Ansichten eines Informatikers

Hochwasser ohne Warnung: Es lag wohl an Menschen mit „Wahrnehmungsbehinderungen“

Hadmut
22.7.2021 3:00

Eine Leserin ist sauer.

Ich hatte doch vorhin geschrieben, dass der österreichische ORF nicht begeistert ist von unserem Katastrophenwarnsystem und meint, das sei nie richtig getestet worden. Es habe nur einen Test gegeben und da sei es nach 3 Minuten abgestürzt.

Die Leserin meint, da gäbe es Diskrepanzen. Die Östereicher hätten wohl unsere Selbstbejubelungsseite zur Katastrophenwarnung nicht gelesen.

Also die hier: https://warnung-der-bevoelkerung.de/ und darauf die Projektseite https://warnung-der-bevoelkerung.de/projekt/ und das Service-Portal: https://warnung-der-bevoelkerung.de/serviceportal/

Da findet man:

Warnmeldungen sollen auf möglichst vielen Wegen verbreitet werden, um einen möglichst großen Teil der Bevölkerung zu erreichen. Auch im Hinblick darauf wurden Technik und Verfahren stetig weiterentwickelt, um den strategischen Anforderungen an ein integriertes Warnsystem gerecht zu werden.

Heute verfügt der Bund mit dem Modularen Warnsystem (MoWaS) über ein leistungsfähiges Warn- und Kommunikationssystem. Es wird gemeinsam genutzt von Bund und Ländern für die Warnung und Information der Bevölkerung im Zivilschutz und Katastrophenfall.

Die Übertragung der Warnmeldung erfolgt via Satellit. Satellitenkommunikation ist im Gegensatz zu terrestrischen bzw. landgestützten Übertragungswegen wie UKW oder Mobilfunk unempfindlicher gegen Störungen wie Stromausfälle.

Ja. Schön. Wenn der Satellit Strom hat, aber die Sirene nicht. Auf die Satelliten würde ich übrigens nicht allzu hoch wetten, weil die im Fall von Kriegshandlungen abgeschossen oder gestört werden, und von Trümmern getroffen werden können. Außerdem: Deutschland hat keine so stabile Raumfahrt. Eigentlich haben wir gar keine, außer ein paar Aktien an der Ariane. Dazu müssten wir auch noch nach Französisch Guayana kommen, um Raketen losschießen zu können. Wenn ich mich recht erinnere, hat man Galileo deshalb so gebaut, dass man das notfalls und zum Testen auch auf ein paar Bergspitzen montieren kann.

Und soweit ich weiß, gehört das bei Piloten immer noch zur verpflichtenden Ausbildung, auch bei Ausfall von GPS noch mit Kompass und Funkfeuern navigieren zu können, weil man die Funkfeuer am Boden noch unter eigener Kontrolle habe. Die US Navy hat angeblich alle ihre Brückenoffiziere wieder im Umgang mit Sextanten geschult, falls das GPS mal ausfällt.

Was mir so auffällt: Einen Empfänger für UKW habe ich. Einen Empfänger für Mobilfunk habe ich auch. Einen Empfänger für Satelliten-Warnmeldungen habe ich nicht.

Die Leserin meint übrigens, dass die da ein richtiges Problem hätten. Die verstünden das nämlich nicht technisch, sondern sozial, denn sie benennen als Leitbilder und Ziele:

  • Wir informieren mehr, damit Sie unsere Arbeit besser verstehen. Das System Bevölkerungsschutz ist komplex. Wir versuchen, durch Erklärungen einen besseren Durchblick und dadurch mehr Vertrauen zu schaffen.
  • Wir verbessern Warnungen für Menschen mit Wahrnehmungsbehinderungen.
  • Warnungen werden mehrsprachig.
  • Menschen sollen über Navigationssysteme oder auf der Straße – im öffentlichen Raum – Warnungen empfangen können.
  • Wir unterstützen Behörden, die Warnungen herausgeben, durch Schulungen und Rahmenempfehlungen.
  • Ein Warnkonzept von Bund und Ländern, das als Orientierungsrahmen dient, schafft eine gemeinsame Basis. Eine Maßnahme ist zum Beispiel die Vereinheitlichung von Sirenensignalen.
  • Wir arbeiten dafür, dass das Modulare Warnsystem (MoWaS) gut zu bedienen ist. MoWaS soll für die Mitarbeitenden in den Leitstellen und Lagezentren eine praktikable Unterstützung sein.
  • So viele Menschen wie möglich sollen die herausgegebenen Warnungen wahrnehmen und verstehen können.
  • Jeder soll alle Informationen bekommen, die er braucht, um sich zu schützen und anderen zu helfen.
  • Transparente, schnelle und umfangreiche Informationen durch glaubwürdige Institutionen helfen dabei, Vertrauen zu schaffen. So kann man der Verbreitung von falschen Informationen etwas entgegensetzen.

