Öffentlich-rechtliche Patriarchatsmaßstäbe
Erleben wir gerade die große Rekalibrierung, die Eichung, die Neujustage, die Erdung der Maßstäbe, deren Zurückfinden zum Bodenkontakt?
Eben noch galt es als übelstes Patriarchat und Beweis für die ewige grenzenlose Unterdrückung der Frau, wenn irgendwehr mal „Zahnarzt“ oder „Autofahrer“ sagte, oder auf irgendeinem Foto weniger Frauen als Männer drauf waren. Irgendwo ein Vorstand nicht weiblich besetzt war. Ganz schrecklich, wenn man wieder mal feststellte, dass es in irgendeinem elitären Kreis mehr Männer mit Vornamen Thomas als Frauen insgesamt gibt. (Sie arbeiten aber dran, die Zahl der Frauen mit Vornamen Thomas nimmt inzwischen rapide zu, nur noch eine Frage der Zeit, bis auch da Gleichstand erreicht ist.)
Alles, wirklich alles, sei irgendwie frauendiskriminierend.
Und dann plötzlich das:
„Wenn die Taliban kommen, wird keiner von uns überleben – Ich weiß, dass wir getötet werden.“ die afghanische Frauenrechtlerin Taranom Seyedi über sich und ihre Freunde im @Weltspiegel_ARD pic.twitter.com/ObQrPMImIV
— Julia Kloiber (@j_kloiber) August 15, 2021
Frauen werden getötet.
Nun, mit Rückgriff auf unseren Bildungsstand, das ist nicht so schlimm, wie nicht im Vorstand eines DAX-Unternehmens zu sitzen oder nicht Verteidigungsministerin zu werden. Und bisher haben wir ja gelernt, dass Kriege stets Frauen benachteiligen und besonders belasten, weil deren Witwentum stets das größte Leiden ist, während die Männer nur erschossen auf dem Schlachtfeld herumliegen, in Kriegsgefangenschaft gefoltert werden oder als Invaliden ihr restliches Leben nur noch teilweise miterleben. Man muss das schon gewichten und ich habe meine Genderhausaufgaben gemacht.
Warum also ist man dann nicht erfreut und bricht in Jubel über diesen Rollenwechsel aus? Endlich mal die Frau in der Rolle des Erschossenen, über das die Gender Studies und der Feminismus bisher kein Wort der Klage oder der Beschwer finden konnten? Warum nicht das Wehklagen über das anstehende Witwerdasein von deren Gatten?
Müsste man nicht begeistert davon sein, dass nun endlich die Geschlechterrollen mal vertauscht sind, wie man es immer wollte, und nun endlich dort auch die Frauen die Kriegsprivilegien der Männer erhalten, nämlich erschossen zu werden? Warum feiert man die Taliban nicht für deren Gleichstellungspolitik und als die ersten, die die Gleichstellung der Frau im Krieg wirksam umsetzen?
Soweit ich weiß, sind doch auch beim Auslandseinsatz der Bundeswehr bisher immer nur Männer umgekommen, ohne dass Gender Studies daran irgendwie Anstoß nahmen oder eine Benachteiligung sahen.
Müsste man also den Taliban nach der Erschießung der Feministinnen nicht eine Ehrenmitgliedschaft bei den Grünen für die erfolgreichste Umsetzung des Frauenstatuts antragen? Endlich Geschlechtergerechtigkeit?
Oder ist es am Ende doch so, dass es eigentlich nie darum ging, wer tatsächlich benachteiligt ist, sondern immer nur um Frauengejammer?
Wie dem auch sei:
Bisher hatten wir eine ständige Verlagerung der Jammermaßstäbe. Egal, wie gut es den Frauen ging, wie sehr sie bevorzugt, begünstigt, bequotet, gefördert, mit Geld und Posten und Nennungen betankt, beworfen, übergossen wurden, wie sehr sie für jede Männerleistung automatisch mitbelohnt wurden, Feministinnen waren nie zufrieden, haben sich nie für irgendetwas bedankt, haben nie zugegeben, dass sie mit Privilegien behängt sind wie ein Weihnachtsbaum, sondern haben immer das Mikroskop eine Vergrößerunststufe weiter gestellt, um immer noch irgendwas winzigeres zu finden, worüber sie sich bitterlich beklagen können, ohne jemals irgendwas zu leisten. Nie war der Feminismus etwas anderes als die permanente Eskalation blanker Unverschämtheit.
Und dann kommen auf einmal die Taliban daher, und von einem Augenblick auf den anderen sind die Maßstäbe wieder in der Realität angekommen. Auf einmal ist Patriarchat, ist Unterdrückung der Frau wieder, wenn die, die nicht spuren, einfach erschossen werden. Wenn die die Klappe zu halten, zuhause zu bleiben und zu kochen und Kinder zu kriegen haben. Wenn junge Mädchen nicht gefragt, sondern als Kriegsbeute mit Kämpfern zwangsverheiratet werden.
