Ansichten eines Informatikers

Solarzellen und die Erdumlaufbahn

Hadmut
29.11.2021 12:33

Da bin ich dann doch unwirsch geworden. [Nachtrag]

Ich hatte doch gerade erwähnt, dass ich so ein kleines Solarzellenpack zum Zusammenfalten habe, das USB-Ausgänge hat und auf dem als Leistung „28 Watt“ steht. Mal irgendwo günstig für Outdoorangelegenheiten gekauft, bisher nie tatsächlich gebraucht oder benutzt, aber schon mal dabei gehabt. Als ich das Ding gekauft habe, war es Sommer, und das Ding hat ruckzuck Kameraakkus geladen.

Die Tage hatte ich es mal versucht, damit ein Handy zu laden, um zu sehen, ob ich auch in der dunklen Jahreszeit damit im Falle eines Stromausfalles wenigstens das Handy in Gang halten könnte. Vereint immerhin die meisten und wichtigsten Funktionen in einem Gerät. Ging aber nicht. Mehrere Stunden draußen im Freien gehabt, und das Handy (das sich wegen leeren Akkus abgeschaltet hatte) war nicht mal so weit, sich wieder einschalten zu lassen. Beim Einstecken des USB-Kabels hatte es mal kurz seinen Akkustand angezeigt, also durchaus gemerkt, dass eine Stromquelle angeschlossen wurde, aber dann kam nicht genug rüber, um das Ding so weit zu laden, dass es sich wieder einschalten ließ. Was, an einem trüben Tag Ende November, eigentlich auch nicht verwunderlich ist. Woher soll’s denn auch kommen?

Dazu schrieb mir aber ein Leser, anscheinend überzeugter Solarzellenfan:

Hallo Herr Danisch,

m.W. läuft USB auf 5V. Da wären 28W fast 6A – es verwundert etwas, wenn dadurch ein Handy oder Smartphone nicht geladen wird.

Der USB-Ausgang am PC ist auf 500mA begrenzt, liefert also max 2,5W – darüber lässt sich jedes Handy laden. Das Solarpanel aber das 10fache.

Da stimmt also was nicht.

Klingt dann eher nach Stecker- bzw. Kontaktproblemen.

Mal abgesehen von solchen Kleinigkeiten, wie dass die Leistung des Panels vor dem Laderegler auf 5 Volt gilt und USB-Ausgänge schon lange nicht mehr auf 500mA und 2,5 Watt begrenzt sind, sondern verschiedene Arten von Power Delivery haben und je nach Gerät eben auch deutlich mehr liefern, auch mal 3 Ampere oder mit neueren Standards auch höhere Spannungen und bis zu 60 oder 100 Watt Leistung liefern können, viele neuere Handy-Ladegeräte, die mit den Geräten mitgeliefert werden, zwischen 20 und 30 Watt liefern:

Die angegebene Leistung von 28 Watt ist das (meist zudem übertriebene) Maximum, was das Ding bei optimaler, senkrecht auftreffender Sonneneinstrahlung liefern kann. Und damit ist jeweils das Maximum der erdtypischen Sonnenstrahlung gemeint, also auch klare Luft, keine Wolken und sowas. Genauer gesagt: Unter definierten Testbedingungen.

Es muss aber doch jedem schon bei geringfügigem Nachdenken klar sein, dass es im Sommer bei uns mehr Sonneneinstrahlung gibt als im Winter. Deshalb ist es im Sommer auch wärmer als im Winter.

Wir haben zwei, drei Gegebenheiten, die das verursachen:

  • Die Erde dreht sich um die Sonne (ein Jahr) und um sich selbst (ein Tag). Die Eigenrotationsachse ist aber gegenüber der Umlaufbahn gekippt. Je nachdem, wo wir uns auf der Umlaufbahn gerade befinden, ist mal die Nordhalbkugel der Sonne zugeneigt und die Südhalbkugel weggeneigt, mal andersrum. So entstehen die Jahreszeiten, und das ist der Grund, warum die Nordhalbkugel in der Jahresmitte Sommer und die Südhalbkugel Winter hat, und ein halbes Jahr verschoben umgekehrt, weil wir hier eben manchmal zur Sonne hin und manchmal von der Sonne weg gekippt sind. Deshalb bekommen wir mal mehr, mal weniger Sonne ab.
  • Die Umlaufbahn ist kein perfekter Kreis, sondern eine Ellipse. Mal sind wir näher an der Sonne, mal sind wir weiter weg. Das spielt hier allerdings nur eine sehr kleine Rolle, weil die Bahn der Erde nur sehr schwach elliptisch ist, Wikipedia:

    Die große Halbachse a der Erdbahn beträgt 149,598 Millionen Kilometer (eine Astronomische Einheit, AE). Dies ist gleichzeitig der mittlere Abstand zwischen Erde und Sonne, wenn die Mittelwertbildung gleichmäßig entlang der Bahn erfolgt. Im Perihel ist die Erde 147,09 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt, während es im Aphel 152,10 Millionen Kilometer sind. Diese beiden Extremwerte weichen vom Mittelwert nur um 1,67 % ab.

