Kognitive Dissonanzen
Ein Psychologe schreibt mir zu meinen drei Steckenpferden, dass diese Konfabulationen ihren Hintergrund im individuellen Umgang mit „kognitiven Dissonanzen“ haben.
Zur Erläuterung aus der Wikipedia:
Kognitive Dissonanz bezeichnet in der Sozialpsychologie einen als unangenehm empfundenen Gefühlszustand, der dadurch entsteht, dass ein Mensch unvereinbare Kognitionen hat (Wahrnehmungen, Gedanken, Meinungen, Einstellungen, Wünsche oder Absichten). Kognitionen sind mentale Ereignisse, die mit einer Bewertung verbunden sind. Zwischen diesen Kognitionen können Konflikte („Dissonanzen“) entstehen. […]
Kognitive Dissonanz tritt unter anderem auf,
- wenn man eine Entscheidung getroffen hat, obwohl die Alternativen ebenfalls attraktiv waren;
- wenn man eine Entscheidung getroffen hat, die sich anschließend als Fehlentscheidung erweist;
- wenn man gewahr wird, dass eine begonnene Sache anstrengender oder unangenehmer wird als erwartet;
- wenn man große Anstrengungen auf sich genommen hat, nur um dann festzustellen, dass das Ergebnis den Erwartungen nicht gerecht wird;
- wenn man sich konträr zu seinen Überzeugungen verhält, ohne dass es dafür eine externe Rechtfertigung (Nutzen/Belohnung oder Kosten/Bestrafung) gibt.
[…]
Vier Schritte müssen durchlaufen werden, damit kognitive Dissonanz entsteht:
- Verhalten und Einstellung werden als widersprüchlich empfunden;
- das Verhalten geschah freiwillig;
- physische Erregung tritt ein;
- das Verhalten wird für die Erregung verantwortlich gemacht.
Würde darauf hindeuten, dass die kognitive Dissonanz mit dem „schlechten Gewissen“ verwandt ist, bei dem ich ja vermutete, dass es der Eingriff unbewusster Verhaltensregeln in das bewusste (oder anderweitig gesteuerte) Verhalten ist.
Man könnte nun überlegen, ob eine kognitive Dissonanz daraus entsteht, dass man sich jemandem gegenüber, der von der Amygdala als feindlich markiert wurde, feindlich, dreckig, asozial verhalten hat, weil man ihn ja bekämpfen muss.
Dann könnten die Konfabulation oder die doppelten Maßstäbe zu einer Art Schmierstoff werden, um eine pseudorationale Eigenrechtfertigung zu basteln, die das wieder beruhigt. So wie man sich ja manchmal irgendeinen Vorteil ausdenkt oder einredet, um guten Gewissens etwas zu tun, was einem der Verstand eigentlich verbietet. Eigentlich so, als ob man ertappt worden ist und schnell eine glaubwürdige Lüge zusammenzimmern muss, aber selbst derjenige ist, der einen ertappt hat, und man sich selbst belügt. So hirnintern die eine Abteilung die andere anlügt.
Ein anderer Leser:
Wenn ich aus meiner eigenen Lebenserfahrung berichten darf, dann ist diese doppelte Buchführung die Regel, und der Versuch, das Verhalten von anderen Menschen und das eigene Verhalten nach möglichst objektiv zu beurteilen, eine eher seltene Ausnahme.
Die heutigen Beschäftigten in den Medien sagen doch selber, dass es ihnen nur auf die richtige Haltung ankommt, nicht etwa darauf, sauber zu recherchieren und die Themenkomplexe der Zeit so aufzubereiten, dass jemand wie ich gerne ins Portemonnaie greift und das liest, weil mir der Journalist die Arbeit abgenommen hat, mich aus Primärquellen zu unterrichten.
Ist also die Haltung im Haltungsjournalismus so eine Art Selbstausrede?
So nach der Denkweise Eigentlich ist das ja eine journalistische Sauerei, was ich da gerade mache, aber das ist eben meine Haltung, ich bin so gerecht.
Haltung als Eigensuggestion, um das moralisch eigentlich Verwerfliche tun zu können?