Es geht nicht … und das live
Über die Probleme mit der Kamera.
Ein netter Leser hatte mich (Vielen Dank! ) auf die Sony Alpha-Days hingewiesen, eine der typischen Veranstaltungen von Kameraherstellern, in denen man so grundlegende Dinge zeigt, weil es viele Amateure gibt, die gerne irgendwas fotografieren wollen, aber nicht wissen, wie sie da herangehen sollen. Und weil man ja will, dass die ihrem Hobby frönen (und Geld ausgeben), gibt es von allen Herstellern solche Kurse, in denen dann irgendein Profi-Fotograf mal zeigt, wie er arbeitet, das mal vorführt, den ein oder anderen Trick verrät, sagt, was wichtig ist. Und vor allem: Sagt, dass er eigentlich auch nur mit Wasser kocht. So „traut Euch mal”. Meistens dann mit irgendeinem (sehr geduldigen, nervenstarken und vor allem professionellem) Model, weil das wichtigste und interessanteste (und lernbedürftigste) Motiv immer ist, Frauen zu fotografieren. In unterschiedlichen Abstufungen der Bekleidung.
Eigentlich bin ich da drüber weg, aber ich höre da trotzdem gerne zu, weil man irgendeinen Trick oder Hinweis dann doch noch aufschnappen kann, und vor allem: Auch mal irgendwelche Vorteile einer bestimmten Kamera mitgeteilt bekommt. Und: Man sollte niemals auf den Gedanken kommen, dass man nichts mehr lernen könnte. Zumal man selbst dann, wenn man das alles schon mal wusste, die Hälfte auch längst wieder vergessen hat. Und manchmal ist es auch einfach beruhigend, dass es auch bei Profis nicht immer so klappt, wie die sich das vorstellen. Oder warum sie diese oder jene Einstellung bevorzugen.
Der Leser fragte bei seinem Tipp schon ganz ängstlich mit, ob das jetzt schlimm wäre, dass er mir einen Sony-Workshop benennt, obwohl ich doch Nikon habe.
Nee, natürlich nicht. Mal abgesehen davon, dass ich auch zwei spiegellose Sony-Kameras habe (um meine alten Minolta-Objektive zu verwenden und weil es für Sony mehr von den günstigen asiatischen Abenteuer-Objektiven gibt), spielt es eigentlich gar keine Rolle, welche Kamera man hat, weil so Hinweise wie Blende, Autofokus und Standpunkt völlig Herstellerunabhängig sind.
Und mit Bezug auf ein häufiges Blog-Thema: Sie haben ein farbiges Model. Wo die Feministen doch immer behaupten, das ginge nicht, die Kamera wäre nur für Weiße gebaut. Unfug. Geht prima. Allerdings der Punkt, den ich schon angesprochen hatte: Dunkle Haut reflektiert weniger Licht als helle. Das ist keine rassistische Sozialisierung, das ist Physik. Sonst wäre sie ja nicht dunkel. Und dann merkt man schon, dass ein Gesicht hinter dunklen Haaren und vor hellem Himmel eben etwas leichter absaufen. Damit umgehen zu können ist der Unterschied zwischen Knipsen und Fotografieren können. Die Fotografin erläutert, warum sie die Belichtungsautomatik nicht benutzt, sondern alles auf manuell. (Was aber auch nur mit den neuen Kameras mit elektronischem Sucher wirklich gut funktioniert.)
Der eigentlich interessante Punkt:
Es hat nicht funktioniert.
Sie wollten das live übertragen und es ging nicht. Weil irgendwer gegenüber dem Workshoptag von gestern irgendwas an der Kamera verstellt hat. Nun hatten sie eine Kamera, an der alles wunderbar so eingestellt war, wie die Fotografin das haben wollte, aber die Videoübertragung nicht ging. Und die haben sie auch nicht hinbekommen und dann versucht, sich darüber hinwegzureden, und mussten dann die Kamera tauschen. Bei der anderen ging es, aber dann war es eben so, dass alles anders eingetellt war und die Fotografin Funktionen nicht fand, die sie auf „Funktionstaste 2” gelegt hatte.