    Kleinvieh macht auch Mist, und für die Solarenergiegewinnung ist das schon ein kleiner, aber messbarer Unterschied.

  • Jahreszeitbedingt kommt es bei uns zu unterschiedlichem Wetter, und gerade in der dunklen Jahreszeit eben oft zu diesigem nebligem Wetter mit hoher Luftfeuchtigkeit und Wolken, die nicht nur sehr viel Licht abhalten, sondern es auch diffus machen, so dass es nicht mehr senkrecht auf die Solarzelle treffen kann, sondern von allen Seiten. Merkt man beim Skifahren, wenn man plötzlich Sonnenbrand unter dem Kinn hat, wozu man aber schon auf einiger Höhe sein muss.

    Als ich den besagten Test gemacht habe, war das Wetter so diesig, dass ich die Sonne nicht ausmachen konnte. Ich konnte nicht sehen, wo die Sonne ist, nicht mal die Uhrzeit schätzen, weil der Himmel wolkenverhangen war und alles einheitlich grau aussah. Kennt man auch vom Skifahren von den Tagen, an denen man den Schnee- und Bodenverlauf nicht mehr erkennen kann, weil ohne Schattenwurf alles nur noch einheitlich weiß aussieht und man fast blind und eher tastend fährt.

  • Wir liegen hier außerhalb der Wendekreise, ich hier in Berlin sogar etwas nördlich des 50. Breitengrades. Wir haben hier nie die volle, senkrechte Sonneneinstrahlung und sind im Winter besonders benachteiligt, geradezu diskriminiert.

Ich habe die Solarzellen also unter den fast schlechtest möglichen Bedingungen betrieben, aber genau das war ja die Absicht, den Worst Case zu testen.

Jetzt mal im Ernst:

Wo sollen die 28 Watt bei diesem Wetter denn herkommen?

Das Ding liefert doch nicht aus dem Nichts einfach deshalb 28 Watt Strom ab, weil irgendwer da „28 Watt“ draufgedruckt hat. Ich kann ja auch nicht eine leere Pappschachtel nehmen, 3000 Watt draufschreiben und dann meinen Herd damit betreiben.

Das ist doch kein perpetuum mobile, das Strom scheißt wie der deutsche Steuerzahler das Geld.

Das Ding kann doch nur – und das noch mit lausigem Wirkungsgrad – Energie, die als Licht eintrifft, in Strom umwandeln, also muss da auf die relativ kleine Fläche sehr viel mehr als 28 Watt Sonnenenergie auftreffen. Und wenn es das täte, dann würde es draußen ja warm, wie im Sommer, und nicht kalt.

Man kann doch nicht glauben, dass eine Solarzelle das Jahr über immer dieselbe und die Maximalleistung abgibt. Warum sollte sie dann überhaupt „Solarzelle“ heißen, wenn sie nicht von der Sonneneinstrahlung abhängt? Und wo soll die Energie herkommen?

Man findet im Web und in den Social Media unzählige Darstellungen, wie sich der Ertrag aus Solarenergie über das Jahr verteilt, ich nehme mal einen aus der Wikipedia her, der an einer bestimmten Solaranlage gemessen wurde:

Da läuft in November und Dezember fast nichts, und das ist dann noch der Monatsdurchschnitt, also auch ein paar klare Tage mit dabei. Schlechte Tage liegen dann noch weit darunter.

Wie kann man da glauben, dass eine Solarzelle unter diesen Bedingungen ihren Maximalwert oder auch nur irgendwas in nennenswerter Nähe davon liefern könnte?

