Muss es zirkular sein oder reicht auch linear?
Was mich zum Grübeln bringt.
Ein wichtiges fotografisches Utensil ist der Polfilter.
Früher, also so ganz früher, und damit meine ich noch früher, also noch nicht mal die Spiegelreflexkameras mit chemischem Film (sie werden so gern als analog bezeichnet, sind aber eigentlich chemisch, auch wenn sie zur Messung und Steuerung oft analoge Elektronik enthielten) uns Messelektronik, sondern noch früher, bevor diese eine sogenannte TTL-Messung hatten. Verdammt, jetzt habe ich das Verb vergessen. Was wollte ich jetzt eigentlich sagen? Also, so ganz früher, da verwendete man lineare Polfilter. Sprich: So ganz normale, Polfilter eben, ohne was drauf oder dazu.
TTL-Messung steht übrigens nicht für TTL-Elektronik (Transistor-Transistor-Logik), sondern für Through-The-Lens. Macht man ja auch heute noch, obwohl längst alles CMOS ist. Irgendwann kam das eben auf, dass man solche Dinge wie die Belichtung nicht mehr außerhalb der Optik über irgendsowas wie Erfahrung, Hingucken oder Selen-Zellen in Belichtungsschätzeisen gemessen hat, sondern eben Through-The-Lens, also durch das Objektiv hindurch, durch das man fotografieren will. Von der Bildebene aus. Also genau so, wie man das Foto macht.
Das ist nicht ganz so einfach, weil das Bild ja kaputt wäre, wenn man vor dem Film eine Messzelle anbringen würde. Da wäre ja ein schwarzer Fleck im Bild. Das hat nur bei der Blitzbelichtung funktioniert, weil da Messzellen im Boden der Kamera während des Fotos gemessen haben, wieviel Licht die Oberfläche des Films reflektiert. Und die sagten dann: So, jetzt reicht’s, Blitz wieder aus. Wozu man natürlich einen steuerbaren Blitz brauchte und keine Blitzbirne. Der genau genommen auch kein Blitz mehr ist, sondern eine sehr helle Lampe, die eben nur sehr kurz leuchtet, und die man ein- und ausschalten kann. Und weil man da keinen Einfluss mehr auf Blende und Belichtungszeit mehr nehmen, aber eben das Blitzlicht elektronisch ganz schnell wieder abschalten kann, wenn es reicht.
Weil das aber bei normalen Fotos so nicht machen kann und da Blende und Belichtungszeit schon vorher wissen und durch Messung bestimmen muss, hat man sich was ausgedacht. Man hat nämlich den Spiegel in der Spiegelreflexkamera, der dann, wenn man gerade nicht den Film belichtet, runtergeklappt ist und das Licht nach oben in das Sucherprisma umlenkt, teildurchlässig gemacht, dass nur ein Teil des Lichtes in den Sucher gelangt. Hinter dem Spiegel sind (selten) Messzellen angebracht, oder (weit häufiger) ein kleiner zweiter Spiegel, der das, was der teildurchlässige erste Spiegel nach hinten durchlässt, nach unten in den Kameraboden umlenkt, wo dann die Messzellen sitzen. Die können dann sagen, wieviel Licht reinkommt, und wie man belichten muss. Dazu müssen sie natürlich justiert sein und wissen, wieviel Anteil vom Licht der teildurchlässige erste Spiegel überhaupt durchlässt. Lässt der nur 10% durch, muss man die Messwerte natürlich mit 10 multiplizieren, um auf den richtigen Wert zu kommen. Aber weil das in der Kamera fest und unveränderlich ist, wird das eben einmal richtig eingestellt, und dann passt’s.
Aber, ach.
Verwendet man nun einen normalen Polfilter, dann passt’s nicht mehr.
Weil nämlich der teildurchlässige Spiegel, wie schräg stehende Scheiben das eben so machen (was ja auch der Grund ist, warum einem der Polfilter bei Fensterscheiben u.ä. überhaupt was bringt, denn da ist es ja genauso), polarisiert. Er lenkt nicht einfach einen allgemeinen Anteil des Lichts nach oben in den Sucher, sondern das ist abhängig von dessen Polarisierungsebene. Das durchgelassene und das nach oben gelenkte Licht haben unterschiedliche Anteile an den jeweiligen Polarisationswinkeln. Stichwort: Brewster’scher Winkel.
Normalerweise macht das nichts, weil man eben normalerweise die Polebenen schön gemischt über alle Richtungen durcheinander hat.
Das kann aber schief gehen, wenn das Licht, das reinkommt, etwa vom Himmel oder eben Reflektionen auf Wasser, Glas, Autolacken polarisiert ist. Weil dann eben der Anteil des Lichts, das der vordere, teildurchlässige Spiegel durchlässt, eben nicht mehr der normale Anteil von vielleicht eben beispielsweise 10% ist, sondern deutlich mehr oder weniger. Deshalb geht die Belichtungsmessung dann schief und liefert falsche Werte. Sie ist, um im Beispiel zu bleiben, auf 10% geeicht, bekommt dann aber mal 25%. Oder 5%. Das Bild wird dann unter- oder überbelichtet, weil eben falsch gemessen.
