Seltsame Streitachse
Das ist irgendwie so wie „nachts ist es kälter als draußen“.
Ein Leser schickt mir einen Link auf etwas, was ich nicht verstehe.
Einen Link auf einen Zeitungsartikel bei etwas namens „Mittelhessen“, Bündnis “Widerspruch” stellt sich gegen Impfgegner-Demo.
Das ich es nicht verstehe, liegt sicherlich auch daran, dass ich es nicht lesen kann, weil hinter Paywall. Aber zumindest der Anreißer ist komisch:
Aufruf zum Schulterschluss: Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Parteien, Verbänden und Initiativen plant am Samstag in Wetzlar eine Gegendemo. Das sagen die Organisatoren.
Das wirft Fragen auf.
Warum sind Gewerkschaften und Parteien Gegner der Impfgegner?
Also, ich würde es ja verstehen, wenn da die „Radikalen Internisten“ zur gewaltätigen Gegendemo antreten würden. Oder die „Notleidenden Apotheker“ oder sowas. Denn da würde ich inhaltlich verstehen, wo da der Gegenpol ist. Zwei gegensätzliche Standpunkte.
Aber Gewerkschaften und Parteien sollten doch eigentlich Entitäten sein, die vollständig orthogonal zur Impfmeinungsachse liegen (umgangssprachlich: damit eigentlich nichts zu tun haben). Denn ob einer für oder gegen Impfung ist, sollte der Gewerkschaft doch eigentlich egal sein, die sollte doch für alle da sein. Oder vielleicht sogar auf Seite der Impfgegner sind, wenn der Arbeitgeber irgendwas verlangt.
Da nun Gewerkschaften und „Parteien“ gemeinhin ziemlich links sind, jedenfalls, wenn sie zusammen mit Gewerkschaften auftreten, man aber andererseits ständig sagt, dass Impfgegner aus Nazis, Reichsbürgern, AfD-Wählern (und Grünen, aber das sagt man nicht so laut) bestünden, wird hier systematisch der Streit um die Impfung zur Rechts-Links-Streitsache hochgekocht.
Das stinkt nach Missbrauch und bringt natürlich das Aroma mit sich, dass man die Sache heißer kocht als eigentlich erforderlich, um genau diesen Konflikt zu schüren und anzustacheln.
Auf Seiten der Impfgegner und der Nazis war das natürlich dumm, sich so leicht angreifbar und isolierbar zu machen.
Es ist aber auf Seiten der Regierung und der Politik hochproblematisch, weil man die Impfolitik damit dann „delegitimiert“, weil man damit den Eindruck erweckt, dass es nicht mehr um die Impfung geht, sondern um einen Aufhänger, um „Rechte“ auszusondern, und man das deshalb ganz bewusst und gezielt politisiert.
Brandgefährlich.
An sowas kann eine Regierung platzen.
Vor allem richtig verantwortungslos und schon im Ansatz strunzdumm, eine Impfdebatte zur rechts-links-Debatte umzumünzen.