Ansichten eines Informatikers

Turkmenische Dograma-Suppe

Hadmut
26.12.2021 19:18

Worüber bloggt man, wenn man sich fest vorgenommen hat, mal für zwei Tage Weihnachten den Polit-Mist wegzulassen, das Blog aber auch nicht verwaist lassen will?

Ich hätte da noch was.

Ich war doch neulich auf der Expo 2020. Ich hätte da noch was zu erzählen.

Direkt neben dem russischen (das bunte Spaghetti-Monster am rechten Bildrand) stand ein Brunnen mit doch arg kitschig geratenen Pferden vor einem Pavillon mit hölzerner Pferdekopffront: Turkmenistan.

Drinnen war ich dann ziemlich überrascht. Denn nachdem die draußen so schwülstig losgelegt hatten, hätte ich drinnen eher so eine sozialistische oder prunkislamische Kitschausstellung erwartet, fand aber das Gegenteil vor: Bildschirme mit – allerdings auch etwas zu stark aus dem Farbenkasten gegriffenen – Welcome-To-Videos und dann eine riesige, turnhallengroße Halle, in der außer ein bisschen kerzenähnlicher Leuchtverzierung auf dem Boden in der Mitte und Zierlampen an der Decke einfach gar nichts war. Nur weiße Wände, weißer Boden, und an die Decke montierte Beamer, die – sehr sauber justiert, nur sehr schwer möglich, die Schnittstellen zwischen den Projektorflächen zu entdecken – eine Multimediashow rundum an die Wände und auf den Boden projizierten.




Derselbe Raum, ein paar Sekunden später, die Beamer zeigen einfach andere Bilder.

Das wäre sehr beeindruckend gewesen, wenn nicht gar so viele Pavillons einfach nur leere Räume, leere Wände, riesige Hallen mit Multimediaprojektionen gezeigt hätten. Eigentlich ist das zwar toll, und hat für den Massenbetrieb auch den Vorteil, dass man die Besuchermassen exakt steuern und takten kann, denn wenn die Show vorbei ist, gibt es nichts mehr zu sehen und man geht praktisch zwangsläufig weiter, die Verweildauer ist also exakt vorgegeben. Das ist mir auf der Expo immer wieder aufgefallen, wie man mit Multimediatechnik (auch oft: Man muss erst in ein kleines Kino für einen Begrüßungsfilm, das damit durch die Dauer des Filmes und die Zahl der Sitzplätze ganz präzise limitiert, wieviele Menschen pro Zeiteinheit durch den Pavillon dürfen und in welchem Rhythmus sie reingepumpt werden). Sie könnten im Prinzip bei jedem Durchlauf ein anderes Land vorstellen, weil alles, was man innen sieht, damit völlig austauschbar ist. Anderer Film – anderes Land.

Ich finde es etwas unpersönlich in Bezug auf das Land. Mehr als eine große Projektion ist es nicht. Wenn man sich dagegen anschaut, mit wieviel Aufwand Länder wie eben Deutschland oder Frankreich oder die USA ihre Pavillons ausgestattet haben (in Frankreich bekam man in einer Ausstellung einen Tablet-Computer mit interaktiver augmented reality, Rätseln, Erklärungen zu Berufen und Geschichte usw., um viel über die Geschichte und Rettung der Notre Dame zu lernen, sehr schön gemacht), kommt das etwas dröge rüber, und letztlich erfährt man nicht mehr, als deren landestypische Teppich- oder was auch immer-Muster, schöne Landschaften, „wir sind so nette Leute“ und dass man doch mal zu Besuch kommen sollte. Man hat bei manchen Ländern den Eindruck, dass die kaum etwas selbst machen, sondern einfach irgendeine Medienagentur beauftragt haben, und die dann eben machen, was sie können: Bunte Multimedia-Präsentationen und Beamer justieren. Australien war auch so ein Ding. Da wollte ich hinterher eigentlich noch einen Original Aussie-Burger am Fressstand essen, aber da stand kein einziger Aussie, das waren alles nur arabisches Messepersonal als Mietdarsteller von allem und jedem, was zahlt, was allerdings auch mit der Pandemie zu tun hatte. Die Australier durften ja nicht raus, und wenn, dann nicht wieder rein. Das war für die wohl nicht abbildbar, weshalb sie anscheinend nur drei wichtige Australier geschickt und ein paar Bilder und Videos an eine Agentur hochgeladen haben, die das mal auf australisch bügeln sollten.

Vor allem kann man es auch nicht ordentlich fotografieren. Die Leute halten zwar immer alle ihre Handys hoch, um alles auf Video aufzunehmen, aber das wird nichts. In welche Richtung will man es halten, wenn die Präsentation 360° außenrum läuft? Und wie will man es halten, dass die anderen nicht im Bild stehen?

Nach der Show ging am hinteren Ende der Halle eine Tür auf, und das war es dann auch schon wieder. Die meisten gingen da schon wieder raus. Alternativ konnte man mit dem Fahrstuhl nach oben, in die Etage über der Halle fahren, wo man in einem Laden noch turkmenisches Souvenirgut einkaufen oder an einer Cafeteria-ähnlichen Küche turkmenische Spezialitäten ordern konnte. Weil mir die Bezeichnungen allesamt nichts sagten und der an der Kasse mir zwei Gerichte als Vorschlag anbot, entschied ich mich für die Dograma-Suppe, ohne zu wissen, was das eigentlich ist.

Es ist eine Suppe mit Fleisch- und Broteinlage, eine Brotsuppe.

Um es dezent auszudrücken, die Schönheit unter den Suppen ist sie nicht. Sie überzeugt eher mit Grundständigkeit und inneren Werten.

Sie ist

  • nahrhaft und sättigend
  • durchaus schmackhaft, sie schmeckt schon recht gut, ist lecker. Wenn jetzt auch eher für Hungrige als für Feinschmecker, Michelin-Sterne wird man dafür nur bedingt bekommen. Das hat mehr so einen ländlichen Charakter,
  • preisgünstig

und bei mir positiv vermerkt. Ich werde sie wieder essen, wenn ich sie irgendwann mal wieder finde. Was eher unwahrscheinlich ist, weil ich sie bis zu diesem Tag noch gar nicht kannte.

Und nein, das Getränk ist kein turkmenisches Bier. Ich weiß nicht mehr genau, ich glaube, das war ein völlig unturkmenischer Maracuja-Shake oder sowas.