Ansichten eines Informatikers

Dorothee und die Datenlabore

Hadmut
21.7.2021 16:30

So eine Art deutsche-bundesregiererische Fortsetzung von Dorothy and the wizard of Oz

Als Blogger bin ich gerade an einem problematischen Punkt angekommen.

Ich hatte mich immer darüber beklagt, dass die Digitalprinzessin und Problembärin Dorothee Bär, von der CSU aus Bayern rausentsorgt, von Frauenquotenmerkel adoptiert, in Sachen Digitales nichts macht.

Jetzt könnte sich herausstellen, dass es noch schlimmer ist, wenn sie was macht. Vielleicht war das rückblickend gar nicht so schlecht, dass sie nichts gemacht, nichts verstanden und sich aus allem rausgehalten hat.

Ein Leser verweist auf eine Agenturmeldung, die durch die Presse geistert, leider gibt er keine genaue Quelle an:

Bundesregierung will Datenlabore in allen Bundesministerien aufbauen
– Datenkompetenz in der Bundesverwaltung soll so gestärkt werden =

BERLIN (AFP) – Die Bundesregierung will in allen Bundesministerien sogenannte Datenlabore einrichten. Ziel der Maßnahme sei es, die Datenkompetenz in der Bundesverwaltung zu stärken, datenbasierte Politik zu ermöglichen und Bürgern mehr offene Daten zur Verfügung zu stellen, wie die Bundesregierung am Mittwoch erklärte. Für die Umsetzung sollen auch externe Datenwissenschaftler angestellt werden. Für die Jahre 2021 bis 2024 wurden dafür rund 240 Millionen Euro an zusätzlichen Haushaltsmitteln freigegeben.

«Viele Ministerien und auch wir im Bundeskanzleramt arbeiten schon an Konzepten für ein eigenes Datenlabor», erklärte die Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär (CSU). «Die zusätzlichen Millionen können dazu beitragen, hier einen echten Kulturwandel herbeizuführen hin zu einer stärker datengetriebenen Politik».

Die Gelder sollen an alle Ressorts und das Bundeskanzleramt zu gleichen Teilen fließen. Jedes Ministerium soll dabei eine für sich «passgenaue Lösung» schaffen, erklärte die Bundesregierung.

Mitarbeiter der Bundesministerien sollen so mehr über Datenerhebung, -auswertung und -visualisierung lernen. Koordiniert werden soll das Vorhaben im Bundeskanzleramt in einer interministeriellen Arbeitsgruppe «Datenpolitik».

fho/hcy

AFP 211210 JUL 21

Wie ich immer sage: Frauen wollen unbedingt Macht. Wenn sie sie aber bekommen, haben sie nichts Eiligeres zu tun, sie sofort an irgendwen (in der Regel Männer) weiterzudelegieren, um nur ja für nichts verantwortlich zu sein. Heißt: Wir haben zwar die Digitalprinzessin Dorothee Bär, aber den ganzen Digitalkram sollen die Ministerien doch bitteschön selbst im Labor bearbeiten und halt mal rumprobieren, wie das so funktionieren könnte mit den Computern. Im Netz findet man Anleitungen, wie man Computer anschließt und einschaltet.

Damit dann auch wieder jeder seine eigene Suppe kocht und garantiert nichts zu einanderpasst.

Irgendwo stand neulich, dass sie es in Berlin nicht mal schaffen, die IT der Stadtverwaltung von Berlin auf ein Ding zu bringen, weil nicht mal zwischen den Stadtteilen und Bezirken die Software kompatibel, geschweige denn einheitlich wäre.

Wie kommt AFP eigentlich auf so einen Scheiß?

Regierungssprachrohr. Die nämlich verkündete heute:

Die Bundesregierung gründet Datenlabore und integriert Chief Data Scientists in alle Bundesministerien

Chief Data Scientists. Au weia.

