Warum ich mir das antue
Eine Leserin fragt an.
Verwunderung
ieber Hadmut Danisch,
mir unbegreiflich, warum Sie sich solch eine Reise antun. Für mich wäre diese Expo eine einzige kulturelle Wüste!
Sie sollten sich erholen!!
Draußen die frische Wüstenluft! Ohne Maske!
Das Laptop weggepackt!
Wir Danischfans hätten vollstes Verständnis für ein paar Tage ohne!
Ihre besorgte
Ich habe seit gestern über die Frage nachgedacht, warum ich „mir das antue“.
Das Problem ist nicht etwa, dass mir darauf keine vernünftige Antwort einfällt. Sondern so viele, die zumindest ich derzeit für verünftig halte. Wie priorisieren?
Viel mehr grüble ich aber über die gewählte Formulierung „sich das antun“. So hatte ich das gar nicht gesehen.
Ich hatte das bisher eigentlich als einen Akt der (vielleicht nicht mehr lange möglichen) Ausübung und des Gebrauchs meiner persönlichen Freiheit empfunden, in mehrerlei Hinsicht. Die Freiheit zu haben, alles stehen und liegen zu lassen und mich an den Ort X zu begeben um der – bewusst unwichtigen – Angelegenheit Y beizuwohnen. Wenn ich es mal derbe salopp formulieren darf, es gibt so einen saudummen Spruch, der aber passt: Warum leckt der Hund sich die Eier? Weil er es kann. Warum fährt der Danisch nach Dubai? Ich werde so dauerbombardiert von diesem enddummen Privilegiengedonner, check your privileges, dass ich mir mal den Saldo auf meinem Privilegienauszug angesehen habe und mir gedacht habe, naja, Privilegien wollen auch ab und zu mal ausgefahren werden, damit sie nicht einrosten.
Ein anderer Punkt ist, dass ich mir eigentlich schon seit 20, 30 Jahren vornehme, mal zu einer Weltausstellung zu fahren. Eigentlich sind es 40. Oder mehr. Ich hatte mal erzählt, dass ich in meiner Jugend dreimal über Ostern zu Sprachreisen in England, das erste Mal davon mit dem Zug bis Ostende und dann mit der Fähre nach England. Dabei habe ich aus dem Zugfenster in der Entfernung ganz klein das Atomium in Brüssel gesehen, und mir gedacht, zu sowas will ich mal hin. Irgendwann muss man es dann mal machen, sonst wird es nie etwas. Und eines der Dinge, die ich im Leben habe lernen müssen, ist, dass man nicht beliebig viele Gelegenheiten bekommt, dass man Gelegenheiten auch wahrnehmen muss.
Ein Grund ist Corona. Ich habe letztes Jahr schon relativ früh gemerkt, dass mir das Home-Office und der Lockdown zwar in der Birne ganz gut tut und ich mich wohl fühle, aber körperlich durch fehlende Belastung rapide abbaue. Ich hatte im Frühjahr mal so einen 10-km-Spaziergang zum Hauptbahnhof in Berlin und zurück, weil ich dort etwas in einem Laden abholen musste und nicht mit den Öffentlichen fahren wollte, und mir außerdem gedacht hatte, es ist einfach wunderbares Wetter, so ein schöner Spaziergang durch Berlin wird mir gut tun, um danach festzustellen, dass mir davon, was ich früher so nebenbei gemacht hätte, hinterher die Füße weh taten, weil die geringe Belastung dazu geführt hatte, dass das Bindegewebe in den Fußsohlen weich geworden war und die Belastung nicht mehr gewohnt ist. Eigetnlich ein Effekt von Langzeitastronauten. Ich war früher mal ziemlich hitzeresistent. Ich schwitze wie Sau, mir läuft die Brühe, ich stinke, aber gerade desahalb kann ich es. Ich habe Leute gesehen, die nicht schwitzten und dafür umkippten. Ich wollte mal vorsichtig antesten, wieviel von meiner Wüstengängigkeit nach Corona und mit fortgeschrittenem Alter noch übrig ist. Ich habe noch nicht verwunden, dass mich auf der Namibia-Reise vor izwischen auch schon 10 Jahren so eine fitte fiese Rentnergang in den Dünen am Sossusvlei so derbe abgehängt hat, während sie Rollatorwitze erzählten und sich über behindertengerechte Einbauküchen unterhielten.
