Modernes Sushi
Ich war noch mich wundern.
Man frisst sich hier auf der Expo ja quer durch die Küchen der verschiedenen Länder.
Das Restaurant der Japaner ist überaus beliebt und so proppenvoll, dass man eigentlich nicht reinkommt. Trick: Wartezettel geben lassen und wieder kommen.
Ich kam also rein, wirklich urig. Sehr japanisch. So ein Sushi-Restaurant. Ich hatte eigentlich eher an so eine Bento-Box gedacht, aber Sushi ist auch gut, esse ich auch gerne. Mir kam schon beim Betreten ein junger Typ, vielleicht um die 20, entgegen, zwar in Jeans und Turnschuhen, sah aber aus, wie aus einem Samurai-Manga entsprungen. Die Haare hinten so auf spezielle Weise gebunden, vorne lang, kühner Blick, als wäre der ganze Mann von Manga-Zeichnern gemacht. Diese Typen gibt es da wirklich. Der sah aus, als könnte er jeden Augenblick das Schwert ziehen und 50 Räuber überwältigen.
Alles japanisch. Und immer wieder riefen die Kellnerinnen laut im Chor irgendwas niedliches. Habe natürlich nichts verstanden, aber kann mich erinnern, das schon mal im Fernsehen gesehen zu haben. Kann mich nur nicht erinnern, was das war.
In der Küche gewissenhafte Leute in weißer Kochjacke mit roter Krawatte drunter. Habe ich schon mal einen Koch mit Krawatte kochen gesehen?
Nun war ich ja schon öfters Sushi essen, auch Running Sushi (macht Spaß) und kenne auch Varianten. Beispielsweise die Doppelstöckige. Auf einer Bahn gekühlt nur kalte Speisen, auf der anderen zum Warmhalten warm die warmen Speisen. Weiß nicht mehr, ich glaube in München war das.
Die hier musste ich aber erst mal verstehen, was nicht so einfach war, weil die Bedienung kein Englisch sprach und mit Händen und Füßen kommunizierte. Versuch macht kluch. Sie bedeutete mir, dass ich da auf diesem Touchscreen irgendwas bestellen könne, und ich habe das zuerst so verstanden, dass das die Alternative zum Sushi ist, weil ich das aus anderen japanischen Restaurants so kenne, dass man Sushi vom Laufband essen oder was anderes bestellen kann.
Ich habe es dann rausgefunden.
Es gab nur Sushi und das Prinzip der kleinen Tellerchen zu unterschiedlichen Preisen, aber ein beachtliches zweistöckiges System. Unten liefen die Standard-Sushi-Teile und ein paar Werbetafeln für die anderen Dinge im Kreis herum, wie üblich. Nehmen, wenn was vorbeikommt, was einem gefällt. Das obere war aber ein ausgeklügeltes computergesteuertes Individualsystem, an dem jeder Tisch sein „Nebengleis“ hatte. Alles das, was nur auf Bestellung angefertigt wird, konnte man da antippen, und innerhalb von gefühlten 30 bis 90 Sekunden kam das Ding per Einzellieferung aus der Küche angeliefert. Meine Miso-Suppe zum Beispiel, oder die japanischen Omelette-Streifen.
Man sammelte dann die leeren Teller und bezahlte am Ende nach Farben.
Schön. Lecker. Landestypisch. Und ein Höllenlärm, weil alles durcheinander schnattert und klappert, und zwischendurch immer wieder die Kellnerinnen im Chor irgendwas brüllen. Gemütlich ist anders, aber es hat was. Es ist so japanisch.
Wie ich so auf diesem Touchscreen herumtippe, um in den verschdienen (Achtung, doppeldeutig) Menüs rumzusuchen, dachte ich, ich falle vom Stuhl.
In diesem urjapanischen Sushi-Restaurant, das die Kultur Japans repräsentieren soll, kann man als Beilage zu Sushi Pommes Frittes bestellen.
Erinnert mich an einen Chinesen in Deutschland, den ich vor 20 Jahren mal gefragt habe, warum auf seinem chinesischen Buffet auch eine Schüssel Pommes Frittes steht. Weil es nicht anders mehr gehe, sagte er, die Leute verlangten das. Es gäbe Leute, die zum Chinesen gehen, um Pommes zu essen. Manche sogar nur das.
In der Konsequenz dessen habe ich mir zwar keine Pommes, aber als Nachtisch einen Erdbeereisbecher bestellt. Der kam dann ruckzuck auf der Individual-Sushi-Bahn an den Tisch gefahren. Das hatte ich auch noch nie.