Neulich im Rechenzentrum
Leser fragen – Danisch antwortet.
Ein Leser fragt an, ob mir sowas in meinem IT-Leben schon mal über den Weg gelaufen wäre:
hmmm pic.twitter.com/77zxkUHl5U
— Hmmm Bot (@hmmm_bot) December 1, 2021
Ähm … *nachdenk* … Nein.
Zumindest nicht in Rechenzentren.
Im Laufe der letzten 30 Jahre Berufsleben hatte ich zwar schon zwei, drei wirklich gut aussehende Kolleginnen, aber die waren immer mehr so IT-mäßig angezogen, zumindest dienstlich. Wobei mir mal eine ziemlich verdammt sehr gut aussehende Kollegin des Abends plötzlich in einem Sportdress entgegen kam, bei dem einem sofort im doppelten Sinne klar wurde, dass sie kein Gramm zuviel drauf hatte: Kein Gramm Fett und kein Gramm Textil zuviel. Wobei letzteres erlaubte, sich von ersterem zu überzeugen, und ersteres erlaubte, sich an letzterem zu erfreuen. Muss wohl entsprechend geguckt haben, weil sie süffisant grinsend erläuterte, dass sie grundsätzlich abends joggen geht, und weil sie heute aus dienstlichen Gründen eine Wartungsnachtsitzung machen und sie nicht nach Hause kommt, sie ausnahmsweise mal von der Firma aus joggen gehe und sich gerade umgezogen habe. Viel war es nicht, was sie anhatte. Sagen wir es so: Mit einer heute üblichen Atemmaske wäre ihre Bekleidungsfläche erheblich angestiegen. Und da sie mir im Gang entgegenkam, könnte ich also durchaus sagen: Ja, einmal ist mir sowas also tatsächlich mal dienstlich über den Weg gelaufen.
Aber nicht in Rechenzentren.
Mal abgesehen davon, dass es eine ziemlich schlechte Idee wäre, auf den Doppelböden mit ihren Rillen und Durchlässen mit Stöckelschuhen rumzulaufen (sowohl für die Schuhe, als auch für den Boden), und die vorne da nicht mal richtig auf dem Stuhl, dafür aber ungefähr so an der Tastatur sitzt, wie die Tussi auf dem berühmte Frauen-in-Tech-Werbefoto, die den Lötkolben am heißen Ende hält und völlig unmotiviert und unsinnig mitten in ein Mainboard drückt, ist das auch schon aus thermischen Gründen sehr unsinnig.
Auch wenn ich zugegebenermaßen sagen muss, dass das da nach Rechenanlagen der siebziger oder frühen achtziger Jahre aussieht (obwohl ich als Admin an der Uni auch noch solche großen Bandlaufwerke verwendet und die Ergebnisse auf Endlospapier gelesen habe), und ich nicht weiß, wie stark damals die Abwärme pro Quadratmeter war und ob Rechenzentren damals schon gekühlt waren: Zumindest in meiner Berufszeit waren Rechenzentren klimatisiert und es deshalb ausgeschlossen, dass man in dieser Bekleidung freiwillig und dann auch noch so entspannt da rumgestanden hätte.
Rechenzentren sind nämlich nicht dazu gemacht, dass man sich da drin wohlfühlt und verweilt. Da läuft es einem im wörtlichen Sinne „kalt den Rücken runter“, weil die Klimaanlagen von oben jede Menge kalter Luft in den Raum pumpen. Ich hatte in den 2000er Jahren oft in Rechenzentren zu tun, das auch ab und zu mal länger, und mir damals deshalb extra drei Bauarbeiterjacken gekauft, also diese seltsamen, einerseits ärmellosen, andererseits dick gefütterten Westen mit hohem Kragen, weil mir das so auf die Nerven und Gesundheit ging, wenn man da irgendwo saß, irgendwas machen musste und einem ständig so richtig kalte Luft von oben auf den Rücken fiel. Vor allem im Sommer, wenn man selbst eher dünn angezogen ist und keinen dicken Pulli oder sowas drüber hat, ist das dann sehr eklig, unangenehm und krankmeldungsträchtig, wenn man in den kaltluftzugigen Rechenzentren rumwuseln muss. Deshalb hatte ich immer eine der Jacken im Dienstwagen, um sie griffbereit zu haben. Die Jacken habe ich heute noch im Schrank, aber seither keine Verwendung mehr dafür gefunden (gefütterte warme Jacke ohne Ärmel…). Keine zehn Pferde hätte mich in der Badehose in ein Rechenzentrum gebracht.
Außerdem ist es in Rechenzentren normalerweise höllisch laut, weil die vielen Lüfter in den Servern laufen, zusätzlich zur Klimaanlage.
Man hält sich eigentlich nicht in Rechenzentren auf, nicht länger als nötig. Gibt ja auch noch die sauerstoffreduzierten (Brandschutz), da bleibt man sowieso nicht gerne drin. Ich war mal in einem. Ich habe da nicht viel gemerkt, aber manche Leute bekommen da ziemlich schnell Kopfschmerzen, und man darf auch nicht alleine rein, weil man da drin umkippen kann.
Kurz gesagt, ein Rechenzentrum ist kein Platz, an dem man sich gerne aufhält. Jedenfalls nicht seit den späten achtziger, den neunziger Jahren. Deshalb hat man ja den ganzen Fernsteuerkram wie KVM-Server (keyboard, video, mouse) und virtuelle Konsolen erfunden, damit man den ganzen administrativen Kram aus dem normalen Büro erledigen kann.
Allerdings kann ich jetzt nicht sagen, wie sich das zu der Zeit verhielt, als die Rechner auf diesem Bild in Mode waren.
Die Lösung
Man denkt sich ja bei sowas, wer macht denn solche Fotos. Sieht nach dem Filmstil der 70er und 80er Jahre aus. In Baywatch sind die ja so rumgelaufen, und nicht nur ich dachte bei der Frisur an Farah Fawcett, auch in den Kommentaren auf Twitter schrieb einer, dass ihn das an den Film Logan’s Run erinnert. (Guter Film, übrigens, bald sind wir ja an dem Punkt angekommen.)
Sucht man aber per Google danach, wo das Foto herkommt, findet man heraus, dass das Bild eigentlich einen vernünftigen und plausiblen Hintergrund hat. Es war nämlich ein Werbefoto eines Herstellers für Rechenzentrumsklimaanlagen (!), der das als Kampagne verwendete, dass wenn es im Serverraum zu warm wird, sich vielleicht die Mitarbeiter an die hohen Temperaturen anpassen können, nicht aber die Maschinen, und man sich deshalb ihre Klimaanlage kaufen soll.
Es ist also gar kein dummes oder naives Bild von jemandem, der nicht weiß, wie es in Rechenzentren zugeht, sondern im Gegenteil eines von denen, die das ganz genau wissen, und das als Kampagne einsetzten, um den Leuten klarzumachen, dass sie mal drüber nachdenken sollen, was sie eigentlich machen, wenn das Rechenzentrum überhitzt.
Also nicht naiv und doof, wie es wirkt, wenn man nur das Bild sieht, sondern im Gegenteil eine sehr sachkundige und pfiffige Werbekampagne für Rechenzentrumsklimaanlagen.