Wetten: Mit Frauenquote? Lauter kleine Dorothee-Bär-Klone im Phantays-Latex-Dress?

Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig aktuelle und belastbare Daten für ein gutes Regierungshandeln sind.

Nicht sind. Gewesen wären.

Auch in anderen Bereichen, wie beim Klimaschutz, in der Landwirtschaft, bei Mobilitätskonzepten, können Maßnahmen passgenau und wirksamer gestaltet werden durch eine gute Datengrundlage.

Ja. Wenn man weiß, wovon man redet, ist das der Regierungsqualität zuträglich. Das kann ich bestätigen.

In der Datenstrategie hat die Bundesregierung daher beschlossen, dass alle Bundesministerien und das federführende Bundeskanzleramt eigene Datenlabore gründen und Chief Data Scientists einstellen werden.

Warum nennt man sie nicht bei ihrem deutschen Namen? Neulandbeauftragte?

Ziel ist, die Datenkompetenz in der Bundesverwaltung zu stärken, datenbasierter Politik zu gestalten und den Bürgerinnen und Bürgern mehr offene Daten zur Verfügung zu stellen.

*Pruuuuuust*

(Sorry)

Ich dachte erst, das wäre ein Schreibfehler, sie wollten datenbasierte Politik gestalten, ein r zuviel, aber das ist kein Schreibfehler, es ist ein Komparativ: Sie wollen ihren Politik datenbasierter gestalten. Also noch datenbasierter als bisher.

Seit dieser Woche sind dafür nun rund 240 Millionen Euro zusätzliche Haushaltsmittel für die Jahre 2021 bis 2024 freigegeben.

Auf deutsch: 240 Millionen Euro für Parteibonzenposten und Quotenprinzessinnen. Da könnt Ihr jetzt schon mal raten, wer auf diese Posten kommt und was dabei herauskommt.

Stinkt mal wieder zehn Meilen gegen den Wind nach illegaler Parteienfinanzierung durch Postenbeschaffung.

Die Gelder werden über den Deutschen Aufbau- und Resilienzplan refinanziert, in den die Bundesregierung ein eigenes Kapitel „Daten als Rohstoff der Zukunft“ eingebracht hat und sich Ziele für mehr Datenkompetenz in der Verwaltung gesetzt hat. Dorothee Bär, Staatsministern für Digitalisierung sieht die großen Chancen von Datenlaboren und Chief Data Scientists in allen Ministerien: „Ich bin begeistert, dass diese wichtige Maßnahme noch in dieser Legislaturperiode starten kann und von der EU Kommission so kräftig unterstützt wird. Viele Ministerien und auch wir im Bundeskanzleramt arbeiten schon an Konzepten für ein eigenes Datenlabor. Bei uns im Kanzleramt wollen wir bis September hier erste wichtige Schritte vorankommen und das Datenlabor eröffnen. Die zusätzlichen Millionen können dazu beitragen, hier einen echten Kulturwandeln herbeizuführen hin zu einer stärker datengetriebenen Politik. Genau das wollten wir mit der Datenstrategie erreichen!“

Ich bin seit über 30 Jahren hauptberuflicher Informatiker. 23 Jahre Industrieerfahrung.

Aber ich wüsste zu gerne, was die da eigentlich unter „Datenlaboren“ verstehen und was die da anstellen. Ich kann mir darunter nichts vorstellen. Also schon, doch, klar, aber nichts, was so in das Datenschutzrecht eben dieser Regierung so problemlos passen würde.

Datenlabor. Wenn ich Direktor eines Gymnasiums wäre, würde ich den Informatik-Raum mit den Computern so nennen, damit es spannender klingt und die Kinder Interesse entwickeln. Damit das so ein bisschen nach Chemie aussieht, weil es bei den Chemikern ja auch mal gerne knallt, brennt, stinkt. So „was passiert, wenn wir diese Daten und jene Daten in ein Reagenzglas mischen, noch ein Prise Geheimdaten dazu, umrühren und erhitzen?“. Die Informatik-Version von Harry Potter?

