Das korrupte Bundesverfassungsgericht
Nicht mehr ganz neue Erkenntnisse zum Abendessen.
Es gab ja dieses dubiose Abendessen der Verfassungsrichter bei Merkel im Kanzleramt.
Bisher ist man ja immer davon ausgegangen, dass Merkel da die Richter beeinflusst hat oder es zumindest wollte. Nach dem, was die WELT – eigentlich schon im Oktober – in zwei Artikeln schrieb, nämlich diesem und diesem, war es aber umgekehrt.
Dann aber, knapp vier Wochen vor dem Treffen, flatterte eine Nachricht aus Karlsruhe ins Kanzleramt, vom Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) persönlich: Stephan Harbarth bat darum, das Abendprogramm umzustellen. Es solle um das Zusammenspiel von EU- und deutschem Recht gehen. Und um „Entscheidung unter Unsicherheiten“. Inmitten der Pandemie musste Harbarth klar sein, auf welches konkrete Thema sein abstrakt klingender Wunsch bezogen werden musste: den Umgang mit Covid-19. So verstand es auch das Kanzleramt. Mehr dazu später.
Die Bitte Harbarths geht aus internen Schreiben aus dem Kanzleramt hervor, die WELT AM SONNTAG vorliegen. Sie zeigen, dass es Deutschlands oberster Richter selbst war, der den Wunsch hegte, sich mit Kanzlerin und Ministern über dieses Thema auszutauschen – und das, obwohl Hunderte Verfassungsbeschwerden gegen eben die Corona-Politik der Regierung anhängig waren.
Nun hatte ich ja schon beschrieben, dass das Bundesverfassungsgericht sich gerne die Beschwerden vom Freundeskreis der Richter nach Bedarf schreiben und mit gecasteten Beschwerdeführerdarstellern besetzen lässt, um nach Lust und Laune und außerdemokratisch Politik machen zu können. Was im Ergebnis ein Demokratieputsch ist, weil es die Parteien sind, die das Bundesverfassungsgericht korrupt besetzen und auf diese Weise ihre Politziele jeder demokratischen Kontrolle entziehen.
Wenn Beschwerden kommen, die ihnen – oder ihren Parteien – nicht passen, landen die einfach im Mülleimer. Wie meine.
Ist die Sache aber so groß, dass sie es sich nicht leisten können, das Ding wegzuwerfen, dann machen sie wohl dasselbe, nur umgekehrt, und besprechen sich mit den Beschwerdegegnern.
Seit Ende September muss sich Karlsruhe wegen des Dinners mit einem Befangenheitsantrag gegen Harbarth und seine Richterkollegin Susanne Baer befassen. Der Antrag stammt vom Berliner Rechtsanwalt Niko Härting, der ihn für einen seiner gegen die „Bundesnotbremse“ klagenden Mandanten einreichte. Dass es der oberste Wächter der Verfassungsrichter selbst war, der eine Themenänderung wollte, wirft ein neues Licht auf die Angelegenheit. […]
Kann es sein, dass Harbarth an diesem Abend weniger das Grundgesetz im Auge hatte, dafür mehr die Anliegen seiner ehemaligen Chefin? „Zur Vorbereitung auf den Abend nordete Harbarth Merkel und ihre Minister ein, wie sie an diesem Abend argumentieren sollten“, kritisiert der Kölner Rechtsanwalt Claus Schmitz. Schmitz hatte 2020 Verfassungsbeschwerde gegen Harbarths Ernennung eingereicht und seine Unabhängigkeit infrage gestellt.
Der Satz ist mir nicht ganz klar. Wie sie an diesem Abend argumentieren sollten? Oder im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht?
Offenbar gab Harbarth die Fragen vor, die in den Vorträgen beim Abendessen behandelt werden sollten: „Welche Beurteilungsspielräume verbleiben den Gewalten bei tatsächlichen Unklarheiten? Wie viel Überprüfbarkeit verbleibt dem BVerfG? Wie kann Sicherheit gewonnen werden? Welche Evaluierungspflichten sind dabei zu berücksichtigen?“
Obwohl Corona von ihm nicht erwähnt wurde, erkannte man im Kanzleramt die Brisanz: Die Themen seien grundsätzlich für die Diskussion geeignet, heißt es in einem Vermerk. Der Bitte aus Karlsruhe könne daher entsprochen werden. „Allerdings berühren beide Themen auch aktuelle Streitpunkte (Vertragsverletzungsverfahren nach PSPP-Urteil; laufende Eilanträge gegen die Corona-Notbremse)“. „Dieser Hinweis ist bemerkenswert“, urteilt Strate, „obwohl das Bundeskanzleramt ein mulmiges Gefühl hat, dass die Sache zu weit geht, weil laufende Verfahren betroffen sind, werden die Reden trotzdem gehalten.“
Es war also nicht, wie man eigentlich dachte, das Kanzleramt, das dem Bundesverfassungsgericht seine Inhalte diktieren wollte wie dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, sondern umgekehrt die Verfassungsrichter, die die Regierung brieften, wie sie sich zu verhalten und äußern hatten, damit man urteilen kann, wie man wollte.
Und weiter: Eine „gute Faustformel“ bei einer „Entscheidung, die man guten Gewissens so oder so entscheiden kann, innerhalb der Leitplanken unserer verfassungsrechtlichen Werteordnung, sollte nicht durch das Bundesverfassungsgericht getroffen werden, sondern durch Politiker, die von den Wählerinnen und Wählern zur Rechenschaft gezogen werden können.“
Das ist ja drollig. Das ist verblüffend nahe an der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts zum Prüfungsrecht für berufsbezogene Hochschulprüfungen von 1991. Darin nämlich sagten sie, dass die Anforderungen und Maßstäbe in berufsbezogenen Prüfungen der gesetzlichen Grundlage bedürfen, dass nämlich die gewählten Politiker diese machen und verantworten müssen, damit der Wähler Einfluss hat. Unter anderem darauf hatte ich meine Verfassungsbeschwerde im Promotionsverfahren gestützt, weil das auf völlige Professorenwillkür hinauslief, und wollte genau das durchsetzen. Eigentlich war das ja schon entschieden worden. Nur passte das der Genderprofessorin und Verfassungsrichterin Baer nicht, weil die für Gender Studies und Frauenförderung die Professorenwillkür und massiv unterschiedliche Anforderungen und Maßstäbe brauchte und die Gender Studies damals noch im Verfahren der Unterwanderung des Staates waren (finanziert von Ursula von der Leyen).
Und jetzt kommen die Verfassungsrichter, darunter Baer, zu Merkel zum Abendessen und meinen, dass innerhalb der Leitplanken unserer verfassungsrechtlichen Werteordnung die Politiker entscheiden sollten, die vom Wähler zur Rechenschaft gezogen werden können? Leider ist der Text da etwas ungenau und mehrdeutig, es geht nicht eindeutig hervor, von wemm diese Faustformel-Formulierung kommt. Aber anscheinend von Harbarth.
Herrje, sind diese Leute so verlogen.
Beim Dinner hielt auch Verfassungsrichterin Susanne Baer eine Rede; zum Inhalt äußern sich weder Gericht noch Kanzleramt.
Um den Austausch von Kochrezepten wird es nicht gegangen sein.