Ansichten eines Informatikers

Die Süddeutsche und das Hochwasser

Hadmut
16.7.2021 14:47

Ein erboser Leser schreibt mir:

Hat nichts mit Klimawandel zu tun, aber an Albernheit nicht zu überbieten:
Heute in der Süddeutschen Zeitung:

Die Hausbesitzer sind selbst mit schuld an der Katastrophe. Sie haben die Türen wasserdicht gemacht und beim Abwasser Rückflußverhinderer installiert.
Also im Klartext: die Katastrophe hätte man verhindern können, wenn man die Häuser mit Scheiße volllaufen läßt.

Es ist sachlich dumm, aber nicht prinzipiell vollständig dumm. Das ist so auf der Stecke zwischen in Ordnung und dumm irgendwo zwischen zweidrittel- und dreiviertel-dumm. Leider konnte ich zu dem Zitat keine Quelle ergoogeln, scheint die Printausgabe zu sein oder hinter Paywall.

Dass die Brühe im Haus einen ziemlichen Schaden verursacht, steht außer Frage. Und dass in den Hochwasserfällen es in den allermeisten Fällen gut und richtig war, das Haus abzudichten und gegen eindringendes Hochwasser zu schützen, ist auch richtig. Ich habe selbst als Jugendlicher mal in einem Hochwassergebiet gewohnt, und der Kellerabfluss (Waschküche usw.) hatte ein manuell zu bedienendes Ventil gegen Rückfluss, falls das Grundwasser hochdrückt. So lief das da nämlich. Nicht der Rhein ist durch die Straßen geflossen, sondern das Grundwasser hat von unten hochgedrückt. Wir hatten mal vergessen, das Ding zuzudrehen und prompt den ganzen Keller eine Handbreit voller Wasser, bis wir das Ding dann zugemacht haben. Schaden aber noch verhältnismäßig gering, halt einmal durchtrocknen. Ein paar Sachen sind kaputt gegangen, die auf dem Boden standen, aber weil es durch die Erde gefiltertes Grundwasser war, war es noch relativ sauber. Hinterher einmal mit dem Feuchtsauger durch und das war’s eigentlich. Aber: Das sieht ganz anders aus, wenn das Wasser überirdisch eindringt und die ganze Jauche reinkommt. Die Leute versuchen ja danach auch immer verzweifelt, das mit Frischwasser auszuspritzen, bevor der Dreck antrocknet und hart wie Beton wird. Wenn der Dreck nämlich erst mal einzieht und in die Wände geht, hat man einen enormen Schaden. Das stinkt dann auch widerlich, dann muss der Putz ab, der Boden, teils der Estrich ersetzt werden und so weiter. Und da es in aller Regel nur um das Eindringen des Wassers und nicht um den Druck und die Last geht, halten das Häuser in der Regel auch sehr gut aus. Das ist eigentlich kein Problem.

Unterscheiden sollte man außerdem den statischen und den dynamischen Druck.

Es ist richtig, dass der statische Druck von außen Gebäude beschädigen kann. Ich kann mich erinnern, dass sie irgendwo Tiefgaragen und Hoteluntergeschosse mit vorbeugend mit Frischwasser geflutet haben, weil sonst der Wasserdruck von außen zu groß wird, das Gebäude schaden nehmen kann und der ganze Dreck mit Trümmern reinkommt. So ist zwar dann auch alles nass, aber wenigstens sauber nass. Abpumpen, trocknen lassen und die Elektrik reparieren reicht ungefähr.

Das Dreckwasser reinzulassen ist aber eher sowas wie Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Man hat den Schaden vorweg genommen damit er nicht passieren kann.

Es ist aber etwas völlig anderes, wenn der dynamische Druck durch die Fließgeschwindigkeit dazukommt, Trümmerteile wie umherschwimmende Autos gegen das Haus donnern und so weiter. Da hilft das Ventil dann auch nichts mehr, wenn es das Fundament unterspült oder der Druck auf die Außenwand halt die ganze Hauswand wegdrückt. Wenn es da straßenweise Häuser wegschiebt, dann ist es eher dämlich damit zu argumentieren, dass das daran lag, dass die Haustür zu dicht oder im Keller ein Rückflussventil angebracht war.

Aber in der Redaktion der Süddeutschen zu sitzen und dumm Zeug zu schreiben, ist halt auch leicht und bequem.

Ist natürlich auch so eine Art victim blaming. So nach dem Motto: Selbst schuld an der Vergewaltigung. Hättste halt freiwillig mitgemacht, dann hätte es keiner Gewalt bedurft.

Ich glaube mich sogar erinnern zu können, dass manche Versicherer sowas wie Rückflussventile fordern.