Eine Kamera für die Frau von heute?
Es kommen gerade so ein paar Beobachtungen zusammen.
Schon als ich noch in (bei) München gewohnt und dort eingekauft habe, hatte ich die Beobachtung gemacht und darüber gebloggt, dass mir so im der Stadt weitaus mehr Frauen als Männer damit aufgefallen sind, dass sie Spiegelreflexkameras dabei haben.
Allerdings war mir auch aufgefallen, dass sie dabei eher die kleinen, zierlichen (billigeren? leicheren?) Modelle bevorzugen, während Männer eher mit Bridge-Kameras oder dann den dicken schweren Profibrocken unterwegs waren. Ich hatte dort mal einen Fotohändler darauf angesprochen, und der hatte mir das bestätigt. Ja, das sei so. In den unteren bis mittleren Kategorien der Digital-Spiegelreflexkameras und Basis-Objektive verkauften sie deutlich mehr an Frauen als an Männer.
Warum?
Unklar.
Es könnte natürlich mit dem Preis zu tun haben, weil die Einstiegsmodelle bei den Spiegelreflexkameras deutlich günstiger zu haben sind (oder damals waren), als Bridge-Kameras. Es kann damit zu tun haben, dass man sich mit dem Kauf einer Systemkamera nicht so festgelegt hat, und sich die Optionen offenhält, doch nochmal was daran zu ändern. Es kann sein dass es professioneller und ernsthafter aussieht, und man nicht mit einer „Spielzeugkamera“ gesehen werden will. Es könnte aber auch an der Art liegen, wie Frauen fotografieren, die deutlich eher in dem Bereich fotografieren, der dem natürlichen Sehen nahekommt, weshalb sie eher mit den mitgelieferten Standardobjektiven klarkommen. Oder sie einfach nicht mit den Angeberwerten der Bridgekameras (der sonstwas-Angeber-super-Zoom mit dem längsten Ding) zu beeindrucken sind.
Es könnte sich heute geändert haben, denn seit alle mit Smartphone rumrennen, sieht man weniger Leute mit Kamera um den Hals in der Stadt, und in Berlin ohnehin eher nicht, weil die Gefahr zu groß ist, damit überfallen zu werden. Es scheint so zu sein, dass vor allem Frauen dem Handy um Fotosiegeszug verholfen haben.
Denn das wird man nicht bestreiten können: Frauen fotografieren viel. Und gerne. Es liegt ihnen. Nicht nur unmittelbar, sondern auch indirekt, weil sie vieles tun, wozu Fotografie als Hilfsmittel, als Werkzeug dient. Mode und sowas.
Es spricht manches dafür, dass der Niedergang der Kamerabranche auch weiblich ist, denn die dicken Brocken sind die Kameras, mit denen sich die Hersteller ihren Namen machen, aber der untere Einstiegsbereich ist der, mit dem sie das Geld verdienen. Und der läuft nicht mehr, weil die Käufer zum Handy gewechselt haben. Kleiner, leichter, praktischer, handtaschentauglich, hat man sowieso dabei, und die ganze Nachbarbeitung und Übertragung zu social media ist auch mit drin. Haben die Kamerahersteller völlig verschwitzt.
Nikon geht es deshalb nicht so dolle. Das, was an Markt noch da ist, machen eher Sony und Canon unter sich aus. Canon kann in hohen Stückzahlen produzieren, Sony hat frühzeitig gemerkt, dass es mit den Spiegellosen brummt. Nikon hat sich auf seinen Lorbeeren ausgeruht und hatte zwischenzeitlich ein lausiges Produktmanagement. Das neue Z-System ist gut und notwendig, aber ausgerechnet in so eine Schwachphase und dann noch mit Corona-Krise und noch reihenweise Produktionsausfällen durch Fabrikfeuer, Hochwasser und sonstwas alles ein neues System herauszubringen, das dann auch noch ganz neue Objektive haben will (es gibt zwar Adapter für die alten, aber das ist nicht so richtig toll), ist eine ziemliche Belastung und ein Henne-Ei-Problem: Die Kameras werden nur gekauft, wenn es viele Objektive dafür gibt. Und die Objektive werden nur gekauft und lohnen sich, wenn viele Leute die passenden Kameras dazu haben.