Jedes Ministerium soll nach der agilen Methode die eigenen Bedarfe für ein Datenlabor ermitteln und eine für sich passgenaue Lösung schaffen. Ziel ist, die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fit im Umgang mit Datenauswertung, -erhebung und Datenvisualisierung zu machen. Dass dazu in der ersten Zeit auch Data Scientists und Datenkompetenz von außen eingestellt werden kann, ist möglich.

Ach, Herrje.

Jetzt machen die auf „agil“.

Der agile Kram, Stichwort Scrum und sowas, ist so ein Modetrend in der Softwareentwicklung. Wenn man es positiv sehen will, könnte man sagen, dass man darunter versteht, sich schnell an neue Anforderungen anzupassen und zu reagieren. Wenn man es negativ sehen will, heißt es, dass man keinen Plan hat und jeden Tag macht, was halt gerade am meisten anbrennt. So grundsätzlich ist der ganze Scrum- und Agilitätskram (von dem ich nicht übermäßig viel halte, das ist mehr so eine Art Gesellschaftstanz, hat aber immerhin ein paar ganz brauchbare und nützliche Ansätze hervorgebracht wie continuous integration und continuous delivery, um das Problem zu lösen, wie man eigentlich ein komplexes System am Laufen hält, wenn jeden Tag ein Haufen unsteuerbarer Unterqualifizierter, angeführt von frachfremden Quereinsteigern, nach Gutdünken auf dem System rumwurschteln) dafür gedacht, wie eine IT-Entwicklungstruppe mit Kunden umgehen kann, die nicht wissen, was sie wollen, und deshalb alle zwei Wochen was anderes wollen. Also quasi in Software das abrechnungsfähig hinzukriegen, woran der BER erkrankt war. Also eine Dauerbaustelle zu errichten, in der immer das Nötigste rumgewerkelt wird, weil jeden Tag was anderes gewünscht wird. Das nennt man agil, wenn man heute was anderes macht als letzte Woche noch geplant war.

Hat auch mit dem Arbeitsmarkt und dem Fachkräftemangel zu tun. Denn Informatiker, oder viel schlimmer: Coder, die ganzen Softwareheinis, sind so knapp und so begehrt, dass man die nicht mehr so gut bekommt, wenn man ihnen zu viele Vorschriften macht. Da muss man inzwischen hinnehmen, dass die mehr oder weniger machen, was sie wollen, und das ganze eher einem Gorillagehege gleicht. Sieht man schon an der Kleidung.

Man musste die Entwicklungsmethoden so anpassen, dass eigensinnige, befehlsverweigernde Gorillas mit Prinzessinnenattitüden mit Paradoxkunden zusammenarbeiten können, die zwar nicht wissen, was sie wollen, davon aber jeden Tag unbedingt was anderes, und das immer sofort. Das nennt man „agile Methoden“. Es hat aber auch seine Vorteile. Beispielweise, dass die Methoden zum Übersetzen, Testen und Ausrollen der Software automatisiert wurden und nicht mehr der Maestro den freischaffenden Künstler gibt. Oder man, sollte einem der ganze Scheiß mal, warum auch immer, zusammenfallen, man eben nicht, wie viele Behörden, Universitäten, Gerichte, über Monate damit beschäftigt ist, das wieder hinzufummeln, sondern das innerhalb von Stunden alles neu erstellen kann, ganz einfach deshalb, weil man es sowieso jeden Tag innerhalb von Stunden neu erstellt, weil das Teil des Prozesses ist. Würde man Häuser und Straßen heute so bauen, wie man Software baut, hätte man die Hochwasserkatastrophe praktisch nicht beachtet, weil man die Hüuser sowieso jede Nacht – oder zumindest jede 14. Nacht – um drei wegschmeißt und durch neu gebaute ersetzt. Und man ohnehin nicht am Fluss, sondern virtuell in der Cloud wohnen würde. Per Wohn-App.