Das heißt, ein wesentlicher Teil des Shootings ging darum, dass Fotografin und Moderator damit beschäftigt waren, das Zeug überhaupt zum Laufen zu bringen (…und das live…).
Ich meine das jetzt nicht mal böse oder kritisch, sondern eben lehrhaft. Genau das ist nämlich das Problem moderner Kameras: Diese wahnsinnige Menge von Einstellungen. (Bei Sony sind die traditionell noch etwas unübersichtlicher als bei Nikon.)
Ich muss mich wirklich vor jeder Reise nochmal neu durch die Anleitung fressen, obwohl die Nikon-Kameras eigentlich alle fast gleich bedient werden. Das ist aber so komplex, dass man das noch 6 Wochen schon wieder vergessen hat. Die Tage war ich unterwegs und habe noch überlegt, etwas umzustellen (nämlich das Bildformat auf 16:9 für Foto umzustellen, weil ich Hintergrundfotos für Videokonferenzen machen und die gleich beurteilen und nicht nachträglich schneiden wollte), habe das dann aber bei Wind und Wetter und mit klammen Fingern auch nicht auf Anhieb gefunden und erst wieder in der Anleitung nachlesen müssen.
Ich habe auch schon einige Bilder versaut, weil die Kamera verstellt war und ich vergessen habe, etwas zurückzustellen. Bei mir besonders häufig: Ich habe eine Belichtungsreihe (meist so 5 Bilder von -2 bis +2) aufgenommen, um HDR-Fotos zu machen, dann aber vergessen, das zurückzustellen, und normal weiterfotografiert, und wegen des optischen Suchers dann eben 4 von 5 Bildern falsch belichtet, nämlich unter- und über. Das ist bei den Spiegellosesn besser, weil die diese U1/U2-Einstellungen haben und die Information und das Kontrollfoto im Sucher anzeigen, und man leichter zurückstellen können oder es für eilige Notfälle immer die Notfalleinstellung Grün gibt.
Wie ich aber gehört habe, geht das anderen Leuten auch so, und es glaubt jeder, dass es nur ihm so ginge.
Insofern mal ganz interessant, dass auch die Profis dastehen und sich wundern, warum dies oder jenes jetzt nicht geht.
Der Punkt ist nämlich: Technisch sind die Kameras sehr gut, aber die Bedienung ist rückständig und viel zu komplex und kontra-intuitiv. Und genau das, man ist live auf Sendung und es geht nicht, und man findet die Einstellung nicht, ist genau das, was man eigentlich nicht brauchen kann. Und genau da sehe ich wenig Verbesserung.
Gerade bei Sony hört und liest man viel, dass die Leute fluchen, weil das Menü unübersichtlich und die Einträge schwer zu finden seien.
Nikon ist da etwas besser (aber nicht allzuviel), da kann man sich auch dämlich suchen, bis man was findet. Vor allem bei den Spiegelreflexkameras hatte ich das Problem, dass die nicht alles anzeigen (oder nur sehr unauffällig am Rand), und ich vieles vermurkst habe, weil es einfach zu lange dauert, um etwas zurückzustellen. Wenn ich beispielsweise ein HDR-Serienfoto gemacht habe, muss ich mindestens drei Dinge zurückstellen: Die Belichtungserien (bei jedem Foto rauf oder runter), von Serienfoto auf Einzelfoto und von Zeitautomatik auf Programmautomatik, je nach Situation auch Manuellen auf Autofokus. Das waren bei den Spiegelreflexkameras mehrere, komplexe Schritte. Nervig, langsam, fehleranfällig. Bei den neuen spiegellosen gibt es (sowohl bei Sony, als (inzwischen) auch bei Nikon) diese User-Einstellungen, bei denen man das auf eine bestimmte Drehrad-Einstellung legen kann.
Das ist das, woran es noch einiges zu arbeiten gibt. Die Benutzeroberfläche braucht massive Umgestaltung.
Das muss alles übersichtlicher, zuverlässiger, logischer, einfacher (nicht in den Einstellungen, aber im Finden der Einstellung) werden.