Eigentlich finde ich das recht gesund, wenn da mal wieder Realität und Maßstäbe einziehen in einer Welt, in der es eben noch als schlimme, nicht wieder gutzumachende Unterdrückung der Frau galt, wenn die Bank auf den Kontoauszug nur „Kontoinhaber“ und nicht Inhaberin schrieb und das Studentenwerk Studentenwerk hieß.
Ich warte ja noch auf die Gender Studies-Diskussion, ob ein Studierendenwerk dann wieder Studentenwerk heißen darf, wenn Frauen nicht mehr an die Uni dürfen.
Manchmal haben Krieg, Gewalt, der Ausbruch des Archaischen, so etwas Erfrischendes an sich, eben weil sie sich nicht an die Kategorien, Ideologien, Vorstellungen und Schnapsideen hiesiger Geisteswissenschaftler und Journalisten halten, sondern ihnen so eine echte, so eine natürliche, so eine erlebbare Empirie innewohnt. Weil sich daran dann wieder zeigt, was Realität, was real ist. Worin sich Physik, Biologie und Soziologie so voneinander unterscheiden.
Bei der Computersteuerung von Maschinen spricht man da von einer „Nullfahrt“, wie man sie früher allgemein vom Nadeldrucker kannte, heute vielleicht noch vom Tintenstrahler oder 3D-Drucker. Alles muss erst mal auf Null gefahren werden, bis der Schalter am Anschlag auslöst, damit der Computer weiß, wo die Nullstellung ist.
Zu vervollkommmen eigentlich nur noch durch Auslandssemester der Gender Studies, die dann mal nicht in den USA, sondern in Afghanistan abgehalten werden. Sozialistische Grüße, ich bin die Gaststudentin aus Germanistan und gekommen, um Ihre Privilegien, Ihre Gendersprache und den Stand der Gleichstellung der Frau zu prüfen. So in der Art. Als Steuerzahler würde ich da sogar eine Ausnahme machen und Studienreisen ganzer Gender-Studies-Jahrgänge zur Patriarchatsforschung befürworten.
Auch die Klimadebatte könnte hier neue Impulse bekommen.
Zwei Leser schrieben mir neulich, dass es um die Energieversorgung in Afghanistan nicht zum Besten bestellt sei. Einer etwa:
Hallo,
letztens habe ich irgendwo gelesen, dass in Afghanistan seit dem Einmarsch 2001 gerade einmal ein neues Kraftwerk gebaut wurde und die allermeisten noch aus der Zeit von – Achtung, festhalten! – vor dem Einmarsch der Sowjetunion stammen! (Überwiegend Wasserkraft)
Ich konnte das nicht glauben und habe es selbst nachrecherchiert, hier die Liste Weltbank mit afhg. Kraftwerken:
https://datacatalog.worldbank.org/dataset/afghanistan-existing-and-planned-power-plantsKnapp 750MW sind landesweit installiert. Gleichzeitig stieg die Einwohnerzahl seit 2001 von 20 Mio auf 38 Mio. Damals, als die Sowjets einmarschiert sind, waren es noch 12 Mio Afghanen.
Laut denen hier gibt es 22,58 Mio Smartphone Verträge in Afghanistan: https://www.statista.com/statistics/497074/number-of-mobile-cellular-subscriptions-in-afghanistan/
So und jetzt mal berechnen, wie viel Strom für alles andere zur Verfügung steht, wenn der Betrieb der Sendemasten und 1x am Tag das Laden aller Smartphones vom Gesamtstromangebot abgezogen sind.
Also ich finde das total irre.
Gruss!
Beneidenswert. Die Einwohnerzahl seit 2001 nahezu verdoppelt. Und wir haben Feminismus und jammern über die überalternde Bevölkerungsstruktur. Sex nur mit notariell beglaubigter Zustimmung. Es heißt, Afghanistan besitze Bodenschätze im Wert von Billionen, dazu nun eines der größten Waffenlager der Welt und habe enormes Einnahmepotential über den Drogenhandel. Ein gemachtes Land. Und wir dagegen? Annalena Baerbock und Annegret Kramp-Karrenbauer.
Natürlich eine interessante Frage, wie umweltfreundlich deren Wasserkraftwerke sind, aber grundsätzlich sieht man den Talibankrieger ja typischerweise mit einem Geländewagen der verpönten Kategorie Diesel-SUV. Die Einführung der E-Autos lässt auf sich warten.
Und so komme ich zu der Frage, ob unsere Prinzessinnen wie Greta, Luisa und Carla nicht viel mehr Schaffenspotential und viel mehr Entfaltungsmöglichkeiten, viel mehr Weltrettungsvolumen in Afghanistan finden könnten als hier.