Dazu kommt dann noch die Elektrophysik. Denn man kann (ich habe das auch noch an separaten Bastelsolarzellen gemessen) schon mit verdammt wenig Licht dafür sorgen, dass an einer 6-Volt-Zelle mit dem Multimeter gemessen 5 bis 6 Volt anliegen. Da reicht schon meine LED-Schreibtischfunzel. Nur bricht die Spannung bei der geringsten Belastung sofort ein. Man nennt das „hoher Innenwiderstand“, auf deutsch: Da ist keine Leistung dahinter. Handys, vor allem moderne Handys mit Laderegler, können aber nicht beliebig schwache Leistungen aufnehmen und dann proportional eben länger Zeit benötigen, sondern die brauchen eine gewisse Mindestleistung, um überhaupt laden zu können, weil sie bei einem gewissen Mindeststrom trotzdem noch eine gewisse Mindestspannung brauchen. Ich habe einige Geräte, die sich an einem altmodischen Standard-USB-Anschluss nicht laden lassen, weil die dann genau 5 Volt oder sogar noch etwas darunter (so 4,97 oder sowas) haben, und denen das nicht reicht. Viele neuere USB-Netzgeräte haben selbst dann, wenn sie doofe Standard-USB-2.0-Ladegeräte ohne Power-Delivery, Quick-Charge und sowas sind, inzwischen Spannungen von 5,2 Volt, um Leitungsverluste über die Kabel auszugleichen. Die Gleichung weniger Licht = dann dauert’s halt länger stimmt also auch nicht.

Dazu kommt, dass neuere Geräte den verfügbaren Strom gerne noch über USB-3.0 digital aushandeln, aber das hat mit Solarzellen dann nichts mehr zu tun, sondern mit deren Laderegler.

Ich habe den Eindruck, als ob da eine ziemliche – von den Grünen verursachte oder zumindest ausgenutzte – Naivität und Physikblindheit herrscht, die die Leute glauben macht, man müsste sich nur Solarzellen oder Windkraftanlagen aufstellen und die aufgedruckte maximale Leistung zusammenaddieren, und dann wäre die Energieversorgung schon erledigt.

So nach dem Motto „bei uns kommt der Strom aus der Steckdose“, und das Solarding hat doch schließlich eine USB-Steckdose mit Leistungsangabe.

Ich finde diese Realitätsferne immer sehr befremdlich.

Ich werde allerdings, worauf auch einige Leser hinwiesen, nochmal andere Geräte ausprobieren, auch moderne Powerbanks, ob die damit besser klarkommen.

Nachtrag:

Heute ist es draußen etwas heller, und die Spannung reicht, dass nicht nur das Solarladegerät seine LED rot leuchten lässt, sondern auch manche der Powerbanks, die ich habe, daran anfingen, anzuzeigen, dass sie geladen werden. Wie stark die Ladeleistung tatsächlich ist, sagen die aber nicht.

Ich habe verschiedene USB-Strommessgeräte dazwischengehängt, und die schaffen es nicht mal, ihre Anzeige durchgehend eingeschaltet zu halten. Eines, das nur die Leistung mit einer Stelle hinter dem Komma anzeigt, bleibt, wenn es überhaupt mal etwas anzeigt, bei “0,0 Watt”. Ein anders, das Strom und Spannung getrennt anzeigt, zeigt Spannungen zwischen 4,9 und 5 Volt an, und kann sich beim Strom nicht zwischen 0,00, 0,01 und 0,02 Ampere entscheiden. Was also nur in den Spitzen auf 5*0,02 gerade so 0,1 Watt hinausliefe, und damit konsistent wäre, dass das andere Messgerät nur “0,0 Watt” anzeigt und sich nicht zu 0,1 bewegen lässt.

Geht man davon aus, dass ein Handy-Akku 5000 mAh und selbst die kleinsten Powerbanks meist mindestens 10.000 mAh haben, bräuchte man also bei 0,01 Ampere Ladestrom grob geschätzt 1000 Stunden (was aber falsch ist, weil nicht nur der Wirkungsgrad noch berücksichtigt werden muss, sondern sich die angegebene Kapazität meist auf die LiIon-Zellenspannung bezieht und die vorher noch durch Vorschaltelektronik rauf- oder runtertransformiert wird). Das dauert dann eine Weile, bis der Akku geladen ist.

Offenbar ist zwar – wie auch mit dem Messgerät an der Bastelzelle gemessen – zwar Spannung da, die auch erkannt wird, aber sofort einbricht, wenn auch nur eine Winzigkeit Strom gezogen wird.

Eine dieser Powerbanks hat sogar selbst eine eingebaute Solarzelle, was aber eher ein Marketing-Gag ist, weil das Ding schon eine Woche in der prallen Sonne liegen müsste, um sich mit dem kleinen Ding einmal voll zu laden. Und die zeigt nicht mal an, Sonne überhaupt zu erkennen.