Nun haben sie ja vor einiger Zeit auch eine kleinere Kamera mit DX-Sensor, Z-Bajonett und ohne Spiegel rausgebraucht, die Z50. Aber da schon leider nur ein sehr mickriges Objektivsortiment. Gut, man kann auch die Vollformat-Objektive verwenden und per Adapter die vielen alten mit F-Bajonett, sofern rein elektrisch oder manuell, nur eben nicht mechanisch angetrieben, aber dann ist der Witz von der kleinen Kamera weg.
Was überaus schade ist, denn ich halte die Z50 für eine – endlich mal wieder – sehr gute Kamera. Manches von Nikon in letzter Zeit war Mist, aber die macht jetzt wieder richtig Spaß und kann vieles, vor allem zu dem relativ günstigen Preis, auch wenn sie in Vergleichstests häufig schlechter als etwa die Sony 6×00 und Fuji abschneidet. Die kosten aber auch viel mehr und haben ein länger bestehendes System, deshalb mehr Objektivauswahl. Sie hätte mehr Erfolg verdient.
Zumal, wie ich ja schon einige Male erwähnt habe, chinesische/südostasiatische Hersteller wie 7Artisans, TTArtisans und noch eine Reihe anderer recht gute und meist verblüffend preisgünstige Objektive in Festbrennweiten anbieten, aber nur manuell und nur für kleine Sensoren (DX bzw. APS-C). Fotografieren wie in den 50er und 60er Jahren, aber es macht Spaß. Vor allem mit einer modernen Kamera, weil man zwar keinen Autofokus hat, aber bei statischen Objekten mit den Sucherlupen digitaler Sucher (Ausschnittvergrößerungen) bestens scharfstellen kann, viel besser als mit einem Schnittbildindikator.
Da gibt es drollige Objektive. Spricht aber nicht für Nikon oder Sony, denn die gibt es meistens für viele Bajonette, Nikon Z, Sony E, Fuji, MFT,…
Nun ist aber etwas seltsames passiert.
Nikon hatte vor einiger Zeit schon mal eine große schwere Vollformatkamera mit Spiegel im Retro-Design, die Nikon Df. In silber und schwarz, wie früher in den 70er und 80er Jahren.
Bei der war mir schon nicht klar, wozu die eigentlich gut sein soll.
Dennn die konnte nichts, was die normalen nicht auch konnten, hatte aber meines Wissens nicht mal Videofunktion (man korrigiere mich, wenn doch), war dafür aber teurer. Eigentlich so ein Liebhaberstück für Leute, die ihren alten Objektivpark aus dem letzten Jahrhundert noch ausführen wollen und im Stil bleiben wollen.
Und natürlich für Leute, die den Menükram nicht so mögen (oder kapieren), denn es wurde wieder wie früher alles manuell an Drehrädern eingestellt. Ich finde das zwar wunderbar, aber unpraktisch. Denn man muss extra nach oben greifen. Die modernen digitalkameratypischen Drehräder an Daumen und Zeigefinger sind zwar schnöde, aber praktischer.
Aber: Die Kamera hatte ihren Sinn, Zweck und eine Zielgruppe. Altmodisch veranlagte Leute mit Geld und altem Objektivpark. Alte Objektive und neue Kamera, das passt gut. War aber wohl nicht der Verkaufsbrüller.
Nun aber bringt Nikon wieder so eine Retro-Kamera heraus: Die Z fc.
Und man fragt sich wieder: Warum nur? Was soll das?
Wieder eine Retro-Style-Kamera, aber diesmal mit Z-Bajonett und kleinem Sensor, DX. Damit holt man ganz sicher keine Leute mit alten Objektiven.
