Die „Kotz-Kurve“
Na, tolle Konstruktion dieser BER.
Es gab ja viele Diskussionen in Berlin, warum man den BER dahingebaut hat, wo er jetzt steht, statt den etwas weiter entfernten, aber flugtechnisch viel günstiger und in Bezug auf Wohngebiete viel schonenderen alten russischen Militärflughafen Sperenberg auszubauen, zumal der schon eine Flughafengenehmigung hatte. Man hätte eine schnelle Zugverbindung von Berlin aus bauen können und alles wäre gut gewesen.
Aus politischen und Protzgründen musste es aber der BER sein, weil man einen Flughafen in Berlin behalten wollte (das sonst alle seine drei Flughäfen losgeworden wäre) und die Politiker ja auch nicht so weit fahren wollten.
Die BZ berichtet über einen Konstruktionsfehler, die „Kotz-Kurve“.
Wenn Flieger Richtung Osten starten, müssten sie sofort oder kurz nach dem Abheben eine steile Rechtskurve fliegen, um nicht über Ortschaften zu fliegen. Offizieller Name „Hoffmann-Kurve“, Spitzname „Kotz-Kurve“, weil die Passagiere … sie nicht so gut finden.
Vielflieger Easyjet fliegt aber nun diese Hoffmann-Kurve nicht mehr, und stattdessen die Geradeausroute mit nur einen 15°-Knick, fliegt dabei aber tief über Ortschaften, die sich nun aufregen. Das sei im Planfeststellungsverfahren nicht vorgesehen gewesen.
Nun hieß es dazu vom Bundesamt, die Kurve sei „fliegerisch anspruchsvoll“, was mir nicht auf Anhieb einleuchtet, denn vom BER fliegt man ja eher nicht mit solchen Kisten, die man noch persönlich fliegt, wie eine DC-3 oder eine Ur-747. Eigentlich haben die ganzen modernen Jets doch alle längst Computerunterstützung, weshalb ich als Laie erwartet hätte, dass die die Kurven für einen sauber fliegen. So weiß ich beispielsweise, dass man bei kleinen Maschinen wie einer Cessna beim Kurvenfliegen noch mit dem Seitenruder den unterschiedlichen Luftwiderstand der Querruder ausgleichen muss, habe aber irgendwo gelesen, dass man das bei den großen Maschinen nicht müsste, das Seitenruder nur noch bei einseitigem Triebwerksausfall benötigt werde, weil nicht mehr der Pilot, sondern der Computer die genaue Auslenkung der Querruder übernehme, und die assymetrisch und nichtlinear so steuern kann, dass die den gleichen Luftwiderstand haben und das Flugzeug ohne Seitenruderausgleich fliegen könne. Keine Ahnung, ob das so stimmt, glaube ich irgendwo gelesen zu haben. Insofern hätte ich erwartet, dass so eine Steilkurve nun auch nicht so das Problem ist, der Computer das schon macht. Fällt der Computer aus, kann man ja immer noch geradeaus fliegen.
Was also soll – fliegerisch, vom Kotzen mal abgesehen – das Problem an so einer Steilkurve sein? Die BZ erklärt’s. Oder, genauer gesagt, Easyjet:
Warum fliegt Easyjet die sogenannte „Kotz-Kurve“ jetzt nicht mehr? „Wir haben relativ viele Passagiere in den Flugzeugen und mehr Gepäck als andere in den Flugzeugen“, erklärt Erler. „Das höhere Gewicht führt dazu, dass wir entweder die notwendige Höhe nicht haben oder die Wegpunkte nicht erreichen und es uns somit gesetzlich nicht erlaubt ist, diese Abflugroute zu fliegen.“
Das ist natürlich ein kritischer Punkt, wenn die Flugzeuge die für die Kurve notwendige Höhe oder die Wegpunkte nicht erreichen.
Der Tagesspiegel hat aber auch noch eine Erklärung:
Die Idee zu dem auf Deutschlands Großflughäfen recht einzigartigen Flugmanöver hatte der Privatpilot und Ruheständler Marcel Hoffmann aus Eichwalde, heute 70 Jahre alt: „Wenn die Maschine abgehoben hat, kann man die Sekunden zählen: 21, 22, 23 – und dann legt sich das Flugzeug teils noch über der Startbahn sanft rein in die Kurve”, hatte er noch 2013 dem Tagesspiegel am BER erklärt.
Sieben Jahre später wurden nur minimale Details an der „Hoffmannkurve” geändert, also die Routen länger gezogen, nicht aber die Kurve abgemildert. Die Pilotengewerkschaft Cockpit hatte bei der Flugroutenfestlegung Bedenken angemeldet, weil eine Kurve so rasch nach dem Start “die Sicherheit ohne Not reduziert”.
Bundesaufsichtsamt bezeichnet Kurve als anspruchsvollIn der „kritischen Startphase“ wollten sich Flugkapitäne lieber allein auf den Steigflug konzentrieren. Zusätzlich eine – auch laut Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) – anspruchsvolle Kurve per Hand zu fliegen, erhöhe die Komplexität im Cockpit, was in einem Notfall – Triebwerksprobleme, Vogelschlag, technische Fehler – zum Problem werden könnte. Kurven seien generell fehleranfälliger und das Sicherheitspolster werde dünner, wird auch heute wieder in Pilotenkreisen diskutiert.
Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung wollte die Flugroute nochmal gesondert prüfen. Die sogenannte Hoffmannkurve war anfangs lediglich per Flugsimulation theoretisch getestet und zur Lärmbelastung geprüft worden – Politiker und Experten mahnten, die Sicherheit genau zu prüfen. Laut Piloten werde der Regelfall geprüft, nicht besondere Ausnahmesituationen. Laut Bundesamt für Flugsicherung kann dann jeder Flugkapitän das Flugverfahren in einem potenziellen Notfall sofort ändern.
Überzeugend und ausgereift wirkt das auf mich nicht.
Das wirkt auf mich, als habe man da unbedingt einen Flughafen hinbauen wollen.