Woran das wunderbare Land kaputt ging… (nicht am Flaschenpfand)
Viel Zuschriften habe ich zu meinem Artikel über das wunderbare Land bekommen, in dem ich mal gelebt habe.
Praktisch alle zustimmend, nur in einem Punkt bekam ich Korrekturhinweise: Auch in den 70er Jahren gab es schon Flaschenpfand.
Oh, ja, da habe ich mich blöd ausgedrückt. Freilich gab es Pfandflaschen, denn die sogenannte Normbrunnenflasche samt zugehörigem Kasten hat mich durch die gesamte Kindheit und das Studium begleitet und ist – trotz ihres zeitlosen Designs – ein Produkt der 60er Jahr, entworfen 1968, eingeführt 1969. Als herstellerunabhängiges Pfandflaschensystem. Plus die unverwechselbaren Flaschen von Coca Cola, Fanta, Bluna und so weiter, wobei die braune, geriffelte Fantaflasche beim Konzern Coca-Cola ja dann auch der grünen mit den runden Punkten drauf weichen musste.
Ich war da gedanklich bei den Rentnern, die Flaschen aus Mülleimern holen, und das gab es damals einfach nicht, dass man Pfandflaschen in den Müll warf, weil eben nur solche wiederverwendbaren Flaschen Pfandflaschen waren. Die warf man nicht weg. Eigentlich nahm man sie nicht mal mit, weil die damals noch sehr schwer waren. Man hatte einen Kasten im Haus, und wenn der leergetrunken war, tauschte man ihn gegen einen neu befüllten.
Die fand man aber nicht im Mülleimer, das gab es damals nicht, dass man in Mülleimern stocherte, um daraus etwas zu Geld zu machen. Es gab kein Pfand auf Wegwerfflaschen oder Getränkedosen, und die hatte ich gerade im Blick. Mein Fehler, blöd ausgedrückt.
Ein anderer meinte, das wichtigstes hätte ich vergessen: Auf praktisch allem, was man kaufen konnte, stand „Made in Germany“. Stimmt. Damit hätte ich zwar das Ergebnis der Erzählung vorweggenommen, aber grundsätzlich ist das richtig. Heute habe ich fast gar nichts mehr, wo noch Made in Germany drauf steht. Eine Zeitlang kam „Made in Hong Kong“ daher, vor allem, bei billigem Plastikmist aus dem Kaugummiautomaten. Und „Made in Japan“ auf hochwertigem Kamerazeugs ab etwa der Autofokus-Ära. Es gab noch eine „Made in Thailand“-Phase, aber mittlerweile steht auf fast allen Dingen, die ich habe „Made in China“. War – ähnlich wie bei Made in Germany – mal ein Ausweis von minderer Qualität, hat sich inzwischen aber auch gemausert zum Kennzeichen hoher Qualität. Inzwischen besitze ich sehr viele Dinge von sehr guter Qualität, auf denen „Made in China“ steht, und ein „Made in Germany“ finde ich praktisch nicht mehr. Außer dem Haus, in dem ich wohne, und das Auto, das ich habe. Und Essen, das ich kaufe, wenn das irgendwie vorverarbeitet ist. Alles andere kommt aus dem Ausland. Ein paar Dinge hatte ich noch „Made in U.S.A.“, aber das hat sich auch erledigt.
Was ich ja schon als sozialistisches Luftschloss beschrieben habe. Man tut hier immer so, als würde man für Mindestlöhne eintreten und sie einführen, faktisch ist das aber gelogen. Man lagert nur per Globalisierung alle Arbeiten ins Ausland aus, die unterhalb des Mindestlohns liegen. Nun kommen Hemd und Hose eben aus Bangladesh und nicht mehr aus der DDR, seit die DDR zu uns gehört. Mindestlohn heißt: Alles drunter wird outgesourced.
Dann schrieb mir einer, dass er das anders, aber durchaus ähnlich sieht, weil in der DDR aufgewachsen, und diese Perspektive hätte ich vergessen. Nee, nicht vergessen. Diese Perspektive habe ich ja nicht, ich bin ja nicht in der DDR aufgewachsen. Der Punkt ist interessant, aber ich kann dazu keinen Text schreiben, das muss ein Original Ossi schreiben. (Falls die noch wollen und das nicht schon viel zu oft geschrieben haben.)
Die Ursache
Beachtlich ist aber, dass mehrere Leser unabhängig voneinander auf denselben Gedanken kamen:
Nämlich dass unser Demokratie- und Freiheitszusammenbruch schon mit der Wiedervereinigung und dem Ende der DDR und des Ostblocks kam, aber nicht unmittelbar kausal durch diese. Also nicht direkt, weil jetzt die Ossis die Macht übernahmen.
Sondern, weil der Westen per se gar nicht so demokratisch und freiheitlich war und ist, und das nur als Vorteil hochgehalten wurde, solange man im Wettbewerb mit dem Sozialismus stand und man zeigen musste, worin man besser sei. Das mit der Freiheit und Meinungsfreiheit war ja auch einer der Hauptgründe, wenn nicht der Hauptgrund schlechthin, warum viele Ossis in den Westen wollten.
Nur sei eben mit dem Zusammenfall des Ostens der Wettbewerbsdruck weggefallen, und der Westen habe seither schlicht keinen Grund mehr, noch einen auf freiheitlich und demokratisch zu machen.
Interessanter Gedanke.
Ich hatte bisher den Demokratie- und Freiheitsverlust immer unter dem Aspekt gesehen, dass SED und Stasi nicht tot sind, sondern wie die NSDAP in den Untergrund gegangen sind und den Westen systematisch unterwandert und übernommen haben. Fortführung des Projektes 1917.
Dass aber der Westen degeneriert, weil ihm der Wettbewerb verloren gegangen ist, er sich nicht mehr anstrengen muss, weil ihm quasi der sportliche Wettbewerber abhanden gekommen ist, hatte ich so noch nicht so explizit gesehen.
Interessanter Punkt.