Zumal Leute, die auf Alt machen, sich kaum auf kleine Sensoren einlassen würden.
Soweit ich das jetzt überblicken kann und in den Reviews erwähnt wurde, kann die auch kaum mehr als die Z50, ist aber schwerer und kostet mehr. Warum sollte man die kaufen, wenn es doch eine gleich mächtige Kamera, die Z50, schon billiger gibt und sie kleiner und leichter ist?
Hätte man nicht erst mal kleinere und größere Modelle, Z30 und Z70 bringen sollen? Immerhin gerüchtet es, dass Nikon aus Finanz- und Marktgründen den Spiegelreflexbereich im Amateursegment, also das, womit man bisher das Geld machte (die typischen Frauenkameras) einstellen will/muss, weil zwei Systeme nebeneinander noch weniger funktionieren und zuviel kosten.
Was also soll diese Kamera?
Ein interessanter Punkt: Neulich heiß es irgendwo in einem Kommentar, das sei eine als Frauenkamera gebaute Kamera. Man würde die Z50 im Prinzip einfach nochmal verkaufen, nur jetzt als Frauenversion.
Und das wäre sehr erstaunlich, wenn auch nicht unplausibel. Eine altmodische, mechanische, metallige, drehrädrige Kamera, die modern ist, nach altmodisch aussieht, so richtig photographisch mit Drehrädern. Erinnert Ihr Euch noch an das Mädchen von neulich, das unbedingt analog fotografieren wollte? Wozu ich damals noch geschrieben hatte, dass ich die Idee an sich nicht schlecht, aber teuer und umständlich finde, und ich deshalb empfehlen würde, eine moderne Kamera zu nehmen und sich die günstigen manuellen chinesischen Objektiven dranzustecken, um das alte 50er/60er-Jahre-Feeling zu bekommen, und das für vergleichsweise kleines Geld?
Genau das passiert gerade.
Nikon war drauf und dran, es mal wieder zu verbocken, weil sie die Kamera herausbringen, aber kaum dazu gut passende Objektive. Klar kann man die Vollformat- und auch mit Adapter die alten F-Objektive anschließen, funktioniert auch, sieht aber scheiße aus, ist viel zu schwer, der Witz an der Kamera weg.
Ausgerechnet die Chinesen, TTartisan, springen aber in die Bresche und bieten die passenden Objektive zur Kamera an. Eigentlich gibt es die Objektive schon, aber sie legen sie extra in einer Silber-Version auf, damit die schön an der Kamera aussehen, und das passt auch, denn schon bisher sind die Objektive ja aus Metall gemacht und imitieren den Leica-Stil. Drei lichtstarke Festbrennweiten. Für so richtig handwerkliches Fotografieren. Siehe hier und hier. Der Brüller: Die kosten $98, $73 und $118 retail (ohne Steuern). Zweistellig.
Und trotz des günstigen Preises machen die Chinesen extra eine Silber-Version, als wäre das genau das, was Nikon gerade gefehlt hat.
Was mit etwas Phantasie auf eine Absprache hindeuten könnte. Denn schon öfters ist mir aufgefallen, dass Nikon nicht mehr alles selbst fertigt. Es gab schon Sets, etwa für Youtuber, mit Produkten anderer Hersteller. Als ich die Z50 gekauft habe, hatte ich noch bei Nikon gefragt, was der Quatsch soll, dass der Bildschirm für Selfie-Aufnahmen nach unten klappt, dann aber durch das Stativ verdeckt wird, was man da ja dann dringend braucht. Wie das gehen soll. Nikon sagte mir so orakelhaft, dass da bestimmt die Dritthersteller irgendwas anbieten werden. Nicht lange später bot SmallRig, chinesischer Hersteller von preisgünstigen aber gutqualitativen (jedenfalls mich sehr zufrieden stellenden) Halterungen, Bodenplatten, Montagezubehör usw. genau das Zubehörteil an, was man für die Z50 dringend braucht und Nikon mir so orakelhaft angekündigt hatte. Bisschen viel Zufall. Und wer konstruiert eine Kamera mit einem Feature, das man nicht mit Nikon-Originalzubehör, sondern nur mit dem eines chinesischen Zubehörherstellers verwenden kann, dass dann auch prompt und pünktlich erscheint und genau so aussieht wie angekündigt?
