Ansichten eines Informatikers

Brandschutz

Hadmut
10.1.2022 2:10

Ein lehrreicher Katastrophenfall.

In den letzten meiner Wohnungen war es immer so, dass die Wohnungstür einen wie auch immer gearteten Türschließer hatte. Nicht so den großen Kasten oben an der Tür mit dem langen Hebel, wie man ihn von der Kellertür kennt, sondern eher so dezent als Feder im Scharnier verbaut. Ich glaube, ich habe das auch schon mit Neigung gesehen, so dass die Tür vom eigenen Gewicht zufällt.

Ich hatte mich mal mit irgendwem von irgendeiner Hausverwaltung unterhalten und erfahren, dass das dem Brandschutz dient – nämlich damit das Treppenhaus nicht verraucht, wenn es in einer Wohnung brennt. Ich hatte nämlich auch mal eine Wohnung, wo ich zwar im 1. OG wohnte, aber eine Wohnungstür ins Freie hatte, erst über einen Außengang zum Treppenhaus kam, und die hatte keinen Türschließer.

Mancher wird mitbekommen haben, dass in New York in der Bronx ein 19-stöckiges Wohnhochhaus gebrannt hat, und es viele Tote (bisher wohl 19) und schwer Verletze (wohl mindestens 30) gab. (Und ich kann einfach nicht dran vorbei anzumerken, dass ich das Haus unglaublich hässlich finde. Wer sich für Google Street Map interessiert: 333 E 181 St.)

Es gibt eine eindrucksvolle Aufnahme von dem Brand, nämlich der Phase, als die Feuerwehr von innen den Löschangriff begonnnen hat, mit welcher Durchschlagskraft die da gewirkt haben:

(Man sieht da auch den Effekt der „hydraulischen Belüftung“, bei der der Wasserstrahl Rauch mit raus reißt.)

Nun habe ich mich gewundert, wie verschiedene Informationen zusammenpassen:

  • Die Feuerwehr soll gesagt haben, dass sie auf praktisch allen Stockwerken bis oben hin Tote oder Schwerverletzte rumliegen gefunden haben. Immerhin ein 19-stöckiges Haus.

    Und es gibt auch verschiedene Aufnahmen, auf denen zu sehen ist, dass aus den Fenstern der oberen Stockwerke Rauch quillt:

    Es entstand der Eindruck, als sei das gesamte Gebäude vom Feuer betroffen.

    Man sieht außerdem auf der gesamten Höhe gebrochene Fenster und in großem Umfang angelehnte Leitern, Handleitern und große Drehleitern, über die man Leute gerettet hat.

  • Es hieß aber, dass nur ein einziges Appartment gebrannt habe, eine Maisonett-Wohnung über den zweiten und dritten Stock. Man sieht auch nur die Löscharbeiten an diesem einzigen Fenster.

Wie passt das zusammen?

Die Rede ist davon, dass der hochgiftige Rauch durch das ganze Gebäude gezogen sei. Die Feuerwehr habe gesagt, sie habe beim Eintreffen die Wohnungstür des Appartments offen vorgefunden, und von da sei der Rauch durch das Treppenhaus in das ganze Gebäude geströhmt.

Die gebrochenen Fenster in den oberen Etagen wurden wohl von den Bewohnern von innen eingeschlagen, um noch Luft zu bekommen, die ließen sich wohl nicht normal öffnen. Es wurde von einer Frau berichtet, dass sie versucht hätten, die Wohnungstür abzudichten, indem sie Handtücher über den Schlitz am Boden gelegt und mit Wasser begossen hätten. Es sollen auch Leute in Panik gesprungen sein.

Ein drastisches Beispiel dafür, wie verheerend ein Wohnungsbrand mit offener Wohnungstür wirken kann.

Das ist genau der Grund, warum man hier Türschließer an die Wohnungstüren anbringt.

Das erklärt auch sehr gut, warum man auf manchen Feuerwehrdoku-Videos sieht, wie die Feuerwehr bei Bränden in solchen Etagenwohnungen erst mal einen „Brandvorhang“ vor die Tür macht, bevor sie die Tür aufbrechen und löschen gehen.

Es zeigt aber auch, wie wichtig Brandschutztüren und Brandschutzzonen sind. Dazu gehören auch Türen, die offen stehen können, weil sie durch Rauchmelder ausgelöst werden und dann sofort schließen – und wie gefährlich es ist, sie zu verkeilen. Deshalb gibt es auch oft Glastüren, die zwar nicht lange Feuer, aber zumindest Rauch zurückhalten können und vor allem: Durchsichtig sind. Man sieht vorher, ob auf der anderen Seite Rauch ist, bevor man auf macht.

Ich habe jahrelang eine Sicherheitssensibilisierungsveranstaltung gehalten, eigentlich zur IT- und Unternehmenssicherheit (Security), aber um die Leute nicht zweimal zusammentrommeln zu müssen, am Schluss immer auch etwas zum Brand- und Unfallschutz gesagt und dazu, wie man den Fluchtweg wählt, warum man Türen schließen, aber nicht abschließen soll und so weiter. Wenn ich die noch hielte, hätte ich das jetzt als Beispiel reingenommen um zu zeigen, wie brutal gefährlich der Rauch ist, und der einen tötet oder in Gefahr bringt, lange bevor das Feuer selbst kommt.

Nur eine einzige Wohnung ganz unten brennt, Feuer nur hinter einem einzigen Fenster. Und doch das ganze 19-stöckige Hochhaus betroffen, Tote und Schwerstverletzte bis oben hin, Rauch in allen Wohnungen durch den Schlitz unter der Wohnungstür, so stark, dass der Rauch selbst in den obersten Etagen noch aus offenen Fenstern quillt.

Vermutlich hat das Treppenhaus da noch wie ein Kamin gewirkt.

Es zeigt aber auch, wie gefährlich das ist, dass – gerade auch in Berlin – viele Treppenhäuser voller Gerümpel und Sperrmüll stehen und teils die Türen blockieren, die sich nicht mehr schließen können.

Zeigt auch, wie gefährlich das ist, wenn in den Fluchtwegen Dinge rumstehen, über die man fallen kann. Fahrräder und sowas.

Und es zeigt, wie gefährlich das ist, was ich neulich zum Thema Alarmblindheit beschrieben hatte, nämlich dass sich Leute bei Feueralarm noch beschweren, dass der Alarm zu laut wäre und man dabei nicht arbeiten könne, weil die allen Ernstes sitzen bleiben, solange sie den Rauch nicht auch riechen oder das Feuer sehen. Und dann ist es eben zu spät.

Eine Frage der Zeit, wann sowas auch in Deutschland passiert.