Sowas ist dann noch nicht so schlimm, wenn es die fotografierten Objekte sind, die polarisieren, weil man oft noch was anderes im Bild hat und der Messfehler sich damit nur auf einen Teil des Bildes bezieht, also anteilig schrumpft. Wenn man ein Haus fotografiert und die Fensterscheiben die Messung verwirren, ist das trotzdem noch ein eher kleiner Anteil.
Schraubt man aber einen normalen Polfilter vor die Kamera, weil man den Himmel blau oder die Farben kräftig oder die Reflektionen weg haben will, dann geht das irre schief. Weil dann nämlich alles Licht, was in die Kamera kommt, polarisiert ist und die Belichtungsmessung so richtig derb danebenliegt. Wenn sie nur noch 1% des Lichtes bekommt. Oder 50%. Statt der 10%, auf die die Messung geeicht ist (Zahlenwerte nur Erklärbeispiele, weiß nicht, wie hoch das in Wirklichkeit ist).
Deshalb verwendet man zirkuläre Polfilter.
Das sind im Prinzip dieselben wie die linearen, auf die man aber auf der Rückseite eine Zusatzschicht aufgebraucht hat, die das gefilterte Licht zufällig wieder in alle Richtungen dreht. Man hat zwar dann polgefiltertes Licht, also blauen Himmel und satte Farben, aber kein polarisiertes Licht mehr. Und alles ist wieder gut, die Messung funktioniert wieder, weil sie wieder den richtigen Anteil bekommt.
Das führt zu komischen Effekten.
Denn normalerweise kann man mit Polfilter die typischen Experimente machen, nämlich vor einem LCD-Schirm drehen, der dann heller und dunkler wird, oder zwei Polfilter hintereinander verdrehen, die dann mehr oder weniger durchlassen. Oder die bekannten Fotos mit den Farbschlieren bei der Belastung von transparentem Kunststoff. Ein Filter dahinter, einer davor. Weil manche Kunststoffe je nach Druckbelastung das Licht mehr oder weniger stark drehen. Soweit ich weiß, ähnlich wie bei LCD-Schirmen, bei denen die Schicht dazwischen abhängig von der Spannung mehr oder weniger dreht.
Das funktioniert mit zirkularen Polfiltern aber nur, wenn man sie richtig herum hält. Beispielsweise der Effekt, zwei Filter hintereinander zu verdrehen, bis nichts mehr durchgeht, funktioniert nur, wenn man sie Vorderseite-zu-Vorderseite aneinanderhält. Weil sonst die Beschichtung auf der Rückseite den Effekt vernichtet, denn genau das soll sie ja, damit die Belichtung richtig messen kann.
Früher hat man also beide Sorten von Filtern verkauft, die linearen (billiger) und die zirkularen (deutlich teurer), und die Fotobegeisterten haben sich in Grund und Boden geärgert, weil sie nie verstanden haben, was der Unterschied ist und warum man die zirkularen braucht, obwohl sie doch auch mit den linearen schon so tolle Fotos gemacht haben (wenn’s zufällig gerade richtig steht oder der Printer vom Negativ den Belichtungsfehler ausgeglichen hat). Nachdem aber die ganz alten Kameras nicht mehr in Gebrauch waren, hat man irgendwann nur noch zirkulare verkauft.
Wie ist das nun aber bei Spiegellosen Kameras, die – der Insider weiß es – keine Spiegel haben? (Und deshalb so heißen.)
Da tritt dieses Polarisationsmessproblem nicht auf, weil sie keinen teildurchlässigen Spiegel haben, der polarisationsabhängig einen Teil ablenkt.
Ich grüble nun, ob es auch bei spiegellosen Kameras noch einen Grund geben könnte, warum man zirkuläre Polfilter braucht, oder ob da wieder die linearen reichen könnten, die nicht nur billiger sind, sondern eben eine Schicht weniger im Strahlengang haben.
Bei Spiegellosen nämlich sitzen die Messsensoren mit auf dem normalen Bildsensor. Da fällt das Licht einfach gerade drauf und sie messen immer genau so, wie auch die Bildpixel dann später bei der Aufnahme das Licht bekommen. Jeder Fehler würde sich also auf Mess- und Bildsensoren gleich auswirken und stets kompensieren.
Es könnte aber natürlich sein, dass es trotzdem noch Messfehler gibt, denn nur, weil Mess- und Bildsensoren – vermutlich, falls sie hinreichend gleich gebaut sind – denselben Messfehlern unterlägen und es nicht zu einer Fehlmessung kommt, heißt das ja nicht, dass es keinen Messfehler gibt und die Sensoren generell polarisationsebenenabhängig sind, beispielsweise auch über den Tiefpassfilter (den man heute aber auch gerne weglässt).
Brauchen also auch spiegellose Kameras zirkulare Polfilter? Und wenn ja, warum?