Ansichten eines Informatikers

Mark Benecke über Pfusch in Doktorarbeiten

Hadmut
11.12.2021 14:21

Sehr sehenswertes Viertelstünder-Video von Kriminalbiologe Mark Benecke vom Mai 2021 über Pfusch in Doktorarbeiten und Verschenken von Doktorgraden, allerdings auf Facebook.

Völlig richtig, was der da sagt, vor allem zum Unterschied zwischen Naturwissenschaften und dem Rest der akademischen Welt. Und dass viele froh sind, dass der Schwindel endlich mal aufgeflogen ist. Dass in der Medizin manche den Doktor sowieso verschenken wollen, dass man ihn auch schon oft für Geld und fette Buffets vergeben hat, und vieles nicht nachprüfbar ist. Oder dass viele Doktorarbeiten von Ghostwritern geschrieben werden.

Völlig richtig, und gut, dass er es sagt.

Eine Sache stellt der sich aber auch viel zu leicht vor. Er empfiehlt, es nicht einfach zu glauben, wenn einer auf Doktor macht, sondern einfach mal zu sagen „Zeig mir mal Deine Doktorarbeit“ und sie sich anzuschauen.

Auch damit hat er in der Sache und wissenschaftlich völlig recht. Nur läuft das halt praktisch und juristisch nicht so. Weil man nämlich keinen Anspruch darauf hat, die Dissertation von jemand anderem einzusehen. Der muss sie zwar nach den meisten Statuten irgendwann mal veröffentlicht haben, aber dann ist die Sache erledigt. Es heißt nicht, dass die Dissertation noch verfügbar sein muss, dass sie zugänglich sein muss, dass er sagen muss, von welcher Uni das ist und wo sie veröffentlicht wurde. Kein Doktor ist nach deutschem Recht gezwungen, die Frage zu beantworten, wo und worüber er promoviert hat, oder wie der Titel der Dissertation lautet. Es ist manchmal überaus schwer, Dissertationen überhaupt zu finden. Ich hatte mal einen Fall, wo ich die Dissertation nur noch in München auf Microfiche bekommen habe, sie hatten dort aber keine Lesegeräte mehr. Glücklicherweise bin ich damals noch zwischen München und Karlsruhe gependelt, denn in Karlsruhe hatten sie zwar die Dissertation nicht, aber noch Microfiche-Lesegeräte – sogar mit Scanner auf USB-Stick.

Ich hatte auch zwei, drei Fälle, in denen die Leute mit Doktor rumliefen (teils mit „Dr. des.“ und schon Professur) und die Dissertation noch gar nicht veröffentlicht war, erst rauskam, als ich danach gefragt hatte und die Fakultät meinte, sie hätte das noch gar nicht bemerkt.

Und es gab Dissertationen, die als solche nicht erkennbar waren, die unter anderem Titel in einem anderen Fach und ohne jeden Hinweis darauf, dass es sich um eine Dissertation handelte, ganz versteckt veröffentlicht wurden, teils sogar unter anderem Namen, wenn die dann geheiratet und den Nachnamen gewechselt haben, oder mal unter ihrem langen Vornamen und mal unter ihrem politischen Kampfnamen auftreten. Die werden oft so getarnt und heimlich alibiveröffentlicht, dass man sie nicht findet. Oder nur eine Chance hat, wenn man in der Nähe einer Landesbibliothek wohnt. Oder ein Exemplar dann 120 Euro kostet.

Oder wenn er meint, man solle jemanden fragen, der sich damit auskennt, was er davon hält.

Vielleicht läuft das in der Medizin so.

Aber in der Informatik zum Beispiel nicht. Die ist nicht nur fachlich viel zu zerklüftet, um zu jedem Thema jemanden finden zu können, sondern auch voller Tretminen und korrupt bis zum Anschlag. Da wird lieber fachlich gelogen als einem Kollegen ans Bein zu treten. Da findet man schlicht in vielen Bereichen niemanden, dem man da überhaupt trauen könnte. Auch, weil jeder, der den Mund aufmacht, dann der Rache der anderen ausgesetzt ist und vernichtet wird. Wie bei der Mafia: Wer redet, stirbt.

Und in Geisteswissenschaften gibt es diese Unterscheidung in taugt/taugt nicht ja ohnehin nicht. Die sind ja der Überzeugung, dass ohnehin jeder einfach behaupten kann, was er gerade will, und nur der Unterhaltungswert und die gedrechselte Sprache oder umgekehrt die Verpanzerung gegen jedes Lesen durch unverständliche Sprache zählen. Da geht das gar nicht, dass man jemanden fragt, ob die Arbeit was taugt, weil bei denen keinerlei Tauglichkeitsmetrik, kein Maßstab existiert und akzeptiert wird. Da ist die Untauglichkeit höchstes Ziel.