Ich bin hier, weil ich mir die Freiheit nicht nehmen lasse, mir dann und wann eine Meinung selbst zu bilden. Und das zu üben. Ich hatte gerade so eine Leserzuschrift mit Link auf ein beklopptes Dubai-Kritik-Video erwähnt, in der eine Tussi was erzählte, dass es hier keine öffentlichen Verkehrsmittel und nur Fastfood gäbe. Ich will mich nicht daran gewöhnen, mir fertige Meinungen von Medien oder Social Media vorsetzen zu lassen und sie zu fressen. Zumindest hin und wieder, soweit mögiich, mache ich mir so eine handgemachte Meinung selbst. Krumm, schief, Unikat, grob, mängelbehaftet, aber meine. Wie der Unterschied zwischen CD hören und schlecht selber spielen.
Weil ich mir mal anschauen will, wie es einer Gesellschaft so ergeht, die weitgehend dem entspricht, was sie bei uns so als Ideal einer Diversität ausrufen. Sie funktioniert, aber sie ist nicht marxistisch, sie ist eine Klassen-, eine Kastengesellschaft.
Weil ich mal über was anderes bloggen wollte. Das Blog ist etwas zu themenstabil geworden.
Weil es sich sehr bewährt hat, früher schon hier gewesen zu sein und Wissen über den Islam selbst zu sammeln, zuzusehen, zu reden, als den Käse zu übernehmen, den sie uns zuhause erzählen.
Weil ich mir das vor Corona für 2020 schon vorgenommen hatte, zur Expo 2020 zu fahren.
Der vielleicht wichtigste Grund aber ist, dass ich das Gefühl hatte, das Fotografieren verlernt zu haben. Ich habe früher Fotoalben von meinen Reisen gemacht, allerdings auch viel Zeit reingesteckt. Nun lag der Krempel Coronabedingt lange ungenutzt rum, aber ich habe auch gemerkt, dass ich in letzter Zeit von Reisen sowas nicht mehr hinbekommen habe wie früher. Was mitunter einfache Gründe hatte, schlicht weil ich nicht die Zeit hatte, mich nach der Reise um die Bilder zu kümmern. Sowas kostet viel Zeit.
Es hat aber auch damit zu tun, dass sich so vieles verändert hat. Fotografie ist out, Video ist in. Mir fehlen da etwas Talent und Übung. Ich habe das schon in Neuseeland und New York gemerkt, dass der Ansatz wie beim Fotografieren, wir gehen da mal hin und werden dank geübten Auges was finden, nicht funktioniert. Man muss da anders an die Sache herangehen.
Es hat damit zu tun, dass ich das Fotografieren auch aus anderen Gründen neu lernen muss. Früher habe ich eine richtig schwere Ausrüstung durch die Gegend geschleppt, da ging das noch. Hatte eine Kameratasche im Kurierstil umhängen. Geht nicht mehr, habe Rücken. Bandscheiben und so, das Alter. Ich brauche kleinere, leichtere Sachen. Damit muss man anders fotografieren. Ich hasse eigentlich Fotorucksäcke, weil ich davon wie Sau am Rücken schwitze, und mir die Dinger viel zu umständlich sind, jedesmal ab- und aufsetzen, auf den Boden legen…, sie haben aber den Vorteil, dass sie das Gewicht viel besser und vor allem symmetrisch auf den Rücken verteilen und keine Komponente haben, die zur Seite zieht.
Ich muss spiegellos fotografieren. Altersbedingt bin ich alterssichtig und kann die Menüs und Anzeigebilder auf dem Display nur mit Brille lesen. Ich fotografiere aber lieber durch den Sucher ohne Brille, per Dioptrienausgleich an der Kamera. Dazu aber müsste ich ständig die Brille auf- und absetzen. Nicht aber bei Spiegellosen, weil die im Sucher und damit mit Dioptrienausgleich auch Menüs, alle Anzeigen und die Bilder zeigen können, ich brauche dafür also keine Brille.
Weil ich gemerkt habe, dass ich das nur lerne, wenn ich alle Fehler mal selbst gemacht habe. Man macht aber keine Fehler, wenn man es gar nicht erst versucht.