Ansichten eines Informatikers

Die Additivität der Gigabit-Anschlüsse

Hadmut
23.6.2021 19:13

Mir geht gerade was Übles durch den Kopf.

Nochmal die Wahlwerbung der SPD:

Ich hatte mich ja vorhin schon gefragt, warum die SPD seit Jahren an der Regierung ist und nun schon wieder mit etwas Wahlkampf macht, was sie seit Jahren nicht umgesetzt hat. Als ob man mit einer SPD-Wahl das bekommt, was die SPD bisher auch schon nicht gemacht hat.

Mir ging da gerde so ein Gedanke durch den Kopf.

Kann das sein, dass die das nicht mitgekriegt haben, dass das additiv ist?

Dass man dazu also auch Backbones, Router, Server und so weiter braucht, die das alles zusammen können? Dass also wenn wir 80 Millionen Leute haben und jeder Gigabit bekommt, das in der Summe schlimmstenfalls – jetzt muss ich auch erst mal nachdenken: Kilo, Mega, Giga, Tera, Peta, Exa… – wir also eine Backbonekapazität von 80 Petabit brauchen?

Das ist eine Menge Holz. Ich war ja vor 20 Jahren noch am Uni-Karlsruhe-Ableger Xlink, der dann zu KPNQwest wurde und der damals die Glasfaser-Euroringe nach dem damals neuesten Stand der (damaligen) Technik verlegt hat, und mit allen Fasern zusammen, die auch komplett vermietet wurden („dark fiber“ = Kunde schließt eigene Geräte an) mit allen Fasern zusammen (von der nur eine für das öffentliche Internet gedacht war) 77 Terabit hinbekam. Wir bräuchten also für Internet alleine das Tausendfache dessen, was KPNQwest damals vor 20 Jahren für alle Anwendungen und Vermietungen von Standleitungen zusammen verbuddelt hatte. Und das auch nur von KPNQwest-Standort zu Standort.

Das geht schon – aber es kostet.

Vor 15 Jahren nämlich war ich in einem anderen Unternehmen und habe da so mitbekommen, wie schwierig es damals dann war, noch irgendwo Kabel zu verbuddeln. Damals gab es ein Projekt (keine Ahnung, was daraus wurde), wonach die Bahn aus der Not, sich nicht mal selbst richtig vernetzten zu können, eine Tugend machen wollte und unter oder neben ihren Bahntrassen (die ihr angeblich gehörten, weshalb sie da hätte Kabel legen dürfen) und Schienen noch Kabel verlegen und für Firmen in der Nähe von Bahngleisen Internet-Provider werden wollte.

Vor 10 Jahren war ich in wieder einem anderen Unternehmen mit Internetanschlüssen für Privatkunden. Und da war klar, dass es gegen Abend immer heftig rumpelt im Netz. Da kommen die Leute von der Arbeit nach Hause, brauchen erst mal etwas zum Ausruhen, Pinkeln, was Trinken, vielleicht was essen, und dann der Rechner an – und sie wollen bitteschön alle Vollgas und flott surfen. Alle gleichzeitig. So zwischen 18 und 22 Uhr war der Teufel los. Und da war die Nutzung noch einiges geringer als heute. Heute wollen die dann ja alle gleichzeitig zu Google, Youtube, Facebook, Amazon, Zoom.

Könnte es sein, dass sich die bei der SPD mehr so vorstellen die wie Kohl’sche Datenautobahn?

Autobahnen sind ja auch so ausgelegt, dass sie Tempo 130 halten – nur dass sich bei Autos die Geschwindigkeiten nicht addieren, wenn auf der Autobahn alle 130 fahren.

Wobei, im Prinzip addieren die sich schon, nur nicht in Bezug auf Geschwindigkeit, sondern auf beanspruchten Autobahnraum. Hatten wir damals in der Schule in Physik mal mit dem CBM 3032 ausgerechnet und simuliert, wieviele Leute auf die Autobahn bei welcher Geschwindigkeit passen, weil man umso mehr Brems- und Sicherheitsabstand, mithin quasi ein umso größeres mitgleitendes Stück Autobahn braucht, je schneller man fährt. Damit man man – gleichmäßige Verteilung unterstellt – aus der Gesamtlänge der Autobahnspuren dividiert durch die Zahl der Fahrzeuge, die unterwegs sind, ausrechnen, wie schnell sie maximal fahren können. Weil sich der Raumbedarf durchaus addiert.

Was übrigens der Grund dafür ist, warum es bei hohem Verkehrsaufkommen zu zähfließendem Verkehr kommt. Autobahnstrecke dividiert durch Zahl der Fahrzeuge ist gleich Maximalgeschwindigkeit, und die dann eben niedrig. Durch die geringeren Abstände ergibt sich nämlich ein verblüffender Effekt: Während es subjektiv für jeden Fahrer natürlich übel ist, langsam durch die Gegend schleichen zu müssen, steigt die Zahl der Fahrzeuge, die an einer Stelle passieren. Die Autobahn wird also effizienter ausgenutzt, weil jedes Fahrzeug weniger Platz benötigt. Kann man auch beobachten, wenn man sich mal auf eine Brücke über eine Autobahn stellt und mitzählt, am besten, wenn in den beiden Richtungen unterschiedlicher Verkehr fließt, zäh und flott.

Ich habe bei der SPD aber so das Gefühl, dass die das nicht schnallt, dass das additiv ist. Als ob die sich das so vorstellen, als ob man einfach ein Gigabit-Kabel durch Deutschland legt, an das sich jeder anschließen und dann jeder bei Gigabit mitfahren kann. Als ob das so eine Technikstufe wäre wie 4G-Mobilfunknetzwerk. Wir haben jetzt die Gigabittechnologie und so. So wie Elektroautos.

Ich habe nämlich den Verdacht, dass denen das auch nicht allen klar ist, dass sich der Stromverbrauch beim Laden von Elektroautos addiert.