Die Fehleinschätzungen der Bundesregierung
Nur so ein Detail.
Inzwischen schält sich mehr und mehr heraus, dass die Bundesregierung Afghanistan, dessen Regierung, die Truppen und die Taliban komplett falsch eingeschätzt hat.
Afghanistan: Deutsche Regierung schätzte Bereitschaft des Militärs falsch ein
In Regierungskreisen sagt man, man sei davon überrumpelt worden, wie schnell es am Ende ging. CDU-Chef Armin Laschet erklärte am Montagvormittag in einer Pressekonferenz: „Es ist erstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit die Taliban übernommen haben.“ Aus einem der Ministerien heißt es, dass besonders die Reaktion der Soldaten anders ausfiel, als erwartet. Keiner hatte damit gerechnet, dass die Soldaten sich so schnell und so einfach ergeben würden. Dass sie teilweise ihre Waffen auf den Straßen liegen ließen, sodass sie den Taliban jetzt zur freien Verfügung stehen. Hat denn niemand der militärischen Ausbilder je bemerkt, dass die Bereitschaft für Afghanistan zu kämpfen nie wirklich gegeben war? Was bringen 300.000 Soldaten und ein Sack voll Waffen, wenn am Ende keiner kämpft?
Der Bundesnachrichtendienst (BND) war zwar vor Ort, soll die Situation jedoch falsch eingeschätzt haben. Noch im Juni gaben Vertreter in einer Sitzung im Bundestag an, dass sie mit einer Übernahme der Taliban erst in 18 bis 24 Monaten rechnen. Bis Freitag ging die Bundesregierung davon aus, dass die Taliban nicht so bald in Kabul einmarschieren würden. Das Zeitfenster, um zu reagieren, sollte bis Ende März gehen.
Eigentlich wären die Taliban gegen die Regierung chancenlos gewesen, in Ausbildung, Mannstärke, Bewaffnung, Ausrüstung völlig unterlegen. Trotzdem konnten sie das Land einfach so nehmen. Warum? Siehe auch hier:
Das ist die erste Nachricht, die wir in Deutschland ganz furchtbar finden. Weil wir uns angewöhnt haben, zu meinen, das Gute werde am Ende siegen, denn es sei doch das Gute. Das Gute war in Afghanistan aber wenig wert. Es ist eine Illusion.
Regierungstruppen hatten keine VisionDie Taliban konnten durchmarschieren, weil die Regierungstruppen weggelaufen sind. Sie sind desertiert, weil sie wussten, dass die Taliban sich durchsetzen würden – trotz schlechterer Bewaffnung, trotz numerischen Unterzahl. Sie wussten das, weil die eigenen Truppen kein Ziel hatten und keine Leidenschaft, die Taliban aber schon. […]
Die Lektion ist hart und heißt leider: Ein Land, dessen Volk Demokratie und Menschenrechte nicht wirklich will, wird man nicht zu seinem Glück zwingen können.
Das sind Aspekte, die mir jetzt in vielen Berichten begegnet sind: Amerikaner und Deutsche haben viel getan, viel Arbeit, Geld, Ausrüstung investiert, um in Afghanistan eine Gesellschaft nach westlichen Vorstellungen aufzubauen, die sich selbst gegen die Taliban wehren kann. Man hat ihnen mehr Hubshrauber gegeben, als die Bundeswehr hat. Alles, was man braucht.
Aber was passierte?
Nichts. Die haben überhaupt nicht gekämpft, sich nicht organisiert, sind einfach gegangen, haben kampflos kapituliert, weil sie überhaupt keine Ideale, keine Ziele, keine Regierung haben, für die sie kämpfen. Es war eine völlig Fehlentschätzung zu glauben, dass man aus denen einen wehrhaften, demokratischen Staat bauen könnte. Keine Loyalität, keine Ziele, keine Ideale. Einfach nur so nach Tagesopportunität vor sich hinleben.
Alles für die Katz’.
Beruht aber die Annahme, wir könnten mit Leuten dieser Kultur unsere Bevölkerungsdefizite auffüllen, nicht auf genau derselben Fehleinschätzung?
Ist die Erwartung, man könnte Syrer in unsere Gesellschaft integrieren, nicht genauso haltlos wie die Annahme, man könnte aus Afghanistan einen funktionierenden Staat nach westlichem Zuschnitt machen?
Fällt unsere Gesellschaft dann nicht irgendwann genauso zusammen wie die Regierungstruppen von Afghanistan?
Sind all die Kosten für Asyl, Hartz IV, Unterkunft, Ausbildung, genauso in den Sand gesetzt wie die Kosten in Afghanistan?