Ansichten eines Informatikers

Bildformat JPEG XL

Hadmut
18.3.2021 22:42

Echt jetzt. Ich krieg’n Rappel!

Ich hatte doch vor nicht allzulanger Zeit mal darüber geschrieben, dass es für Webseiten usw. ein ziemliches Chaos gibt, weil man mit drei Uralt-Bildformaten hantieren muss, JPEG für Fotos. PNG für Graphiken, in denen Artefakte blöd aussehen oder die einen Alpha-Channel brauchen. Und Steinzeit-GIF für Animiertes. Und JPEG geht mir auf den Wecker.

Und dass mir von allem, was praktisch einsetzbar und verfügbar ist, derzeit WEBP (gehört zu WEBM, abgeleitet vom freien Videoformat VP8) am besten gefällt, weil es halt da ist, das abdeckt und ordentliche Resultate in Kompression und Bildqualität liefert. Und schließlich auch Apple das Ding in seine verdammten Browser eingebaut hat.

Inzwischen basteln sie schon an webp2, das noch HDR und sowas können soll.

HEIC/HEIF ist auch wieder exotisch, weil vom Videoformat HEVC abgeleitet und damit wieder so eine Patentfalle.

Und vom vielversprechenden AVIF, abgeleitet vom VP8-Nach-Nachfolger Video1 habe ich tolles gehört, aber eben noch nichts tolles gesehen. Und da es ein Bildformat ist, ist das relevant.

Nachdem ich das geschrieben hatte, hat mich noch ein (anscheinend pensionierter/emeritierter) Professor beschimpft, wie ich denn von JPEG abweichen könnte, das sei schließlich immer noch das Beste und Tollste, was es gibt, und es gebe eine Software, die JPEG soviel besser macht und kompatibel bleibt, dass man damit wunderbare Bilder bekäme, ohne auf Empfängerseite was ändern zu müssen. Ich hatte mir die Software angesehen, grottenschlecht. Undokumentierte Kommandozeilenexperimentalsoftware, unklare Optionen, kann keine EXIF durchreichen, hat keine definierte Lib, kann ich nicht in andere Programme einbinden. Praktisch nicht verwendbar. Lag eher daran, dass der Professor zu seinen akademischen Lebzeiten irgendwas mit JPEG gemacht hatte und sich persönlich angegriffen fühlt, wenn man etwas anderes als JPEG verwendet.

Ich will JPEG keine Ehre abschneiden, das Format war damals revolutionär und hat vieles überhaupt erst möglich gemacht, Digitalkameras, sogar die ersten mit Videoaufnahmen (Motion-JPEG), Web, PDF und so weiter. Das war eine tolle Sache. Aber eben vor 30 Jahren entwickelt. Ich kann mich noch gut erinnern, wie uns das damals auf Sun Workstations (erst die Sun 3 mit Motorola 680×0, Sun 4 und Sparcstation) mit kleinem Speicher und wenig Rechenleistung (im Vergleich zu heute) ermöglichten, Bildverarbeitung zu betreiben, Bilder überhaupt effektiv zu übertragen, zu speichern und anzuzeigen. Das war eine Offenbarung. In einem Zeitalter, in dem es noch als schwere Sünde und Zeit- und Bandbreitenverschwendung galt, in eine Webseite mehr als eine Graphik oder eine mit mehr als höchstens 200×300 Pixel einzubinden. Dauerte sonst zu lange, bis die Seite angezeigt werden konnte. Wer noch irgendwo alte Webseiten von vor 2000 zu sehen bekommt, wundert sich manchmal über die daumennagelgroßen Bildchen. Das war damals so.

Da les’ ich gerade in der Zeitung (iX 4/2021), dass jetzt doch wieder alles ganz anders sein soll.

Die Joint Photographic Experts Group (deren Acronym JPEG ist) habe (im Gegensatz zu besagtem Professor) eingesehen, dass JPEG wirklich grottig veraltet ist und etwas neues entwickelt, nämlich JPEG XL.

So wahnsinnig vom Hocker haut es einen nicht, es soll gegenüber JPEG um bis zur Hälfte komprimieren. Aber: Es soll eine Obermenge vom alten JPEG sein und deshalb ermöglichen, alle alten JPEG-Graphiken verlustfrei zu konvertieren. Der Punkt sei nämlich, dass egal, wie gut ein anderes Verfahren sei, es immer darauf hinauslaufe, über die schon bestehenden JPEG-Artefakte noch die eines anderen Formates draufzupacken, es kann also nur schlechter werden. JPEG XL dagegen könne den Fundus an bestehenden Graphiken dagegen ohne weiteren Verlust erhalten.

Außerdem biete nur JPEG (und JPEG XL) die Funktion des Progressive Scan (also die Daten so anzuordnen, dass der Browser auch dann, wenn erst beispielsweise erst etwa 10% des Bildes übertragen sind, das Bild schon mal unscharf anzeigen und das immer schärfer machen kann, je mehr Daten kommen. Ob das aber heute noch so wichtig ist, sei dahingestellt.

*Stöhn*

Noch ein Format, das wieder erst in alle Browser und Geräte eingebaut werden muss, damit sie Webseiten anzeigen können.

Zugegeben, der Erhalt alter JPEG-Graphiken spricht für das Format. Das ist durchaus ein valider und wichtiger Punkt. Aber: Vieles im Web wird eben neu erzeugt oder liegt als PNG vor. Da zählt das Argument nicht.

Das als Einheitsformat, da bin ich skeptisch.

Grundsätzlich würde ich mich aber freuen, wenn man jetzt mal endlich ein verbindliches Format hat, das jeder unterstützt und das man mal für die nächsten 10, 15 Jahre verwenden kann.