Stimmt. Wenn man das so liest, bekommt man den Eindruck, als wollten die mit Technik nichts zu tun haben und würden das als rein soziales Projekt ansehen. Man könnte auf die Idee kommen, dass sie das deshalb per Satelliten machen, weil sie damit möglichst wenig mit Technik zu tun haben. Denn dann gibt es nur eine Technik, und das macht dann wohl ein Dienstleister, weil man an Satelliten in der Regel nicht drankommt, nur deren Betreiber. (Sind wir das? Oder wer sonst hat da die Kontrolle?)

Sollte man sich vielleicht nicht erst mal drum kümmern, dass das Ding wenigstens so funktioniert, dass wenigstens Menschen ohne Wahrnehmungsbehinderungen und auf Deutsch was von Katastrophen erfahren? Und das andere dann, wenn es zumindest mal grundsätzlich läuft?

Wenn man das so liest, kommt es einem so vor, als sei das von Soziologen oder Politologen gemacht. Wieder so eine Versorgungsbehörde für parteinahen Geisteswissenschaftssondermüll? Oder mit Quotentussis aufgepumpt, die das Ding zwar nicht ans Laufen bringen, aber an Menschen mit Behinderungen, ansere Sprachen und „Vertrauen“ denken?

Nochmal diese zwei Sätze:

Transparente, schnelle und umfangreiche Informationen durch glaubwürdige Institutionen helfen dabei, Vertrauen zu schaffen. So kann man der Verbreitung von falschen Informationen etwas entgegensetzen.

Die sehen das als Vertrauensproblem und ihre Aufgabe im Bekämpfen von Fake-News.

Hatten wir schon mal Fake-Sirenen?

Also jetzt nicht in den Social Media, sondern die da oben auf dem Dach?

Also, bei Euch auf dem Dach, hier in Berlin gibt es die ja nicht mehr.

Nochmal dieser Satz:

Transparente, schnelle und umfangreiche Informationen durch glaubwürdige Institutionen helfen dabei, Vertrauen zu schaffen.

Die wollen nicht vor Hochwasser warnen. Die wollen „Vertrauen schaffen“.

Durch „transparente, schnelle und umfangreiche Informationen“ – wie jetzt beim Hochwasser.

Das stinkt doch zehn Meilen gegen den Wind.

Ich komme mir massiv verarscht vor, wenn ich sowas lese.

Wer glaubt diesen Leuten irgendwas?

Aber tröstet Euch:

Der bundesweite Warntag wird jährlich an jedem zweiten Donnerstag im September durchgeführt und hat zum Ziel,

  • Sie für das Thema Warnung der Bevölkerung zu sensibilisieren,
  • Funktion und Ablauf der Warnung besser verständlich zu machen und
  • auf die verfügbaren Warnmittel (z. B. Sirenen, Warn-Apps, digitale Werbeflächen) aufmerksam zu machen.

Der bundesweite Warntag will dazu beitragen, Ihr Wissen um die Warnung in Notlagen zu erhöhen und damit Ihre Selbstschutzfähigkeit zu unterstützen. Auch die nun bundesweit einheitlichen Sirenensignale sollen bekannter werden.

Ja, das war halt einfach zu früh mit dem Hochwasser. Ihr wart nicht sensibel genug. Man hätte den zweiten Donnerstag im September abwarten müssen. Dann kommt auch das Verständnis für Sirenen und was sie so bedeuten. Und dann wäre man auch sensibler und würde die Funktion und den Ablauf von Warnungen besser verstehen.

Was für ein Chaos.

Der Hohn mit Sahnehäubchen

Ich wollte den Blog-Artikel eigentlich schon beenden, da biss mich das Sahnehäubchen in die Nase:

Das ISF Bund-Länder-Projekt Warnung der Bevölkerung

  • Ko-Finanzierung: Innerer Sicherheitsfonds der Europäischen Union
  • Laufzeit: Oktober 2016 bis September 2021
  • Finanzvolumen: ca. 14 Mio. Euro

Die hatten gar nicht vor, irgendwen ernstlich zu warnen. Da geht’s nur drum, Geld von der EU abzugreifen, abzusitzen und eine Webseite dazu zu machen. Bloß keine Arbeit. Wie bei so vielen öffentlich finanzieren Projekten, die nur dazu da sind, irgendwelchen Leuten, meist Bullshit-Jobbern, ein frauengequotetes Dasein zu finanzieren, das allen aus Bürokratie und Projektwebseiten besteht.

Finanzvolumen: 14 Millionen Euro.

Zum Vergleich: Allein der Anbau ans Bundeskanzleramt – nicht das Amt, nur der neue Anbau – kostet 600 Millionen. Für das Projekt Bevölkerungswarnung sind 14 Millionen da. Oder genau genommen gar nichts, denn das läuft ja auch nur, weil die EU es zahlt. (Spötter würden sagen, aus den Milliarden, die wir vorher dort eingezahlt haben.)

Und dann natürlich: Laufzeit: Oktober 2016 bis September 2021

Boah, ist das ärgerlich. Zwei Monate vor Ende des 5-Jahresprojekts gibt es einen Katastrophenfall und alle merken, dass sie da gar nichts gemacht haben. Oder habt Ihr außer den drei Webseiten irgendwas von denen bemerkt?