Der deutsche Vietnam-Krieg
Ein Gruseln.
Ich habe gerade einen Artikel der WELT gelesen, Deutschlands Vietnam-Szenario.
Es geht darum, dass es Deutschland mit Afghanistan gerade so geht wie den USA mit Vietnam. Ein langer, verlustreicher Kampf und am Ende nur Schaden, Rückzug, Krieg verloren.
Nach zwei Jahrzehnten verlustreicher Kämpfe verlassen die westlichen Truppen Afghanistan, und die Taliban überrollen das Land. Inzwischen wird mehr als deutlich, dass das Demokratie-Experiment gescheitert ist – und welche Mächte davon profitieren.
Auf den Straßen und Plätzen liegen Leichen. Bomben fallen im Minutentakt. Die Taliban sind in die Provinzhauptstadt Laschkar Gah in Helmand eingedrungen und liefern sich nach Augenzeugenberichten einen erbitterten Häuserkampf mit der afghanischen Armee. […]
Die radikalen Islamisten bedrohen auch das benachbarte Kandahar und haben den internationalen Flughafen der zweitgrößten Metropole des Landes lahmgelegt. Drei Raketen trafen am frühen Sonntagmorgen die Landebahn und einige Gebäude. […]
In Herat kämpfen lokale Milizen an der Seite der Armee gegen die anrückenden Islamisten, sonst wäre die Stadt längst in die Hände der Taliban gefallen.
Mit dem Abzug der Nato-Truppen verschiebt sich das Machtgefüge immer mehr in Richtung der Islamisten und konterkariert endgültig das ursprüngliche Ziel, dem Land zu Frieden und einer stabilen Demokratie zu verhelfen. […]
In Afghanistan eskaliert die Offensive der Dschihadisten immer mehr. […]
Mit den Taliban im Präsidentenpalast in Kabul wäre die Bilanz für den Westen katastrophal. Nach 20 Jahren Einsatz in Afghanistan müsste man das Land feindlichen Akteuren überlassen.
Zwei Gedanken drängten sich mir da auf.
Der erste: Der Spruch „Der Islam gehört zu Deutschland“. Wenn ich mich jetzt richtig erinnere, damals in Umlauf gesetzt von Präsidentenversager Christian Wulff. Ah, ja, Rede von 2010. Damals dachte man wohl noch, dass das da gut liefe, und Muslime so eine Art günstiger Obst- und Gemüsehändler und Dönerköche seien. 10 Jahre später hat man offenbar so das Fürchten gelernt, dass man faktisch die Kapitulation erklärt. Weil Westen und Islam eben nicht gut zusammenpassten, und der Westen unterlag. Sogar alle zusammen.
Der zweite: Bei „Demokratie-Experiment“, das so bitter gescheitert ist, musste ich an dieses bekloppte Tagesthemen-Interview von 2018 denken, mit dem die Linken von der Tagesschau-Redaktion diesem Geisteswissenschaftswindbeutel von amerikanischer Klapsmühl-Uni Gnaden Yascha Mounk den Speichel leckte, und der verkündete, dass wir ein historisch einzigartiges Experiment wagten:
Zum Zweiten, dass wir hier ein historisch einzigartiges Experiment wagen, und zwar eine monoethnische, monokulturelle Demokratie in eine multiethnische zu verwandeln. Das kann klappen. Es wird, glaub ich, auch klappen. Aber dabei kommt es natürlich auch zu vielen Verwerfungen.
Räumlich einzigartig war es nicht, weil man das ja an vielen Stellen versuchte. Zeitlich einzigartig dann schon, weil man den Fehler wohl kein zweites Mal mehr machen wird. Einen zweiten Versuch wird es nicht mehr geben.
Worauf beruht dann die Annahme oder Hoffnung, dass das mit der mulitethnischen Demokratie in Deutschland oder Europa klappen wird, wenn es in Afghanistan nicht funktionierte?
Oder anders gefragt: Worauf beruht die Annahme oder Hoffnung, dass denselben Leuten, deren Experiment dort schief ging, ein ähnliches Experiment hier glücken könnte?