Ansichten eines Informatikers

Seltsame Corona-Zocke

Hadmut
25.1.2021 1:14

Was lief da für eine Nummer ab?

Die WELT schreibt was darüber, wie das mit der Corona-Impfstoff-Bestellung schief gelaufen sei.

Die EU bestellte bei Curevac für Millionen Euro Impfstoff, als andere Hersteller in der Entwicklung bereits viel weiter waren. Und während diese jetzt liefern, hängt die Tübinger Firma hinterher. Hat Brüssel sich auf Berlins Druck verzockt?

Berlin habe Druck auf die EU zugunsten Curevacs ausgeübt? Warum?

Die Bundesregierung habe sich bei Curevac teuer eingekauft, aber Biontech habe den Impfstoff entwickelt, Curevac sei hinterher.

Curevac aber, auf das die Bundesregierung besonders setzte, wird länger brauchen. Das zeigt ein Papier, das das Gesundheitsministerium vor Kurzem an Abgeordnete verschickte. In der Aufstellung über die verfügbaren und geplanten Impfstoffe heißt es auf Seite drei zur Tübinger Firma: „Derzeit ist eine bedingte EU-Zulassung in Q2 2021 möglich.“

Viel später also als die Produkte von Biontech, dem US-Unternehmen Moderna und wahrscheinlich auch der britischen AstraZeneca. Auf Nachfrage teilt Curevac mit, man halte eine Zulassung „im zweiten Quartal 2021 für möglich“. Was bedeutet: Curevac wird aller Voraussicht nach erst nach der zweiten Welle der Pandemie auf den Markt kommen.

Dennoch hat die Politik selbst dann noch besonders auf Curevac gesetzt und Impfdosen geordert, als andere Wettbewerber viel weiter waren. Für die Impfpläne der Europäer ist das ein Problem. Eine Recherche von WELT AM SONNTAG zeigt, wie es dazu kommen konnte.

Das ist eine interessante Frage, warum man da so auf einen bestimmten Hersteller setzt. Hatten da vielleicht ein paar Politiker Aktien im Depot?

Im März hatte WELT AM SONNTAG enthüllt, dass es von US-Seite Interesse an Curevac gegeben hatte. Neue Informationen zeigen, wie die Verhandlungen abliefen. Der Höhenflug von Tübingens Vorzeigefirma begann Anfang März mit einer Einladung von Donald Trump. Der damalige US-Präsident versammelte Vertreter verschiedener Pharma- und Biotechfirmen im Weißen Haus. […]

Immer wieder bohrte Trump nach, wer das Serum wie schnell fertigstellen könne. „Wenn wir erstmal die Anlagen im vierten Gebäude haben, können wir Hunderte Millionen an Impfdosen herstellen“, versprach Menichella. Der entscheidende Faktor sei: dass „wir den COVID-19-Impfstoff sehr, sehr schnell entwickeln können“. Curevac werde an diesem Punkt im Juni 2020 stehen. Menichella meinte wohl Phase eins der Entwicklung. Wichtige Details, die in der Runde anscheinend untergingen.

Ein paar Monate, das gefalle ihm, sagte der US-Präsident.

Trumps Interesse an Curevac war für die Firma wie ein Sechser im Lotto. Drei Tage später kontaktiert sie die Bundesregierung. In einem Schriftsatz, den das Gesundheitsministerium nach einem Rechtsstreit mit WELT AM SONNTAG vorlegte, ist von einem „möglichen Technologietransfer“ von Produktionsabschnitten in die USA die Rede. Dort interessiere man sich bereits für Impfdosen und Produktionskosten.

Äh … Moment mal.

Hieß es nicht immer, Donald Trump interessiere sich nicht für COVID-19 und halte es für unbeachtlich? Und dann heißt es hier, er habe da massiv gebohrt und wollte die Firma den Deutschen vor der Nase wegschnappen? Ich kann mich sogar erinnern, dass sowas damals durch die Presse ging und hier ziemlichen Unmut hervorrief, dass die Amerikaner hier eine Firma wegkaufen wollen, die den wichtigen Impfstoff herstellen könnte. Ich kann mich erinnern, dass es irgendwo hieß, Trump habe mit ungegrenzten Geldmitteln gewinkt.

Dann schaltete sich Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer ein. Einen Tag nach Curevac schickte der Grünen-Politiker eine Nachricht an Gesundheitsminister Spahn: Der US-Präsident wolle, dass die Firma in die USA verlegt werde, heißt es darin. Dann sollten auch nur die USA beliefert werden. America First.

Geld sei jenseits des Atlantiks wohl kein Problem. Mit der besagten Anlage meinte Palmer ein Gebäude, das pro Jahr eine Milliarde Impfdosen eines möglichen Corona-Medikaments herstellen könnte. Das Investitionsvolumen dafür liege bei rund 100 Millionen Euro. Der Tübinger OB brachte es in der Nachricht, die dieser Zeitung vorliegt, auf den Punkt: Könne Curevac von der Bundesregierung in Tübingen gehalten werden?

Der Grüne Palmer steckt da mit drin? Der wollte die Firma in Deutschland halten?

Im Juni stand fest: Der Bund steigt über die Kreditanstalt für Wiederaufbau mit 300 Millionen Euro ein. So etwas hatte es in der Bundesrepublik in diesem Sektor noch nie gegeben. Dafür gab es 23 Prozent der Firmenanteile – und die Aussicht auf einen Impfstoff made in Germany.

Anfangs kannte diese Kooperation auf deutscher Seite nur Gewinner.

Da stellt sich aber nun eine andere Frage:

Durch den Gang an den Kapitalmarkt im August stieg Curevac zum Milliardenunternehmen auf. Der Anteil der Bundesregierung ist mittlerweile rund 2,5 Milliarden Euro wert. Mehr als verachtfacht hat sich das Investment in dieser kurzen Zeit. Was für ein Erfolg.

Wollte man da mit der Corona-Krise noch gewinnen? Oder hatten sich da noch Regierungs-Insider vorher mit Aktien eingedeckt?

Die Welt beschreibt, dass Curevac Gefahr lief, das große Geschäft zu verpassen, weil Biontech/Pfizer einen wirksamen Impfstoff hatte und verkaufte, und Curevac erst mal ohne dastand.

Hatte Curevac das große Geschäft verpasst? Von wegen.

Nur wenige Tage später orderte die EU-Kommission 405 Millionen Dosen bei Curevac. Es ist die größte Bestellung für die Firma – und eine der wenigen überhaupt. Andere Großbesteller wie die USA, Großbritannien und Kanada halten sich bisher zurück. Nur die deutsche Regierung hat für den Bund noch einmal unabhängig vom EU-Vertrag 20 Millionen Dosen bei Curevac reserviert.

Man generierte Geschäft, obwohl Curevac noch keinen Impfstoff hatte.

Neben Curevac gibt es übrigens noch ein zweites europäisches Unternehmen, das im Impfstoffrennen zwar weit zurückliegt – bei dem die EU-Kommission aber viele Dosen bestellt hat. Es handelt sich dabei um Sanofi, einen Pharmariesen. Er stammt aus Frankreich.

Da stellt sich die Frage, wer da Aktien an Curevac und Sanofi hatte.

Haben sich da einige Politiker oder ihre Günstlinge rechtzeitig mit Aktien eingedeckt, weil sie erwarteten, dass diese Firmen die staatlichen Aufträge bekamen? Und als die dann nicht voran kamen und von Biontech überholt wurden, mit staatlichen Fake-Aufträgen den Aktienkurs hochgetrieben, um die Aktien mit Gewinn wieder verkaufen zu können?