Von Mediensiechtum, Mediensterben und einer Medienkonferenz
Der Zustand ist jämmerlich.
Ich habe mich ja schon erfreut darüber gezeigt, dass uns die Corona-Pandemie manche Vorteile beschert, beispielsweise die kostenlose und aufwandsarme Teilnahme an irgendwelchen Konferenzen per Streaming, die uns normalerweise nicht mal die Fahrt, gescheige denn die Teilnahmegebühren wert wären oder zu denen wir aus Zeitgründen nicht hingehen könnten.
Nicht selten habe ich aber auch das Gefühl, dass so manche Konferenz von Corona gerettet wurde, weil die Leute von dem Zeugs die Nase voll haben und den immer selben Sermon nicht mehr so hören wollen oder können, dass ihnen das noch Aufwand wert wäre. Konferenzen gehen einen ähnlichen Weg wie Messen. Nämlich ein. Deshalb war die Pandemie der Lebensretter für manche Veranstaltungsreihe, weil man das Zeug, das früher noch teuer verkauft wurde, nun ohne Gesichtsverlust und Wertverfallseffekt wenigstens noch kostenlos unters Volk bringen kann. Und man da ja dann auch nicht so direkt sieht, wieviele Zuschauer es überhaupt gibt, man sie jedenfalls nicht mit „letztem Jahr“ vergleichen kann.
Gestern und heute habe ich einige Vorträge der gerade nur online stattfindenden Medientage Mitteldeutschland gehört. Ich bin bei denen auf der Einladungsmailingliste, weil ich vor vielen Jahren mal auf dem Podium bei einer feministischen Veranstaltung saß – einziger Mann. Eigentlich hatten die mich damals nur als Watschenhansel, Beispielmann und Demodepp dahingesetzt, und auch nicht geplant, mich da überhaupt nennenswert zu Wort kommen oder Sätze zu Ende sprechen zu lassen, hatte aber auch nicht damit gerechnet, dass ich mich mit Gender Studies befasst hatte, mich darin besser auskannte als die versammelte Weiblichkeit und entsprechend Zunder gab. Ich wurde nie wieder eingeladen. Also, nicht aufs Podium. Als teilnehmender Zuhörer natürlich schon, jedes Jahr mit Einladungsmails. Soweit ich mich erinnern kann, sind die Preise nämlich, wenn man nicht auf ein Podium eingeladen ist und deshalb kostenlos reinkommt (und die Spesen ersetzt bekommt) ziemlich happig. Anscheinend ist das bei denen gerade so semionline, weil man einige Vorträge kostenlos online verfolgen kann, es trotzdem aber Tickets zu happigen Preisen gibt.
Ich erspare mir das jetzt, jede Vortrag einzeln zu kommentieren, was auch daran liegt, dass ich kaum Vorträge gehört habe, sondern nur wieder diese unsäglichen Podiumsdiskussionen. Ich halte die für fürchterlichen Krampf, und nur zu dem Zweck da, das Problem zu lösen, wie man 60 oder 90 Minuten füllt, obwohl keiner Bock hat, sich auf irgendwas vorzubereiten. Zumal ich das von zuhause aus höre, was mir die Möglichkeit gibt, die Zeit dabei weit sinnvoller zu nutzen. Spülmaschine einräumen, zum Beispiel. Staubwischen und sowas.
Was ich aber raushöre: Siechtum.
Nicht direkt Endzeitstimmung, aber das Gefühl, gerade von Social Media abgehängt und obsoletiert zu werden.
Alles auf links und das Unverständnis darüber, warum das Publikum das nicht bejubelt, obwohl sie doch die seien, die Recht haben.
Sie merken, dass sie an Ansehen verlieren. Sie hielten sich für Haltungsjournalisten, merken nun aber, dass der Begriff negative Konnotation findet.
Sie überlegen, wie man in Zukunft noch Medien machen könnte und wollen große Plattformen. Sie fürchten sich daber davor, dass auch Leute mit anderer als der orthodoxen Meinung Zugang zu dieser Plattform haben könnten.
Und was ich dabei erfahren habe, obwohl es eigentlich schon eine Meldung von März/April war, aber selbst die journalistischen Todesvorankündigungen gehen unter: Der Stern, einstmal das Großgeschütz deutschen Illustriertentums, ist in sein prämortales Siechtum eingetreten und hat sich in das Medienhospiz eingewiesen, um dort schmerzlindernde Palliativbehandlung zu erhalten. Gruner + Jahr, einst einer der großen Verlage, taumelt gerade der Bedeutungslosigkeit entgegen. Julia Jäkel, einst Lichtgestalt und Göttliche Chefin, stiehlt sich in einem Akt von Fahrerflucht vom Unfall gegen die Wand davon, und die Aasgeier und Resteverwerter in Form von McKinsey kreisen schon. Mir ist kein Fall bekannt, in dem durch McKinsey irgendwas besser wurde, bestenfalls fehlt hinterher nur noch obendrein deren Honorar in der Kasse. Noch 2014 hatte Bertelsmann den Fehler begangen, Gruner + Jahr vollständig zu übernehmen, um sie ins Digitale Zeitalter zu transformieren, nun werden sie bei RTL eingehängt und vermutlich irgendwo hinter dem Dschungelcamp einsortiert. Und man schließt eines Großdruckerei. Auch weil Quelle, Otto, IKEA ihre Kataloge nicht mehr auf Papier drucken.
Sie stehen nun im Wettbewerb mit Social Media und Bloggern. Und sie stehen dabei nicht gut da.
Und sie wissen es.
Der Beruf des Journalisten ist obsolet, er stinkt.
Meines Erachtens sind Zeitungen und Zeitschriften so erledigt wie Kaufhäuser. An die Stelle der Information aus einer Hand, die sich so etabliert hat, weil das zu früheren Zeiten eben technologisch und finanziell so erforderlich war, um Zeitung drucken zu können, die aber wenig Ahnung vom Thema hatte, rücken nun Leute, die sich im Thema auskennen, eine publizistische Tätigkeit aber nur nebenher oder huckepack obendrauf betreiben.
Journalisten können weg. Hat sich erledigt.