das ein der Wind vom Meer durchblasen kann. Sind zwar 450km, aber wir kriegen ja auch Afrika-Luft bis Deutschland.

Außerdem, weiß ich von einem, ist es gerade in Portugal auch saukalt. Für deren Begriffe. Die haben gerade einen Unwetterwarnung mit Warnung vor extremer Kälte: Weil dort die Temperatur auf +3°C sinken soll. Das ist für die extreme Kälte. Zumal sie dort, wie mir berichtet wurde, keine Heizung in den Häusern haben, nur ein paar Heizlüfter, und bitterlich frieren.

Ich weiß nicht, wieviele Leute sich nun darauf versteifen wollen, dass Portugal dann halt eben auch kontinentales Klima habe – so am Strand entlang.

Die Begründung, dass es eben nur auf kontinental und maritim ankomme, trägt nicht, denn dann vergleicht man eben den Strand in Griechenland mit 30° mit dem im Portugal in 3°. Beide Strände übrigens auf Meereshöhe.

Breitengrade

Am beeindruckendsten finde ich die Behauptung, dass das Klima mit dem Breitengrad nichts zu tun habe und es deshalb gar nichts bedeute, dass Madrid auf einer Breite liegt, die durch Griechenland geht. Ich war immer der Meinung, dass es in der Arktis und Antarktis schon noch kälter als am Äquator ist. Und das mit Winkel zur Sonne zu tun hat. Zumal die Erde dazu neigt, sich um ihre geneigte Achse zu drehen, also Orte gleicher Breite schön regelmäßig durchtauschen.

Schon öfters habe ich ja zu den verschiedenen Kartenprojektionen geschrieben, und dazu, dass die Gender-tröten die Mercator-Projektion bekämpfen, weil sie die Größen verzerrt und Europa und Nordamerika zu groß und Afrika zu klein darstelle, also diskriminiere.

Einer verweist zum Beweis, dass es auf die Breite nicht ankäme, auf diese Temperaturanomalienkarte. (Einige Leser haben darauf hingewiesen, dass die Karte sowieso nicht die Temperatur, sondern nur die Anomalien anzeigt. Trotzdem sieht man die ringförmigen Strukturen.

Ich weiß aber nicht, wie er das meint. Ob er vielleicht nicht gemerkt hat, dass das keine Mercator-Karte ist. Die erscheint mir stereographisch. Das ist die Projektion, mit der man auch diese „little planet”-Bilder macht, nur hier eben „big planet”. Und weil die Breiten bei einer stereographischen Projektion mit Mittelpunkt im Nordpol als konzentrische Kreise dargestellt werden.

Und da sieht man eigentlich ziemlich gut, dass die Temperaturanomalien annähernd ringförmig angeordnet sind – also eben doch entlang der Breiten.

Nachtrag: Einer schrieb noch

Allgemein: Man kann vom Breitengrad allein nicht auf das Klima eines Ortes schließen. Die Isothermen gehen nirgendwo auf der Welt so hoch wie in Europa:

https://www.researchgate.net/profile/Parham_Habibzadeh/publication/342118086/figure/fig2/AS:904147901628420@1592577066983/World-Temperature-Map-January-2020-to-February-2020.png

Außerdem sind sie über großen Teilen Europas um 90 Grad “gekippt”, dh es wird kühler wenn man sich von West nach Ost bewegt, aber nicht von Nord nach Süd. In manchen Gegenden sind sie sogar um mehr als 90 Grad gekippt, dh es wird es wärmer, wenn man sich nach Norden bewegt (zB norwegische Westküste, in gewissem Sinne auch innerhalb Deutschlands). Hauptgrund ist der Golfstrom und die Halbinselform Europas, wegen der es von allen Seiten von mildem Meerwasser umspült ist. Es gibt deshalb nur wenige Gegenden auf der Erde wo subtropisches/mediterranes Klima auf so hoher Breite existieren wie an unserem Mittelmeer. ZB ist New York City auf dem gleichen Breitengrad wie Rom, aber New York hat kein mediterranes Klima sondern deutlich kühler, besonders im Winter.

Mal abgesehen davon, dass ich jetzt nicht sehe, auch nicht auf der Karte, dass das Klima in Europa um 90° gekippt wäre, ist das jetzt wieder eine andere Argumention.

Die einen sagen, in Madrid wäre es kalt, weil kontinental, und in Griechenland warm, weil maritim, kommt nun der nächste und sagt, in New York, obwohl direkt am Meer, sei es kalt, und am Mittelmeer sei es warm, weil eben mediterran.

Ich kann mich ja noch mit Leuten auseinandersetzen, die es besser wissen, als ich.

Aber ich tue mir schwer, wenn es alle besser wissen, als ich, aber jeder was anderes behauptet.