Und an zwei, drei Flanken ist er da auch zu naiv. Zu wissenschaftsromantisch.

Was er über Wissenschaft sagt, ist völlig richtig.

Er äußert auch Verständnis darüber, dass jemand eine Dissertation kauft, weil er die Zeit nicht hat, oder man sie ihm quasi schenkt, weil er schon 80 Stunden die Woche im Krankenhaus schuftet, und sagt, dass bei ihm das Verständnis aufhört, wenn dann einer so tut, als habe er das geschrieben. Da bin ich gänzlich anderer Meinung, weil hier bei Benecke der Aspekt des Bekanntwerdens im Vordergrund steht, und bei ihm gar nicht erwähnt wird, dass es sich bei der Promotion eigentlich um eine Prüfung, um einen Leistungsnachweis handelt. Das ist so typisch elfenbeinig, dass der das aus einer zwar an sich wissenschaftlich richtigen, aber eben doch romantisch-tunnelblickigen Sicht betrachtet, und das bei ihm überhaupt nicht vorkommt, dass das nicht einfach nur ein Aufnahmeritual ist, sondern eine Prüfung und damit Prüfungsbetrug, durch den Prüfling oder den Prüfer, oft beide.

Das ist der eine Punkt. Er hat nicht richtig gemerkt, dass das eine hoheitliche Prüfung und kein Wissenschaftsgesellschaftritual ist.

Der andere Punkt ist, dass er nicht merkt, was da abläuft.

Er betrachtet das so, als wären Pfuschpromotionen eine Folge von Arbeitsüberlastung oder Charakterschwäche, Eitelkeit, weil er eben aus dem medizinischen Umfeld kommt und das bei Medizinern, beim Dr. med., eben auch so ist.

Was er aber nicht merkt, ist, dass hinter dem Promotionspfusch massive politische Ziele stehen, dass die Entkopplung von solchen Leistungsnachweisen und Rangordnungen von Leistung, Können, Wissen politisch betrieben wird, und viele Leute ganz bewusst und absichtlich Fake-Promotionen betreiben, um ihre Vorstellungen von Gesellschaft, Quoten, Feminismus, Inklusivität, Teilhabe durchzusetzen und den dem weißen Mann als Ausgrenzungsstrategie zugeschriebenen Qualitätszirkus „dekonstruieren“ wollen.

Beispielsweise unter der Behauptung, dass weißen Männern das eben Spaß macht, sich die Nächte in den Laboren um die Ohren zu schlagen, während Frauen die Work-Life-Balance brauchten, und deshalb jedes Leistungsmaß immer frauenbenachteiligend wäre.

Oder generell „quality is a myth“, nur von Männern als Werkzeug der Ausgrenzung erfunden. Wo man Professuren und politische Ämter systematisch und aus Prinzip mit Qualifikationslosen besetzt.

Oder das ganze Quotengedöns, wo von vornherein festgelegt ist, welcher Anteil der Doktorgrade an Frauen gehen muss und die Fakultäten deshalb Doktorgrade an Frauen verschenken müssen, um noch Männer promovieren zu können.

Oder das ganze Gleichheits- und Teilhabegeschwurbel.

Oder die Korruption, dass es Forschungsgelder nur gibt, wenn Frauen beteiligt werden, oder Professuren nur an Frauen vergeben werden.

Dass die Juristen, besonders als Prüfer und als Richter, gerade das ganze Staats- und Verfassungsgefüge zertrümmern.

Oder man ja gerade an den USA sieht, wie man dort Mathematik bekämpft und niedermacht, weil sie in richtig und falsch unterscheidet oder weil Schwarze dort schlechter abschneiden als Weiße und Gelbe, und man Mathematik schon deshalb als rassistisch ablehnt. Dass „Wissenschaft“ und „Bildung“ nur noch das sein darf, wo Schwarze zumindest nicht schlechter abschneiden. Algebra tanzen.

Oder als dritten Punkt, dass die Universitäten marxistisch unterwandert werden, und Marxismus und Wissenschaft im Wesentlichen unvereinbar sind und Marxisten das nicht dulden.

Wissenschaftlich und romantisch ist das völlig richtig, was er da sagt.

Aber das ist bei vielen im Elfenbeinturm noch nicht angekommen, woher der Angriff kommt – oder dass es überhaupt ein Angriff ist. Die sehen sowas immer noch als akademischen Betriebsunfall an.