Agile Methoden sind der letzte Schrei in der Softwareentwicklung. Die braucht man, um wettbewerbsfähig zu sein, weil man seine Endkunden im Netz verliert, wenn man seine Software nicht schneller ändert und aktualisiert als die Konkurrenz.

Man kriegt inzwischen auch schlecht Leute auf dem Arbeitsmarkt, wenn man nicht herumschreit, dass man ein „agiles“ Team ist. Das heißt dann auch „divers“, das sagt man aber nicht so gerne, weil es zu viele Leute gibt, die wissen, dass das mit der Diversität nicht so gut funktioniert in der IT – jedenfalls dann nicht, wenn man von ihr Produktivität erwartet und sie nicht als Lebensbiotop ansieht. „Agil“ umfasst auch Erwartungshaltungen bezüglich der Bereitstellung von Obst, Sushi und Pizza und der qualitativen und quantitativen Anforderungen an die Kaffeemaschine. Digital hin oder her, die Versorgung mit kleinen bunten Pappkärtchen und Pinnwandnadeln muss sichergestellt werden. Atlassian wurde darüber zum Milliardenunternehmen.

Und anscheinend hat man da dann irgendwo gelesen, dass „agil“ jetzt in Mode und ganz toll ist, (und wenn man da überhaupt von agilen Methoden redet, dann eben im Plural, weil das eben so ein Sammelsurium von Herangehensweisen ist), und man heute nur noch digital gehen kann, wenn irgendwo im Text „agil“ vorkommt, also agil im Gegensatz zu Merkel, mehr so im Sinne von rot-grün „was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, wir machen heute was anderes“-agil.

Und daraus wird dann

Das Kanzleramt koordiniert alle Chief Data Scientists und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Datenlabore in einer interministeriellen Arbeitsgruppe „Datenpolitik“. Einmal im Monat soll hier auch mit internationalen Gästen diskutiert und gebrainstormt werden.

Gemeinsames Brainstormen mit internationalen Gästen im Kanzleramt.

Im Klartext: Wir haben keine Ahnung, was wir da eigentlich machen, aber der Druck ist so enorm, dass wir endlich was tun, also machen wir eine Kaffeerunde in der Hoffnung, dass irgendwem irgendwas einfällt.

Mehr Informationen zur Datenstrategie und ihren 240 Maßnahmen finden Sie unter https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/datenstrategie-beschlossen-1842786

Ach, Du liebe Zeit. 240 Maßnahmen.

Ich trau’ mich kaum, aber klicken wir mal drauf:

Datenstrategie der Bundesregierung – Deutschland als Vorreiter bei Innovationen

Deutschland als Vorreiter bei Innovationen. Wo uns doch sogar Drittweltländer schon digital abgehängt haben. Auf der Seite gibt es auch eine 42-minütige Pressekonferenz.

Keine Ahnung, wo ich da jetzt den Link gefunden habe, aber hier gibt es ein PDF über die Open-Data-Strategie der Bundesregierung zum runterladen, aber da gibt es auch nochmal eine.

Da stehen dann solche Aussagen wie

Wir werden wichtige Maßnahmen zur Förderung der IT- und Cybersicherheit im IT-Sicherheitsgesetz 2.0 umsetzen. Nur so können die Chancen der Digitalisierung ausgeschöpft werden und Verbesserungen für Bundesverwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft erreicht werden. (BMI)

Da ist man schier platt. Die haben als Maßnahme beschlossen, sich an ihre eigenen Gesetze zu halten.

Dann also sehen wir voller Freude entgegen, wie sich Deutschland wieder an die Weltspitze der Innovation schiebt und zur führenden Digitalnation wird.

Über Themenmangel für mein Blog mache ich mir jedenfalls keine Sorgen. Das ist aber auch so ungefähr das Einzige, was mir das gerade keine Sorgen bereitet.