Besteckklau
Kaum schreibe ich über den Diebstahl von Besteck und Geschirr an Universitäten, bekomme ich prompt Juristenpost.
Ein Jura-Student erklärt mir die Hintergründe:
Sehr geehrter Herr Danisch,
ich stelle mich einmal kurz vor: Ich bin ein junger Leser, Jurastudent, und habe vor Kurzem Ihren Artikel ,,Besteckschwund“ gelesen. Dazu eine kurze Bemerkung:
Es gibt seit ein paar Monaten den Trend des „despicable/diabolical lick“, natürlich aus den USA, woher sonst. Interpretiert heißt es so viel wie „krasser/cooler Klau“. Schüler und Studenten stehlen Gegenstände aus Schulen und Universitäten, nicht etwa, weil sie es nötig hätten, sondern einfach zum Vergnügen. Das fängt beim Besteck erst an, es wird alles Mögliche gestohlen. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass durch die linke Indoktrinierung mit bedingungslosem Grundeinkommen, Mindestlohn und Reichensteuer gar kein Gefühl und keine Achtung für Eigentum anderer – auch wenn öffentliche Einrichtungen – entsteht. Mein ehemaliger Wirtschaftslehrer hat mir noch erzählt, dass der Sozialismus nicht funktioniere, weil niemand öffentliches Eigentum achte – dass es so extrem sei, hätte ich mir nicht einmal in meinen Träumen vorstellen können.
Mit freundlichen Grüßen
Ah, verstehe.
Die neue linke Überzeugung, dass die Allgemeinheit einen mit allem auszustatten hat, was man braucht, und man sich deshalb einfach irgendwo klauen kann, was man braucht. Es gibt kein Eigentum, jedem gehört alles. Die akademische Kleinvariante vom Black-Lives-Matter-Ladendiebstahl.
Die Lösung wäre Wegwerfgeschirr. Aber das geht ja wegen Plastik und Klima nicht.
Einige fragten schon wegen Pfand für das Geschirr und Besteck, aber das wäre nicht nur einer Gesellschaft unwürdig, weil man damit den Diebstahl zur Normalität erhebt, sondern auch mit großem Aufwand verbunden. Dann nämlich würde nicht nur das Besteck geklaut, sondern auch noch der Automat gehackt. Obwohl man das vielleicht mit der Zahlkarte kombinieren könnte, aber dann eben einen Automaten bräuchte, der erfasst, wer welches Besteck bekommen und zurückgegeben hat.
Man könnte das freilich machen, indem jedes Besteck- und Geschirrteil eine Seriennummer und RFID oder sowas bekommt und das Pfand dann verfällt, wenn die Teile nicht innerhalb einer Stunde nach Ausgabe in der Mensaspülmaschine wieder registriert werden, aber da kämen dann die Datenschützer.
Seltsame Lebensumstände im Sozialismus.
Und da heißt es doch immer, im Sozialismus gäbe es gar keinen Diebstahl.
Und da schreibt mir doch einer über den Besteckklau an DDR-Universitäten:
Hallo Herr Danisch,
die Meldung kann wahr sein, kann aber auch einen ganz anderen Hintergrund haben.
Während meines Studiums (ab 1970) gab es z.B. an der Uni, an der ich eingeschrieben war, einmal ein nahezu gleichlautend beschriebenes Problem mit dem Schwund von Bestecks. Da in der DDR auch die Internate gut überwacht waren, erhoffte man sich sich schnelle Aufklärung, musste aber mangels entsprechender Fundmeldungen aus den Wohnbereichen mit den Verdächtigungen gegenüber den Studenten bald zurückrudern. Die anschließend anders geführten Ermittlungen zeigten schließlich, dass es da einen Abrechnungstrick in der Verwaltung gab, mit dem sich dort jemand unter dem Vorwand einer (nie erfolgten) Neubeschaffung von angeblich geklauten Bestecks ordentlich die Taschen gefüllt hatte.
Mit freundlichen Grüßen
Ich weiß nicht, ob in der DDR Besteck und Geschirr knapp waren oder zu den paar Grundgütern gehörten, die man meistens und billig bekam.
Zumindest kann ich mir vorstellen, dass man in der DDR – aus verschiedenen Gründen – kein Besteck aus der Mensa klaute. Vielleicht wollte man das auch gar nicht haben. Ich war mal in meiner Zeit in Dresden bei einem Kunden in der Betriebskantine, nachdem die gerade in ein anderes, freies, aber altes Gebäude umgezogen waren. Die Wurst war in Ordnung, aber sonst war an dieser Kantine alles irgendwie gruselig und unangenehm, ungemütlich, es roch ganz seltsam. Als ich das mal äußerte, lachten die alle. Die Kantine war noch (15 Jahre nach der Wende) exakt original DDR, einschließlich der Kochrezepte und Reinigungsmittel, die so rochen. So sei es halt gewesen.
Dass die Studenten von heute aber Besteck und Geschirr klauen, und das nicht etwa aus Not, sondern aus Prinzip, auf Empfehlung und aus der antrainierten Erwartungshaltung, von anderen ernährt und mit allem ausgestattet zu werden, das glaube ich sofort.
Ist vielleicht auch ein Aufnahmeritual bei den Sozialwissenschaften, marxistische Gesinnung zu beweisen, indem man sich den Hausstand zusammenklaut und das Essen containert.
Irgendwoher müssen die Parteien, der Bundestag und die Landtage ja auch politisch geeignetes Personal herbekommen.