Zwar hat Nikon auch früher schon auf Fremdzubehör zurückgegriffen, aber nur, wenn es nicht anders ging. Die D300s wurde mit Fotos beworben, auf denen sie ein schnittiges Supermikrofon „auf hat“, dessen Marke man aber nicht erkennen konnte. Es war ein Rode. Lange Zeit verkaufte Nikon alibimäßig noch kleine Nikon-Mikrofone, die aber teuer waren und nicht den besten Ruf (schlimmer noch: Klang) hatten. Inzwischen aber scheint man es aufgegeben zu haben, ein Vollhersteller sein zu wollen. Es scheint ähnliche Optimierungseffekte wie in der Automobilindustrie zu geben, wo die Autohersteller ja auch schon lange nicht mehr alles selbst bauen, sondern bei Zulieferern einkaufen, die sich dann auf Autoschlüssel oder Anzeigen oder sowas spezialisiert haben.
Das Ding stinkt nun ganz gewaltig danach, als ob Nikon direkt bei den Chinesen angefragt hätte, ob die deren Objektive, die es ja schon seit ein paar Monaten oder sogar etwas länger gibt, und die ja nun (ich habe ein paar von denen) einen zwar mechanischen, aber wirklich gediegenen Eindruck machen, aber mangels Elektronik und Autofokus keine ernstliche Konkurrenz für Nikons Kerngeschäft darstellen, und sich deutlich von Nikons Z-Design unterscheiden, nicht auch in Silber anbieten könnten, weil Nikon eine Kamera herausbringen will, die dazu passen würde. Denn letztlich ergibt auch diese Kamera erst einen Sinn, wenn Objektive wie solche zu haben sind. Wer würde sie also bauen, wenn man nicht von vornherein wüsste, dass es die passenden Altmodisch-Objektive im passenden Sonder-Design dazu gibt?
Was nun wieder die Frage aufwirft, inwieweit die Kamera als Frauenkamera entworfen ist. Vielleicht erst mal als Experiment. Denn für Nikon bedeutet das keine allzugroße Änderung, wenn innendrin die Z50 steckt, nur ein anderes Gehäuse außenrum, und die Chinesen dazu ihre schönen aber billigen Objektive in Silber dazu liefern (also mehr oder weniger die Lackierung weglassen)? Man damit also quasi so eine Art Leica für Sparsame bekommt, die auch noch Youtuben und Instagrammen wollen? Aber männeruntypisch trotzdem kleinere, zierlichere, leichtere Kameras bevorzugen, die zu kleineren Händen passen? Und die sie gerade schon im Preis senken, bevor sie überhaupt auf dem Markt angeboten wird?
Ist das ein konstruiertes Weihnachtsgeschenk für Töchter und junge Frauen?
Ist das so, dass der Zeitgeist – ich erinnere an das Mädchen von neulich, über das ich im Blog berichtet hatte – dazu führt, dass so die Zielgruppe junge Frau nicht mehr die Quitsche-Doofie-Kamera bevorzugt, wie es vor allem in Asien Mode war, sondern es jetzt gerne betont technisch-sachkundig-professionell haben will (oder soll?), es trotzdem aber gerne wie früher klein, leicht, günstig haben will, und dieses Ding exakt auf die Zielgruppe junge Frau hin gebaut ist, wie irgendwo in einem Kommentar stand, den ich kürzlich irgendwann irgendwo gelesen hatte?
Die Kamera für die Zielgruppe Frau, die von der Sorte, die das Handy-Getippse doch nicht so mögen?