Ansichten eines Informatikers

Zum subtilen Unterschied zwischen den olympischen Spielen und meiner neuen Suppenkelle

Hadmut
31.1.2022 21:34

Fällt mir gerade so auf.

Ich war heute nachmittag unterwegs. Zu verschiedenen Einkaufsgelegenheiten. Ein paar Lebensmittel, die es im Supermarkt um die Ecke nicht gibt. Noch was für die Küche. Auch noch was aus einem Sonderangebot.

Ich war auch bei IKEA. Eigentlich wollte ich deren kleines Luftqualitätsmessgerät kaufen. Ich hatte neulich in einer Bastelzeitschrift gesehen, dass das Ding billiger sei, als wenn man die Bauteile einzeln kauft, und sie ausgetüftelt haben, wie man einen ESP8266 oder ESP32 Microcontroller reinlöten kann, um dann die Messwerte per WLAN an die Überwachungssoftware oder Hausautomation zu übermitteln. War ausverkauft.

Wie ich aber so durch den IKEA-Laden gehe, fällt mir auf, dass die da gegenüber früher sehr kräftig umgeräumt haben. Oben in der Möbelabteilung ist vieles anders, da machen sie jetzt stark in Küchen.

Unten in der Selbstbedienungsabteilung eine ähnliche Änderung. Früher kam man da durch ein paar Paletten mit Tellern und Gläsern, irgendwann an den Tassen und Gabeln vorbei, also eigentlich der Essenskram für das Wohn-/Esszimmer, und hinten dann in eine relativ kleine Abteilung mit dem ganzen Küchenkram, also Töpfe, Pfannen, Küchenmesser, Küchenutensilien und so weiter.

Jetzt kommt man gleich an der Treppe in eine riesige Küchenabteilung, gleich in das große Bratpfannenwunderland, seltsame Kuchenbackformen, Töpfe, Schüsseln und so weiter. Ist mir vorhin so aufgefallen.

Anscheinend eine Folge der Pandemie. Seit die Leute im Home-Office hocken und die Restaurants vernagelt sind, kochen die Leute mehr. Geht mir ja auch so.

Und weil ich noch eine brauchte, habe ich mich heute überwunden und eine Suppenschöpfkelle käuflich erworben. Macht man ja auch nicht alle Tage. Um ehrlich zu sein, habe ich in meinem Leben mehr Autos als normalgroße Suppenkellen gekauft. Ich hatte bisher nur so kleine aus Kunststoff, eigentlich ist das meine erste eigene Schöpfkelle normaler Größe aus Metall. Ich freu’ mich so.

Ich komme also nach Hause und schalte den Fernseher ein.

Im Ersten eine Sendung von Felix Neureuther darüber, wie schlimm China und die Entscheidung sind, die olympischen Winterspiele in China zu verrichten. Die Umwelt geschändet, die Leute gefoltert, und so weiter. Neureuther guckt abwechselnd bedröppelt und betroffen.

Im Prinzip hat er Recht. Ich bin nahezu bereit, mich seiner Meinung anzuschließen.

Aber etwas stört mich: Warum fällt dem das nur zu den olympischen Spielen ein, wo er dann mit irgendeinem anderen zusammen (weiß nicht mehr – war es Sven Hannawald?) die Winterspiele moderiert, zweifelsohne einen Haufen Geld bekommt, und nun halt Sendungen abliefern muss.

Ich habe gerade die Suppenkelle ausgepackt und in die Spülmaschine gelegt. Und natürlich das Preisschild abgerissen. Steht drauf: Made in China.

Ich habe mir auch noch diese neue modulare Steckdosenleiste gekauft, um auszuprobieren, ob die für meine Rechner taugt. Made in China.

Auch Kunststoffboxen („Sortierschüsseln“) habe ich mir gekauft, weil die bei IKEA normalerweise unverschämt teuer sind (und in Polen oder Italien gemacht sind), sie nun aber welche haben, die so richtig spottbillig sind. Made in China.

Ich hatte neulich mal geschrieben, dass erstaunlich viel, sehr viel sogar, was ich hier in meiner Wohnung habe, Made in China ist. Vom Plastiklöffel bis zur Kamera.

Neulich bin ich vor Schock fast umgefallen. Ich brauchte für etwas eine Spezialsteckdosenleiste mit ganz vielen Steckdosen in zwei Reihen mit zwei Schaltern. Made in Germany. Sowas habe ich seit langem nicht mehr gesehen.

Ich hatte mal beschrieben, dass unser ganzer Öko- und Sozialstaat ein Schwindel ist, weil man alles, was nicht reinpasst, einfach ins Ausland auslagert. So wie man hier Atomkraftwerke abschaltet, um grün zu sein, und den Strom dann von Atomkraftwerken im Ausland kauft. So macht man hier einen auf sozial und Mindestlohn, und all die Fließbandjobs lagert man nach China und Bangladesh aus.

Ich verstehe das nicht.

Die olympischen Spiele dauern zwei Wochen und kosten China einen Haufen Geld.

Dass aber inzwischen nahezu unser ganzer Plastik- und Elektronikkram aus China kommt, das stört sie nicht. Wäre es nicht sinnvoller, gegen IKEA statt gegen die Olympischen Spiele zu protestieren?

Klar, die olympischen Spiele sind umweltschädlich. Aber sind es die Fabriken, die meine Schöpfkelle, meine Steckdosenleiste und meine Plastikschüssel hergestellt haben, nicht auch?

Wie kann man unseren ganzen Schwindelstaat mit Sozialkram, Mindestlohn, Umweltschutz darauf bauen, dass der ganze Mist in China produziert wird, und sich dann wegen zwei Wochen olympischer Spiele mal kurz theatralisch aufregen, um mal schnell Gesinnungsbekenntnisse abzulegen?

Irgendwie scheinheilig. Wieder Doppelmoral.

In der Sendung danach, Hart aber fair, kam eine gute Frage auf: Deutschland (München) hätte die Möglichkeit gehabt, sich um die Winterspiele zu bewerben. Das wollte die Bevölkerung nicht, ach nee, keine Lust, zu teuer und so weiter. Wie man es aus Bequemlichkeit unterlassen könne, die Spiele selbst auszurichten, die man dann nach seinen Gerechtigkeits- und Umweltvorstellungen hätte gestalten können, und sich dann darüber aufregen, dass und wie andere es machen.

Eine interessante Frage, die man beim Plastik, bei Kernkraft und bei CO2 genauso stellen könnte. Ob die Moralisierungsmethode der Wahl wäre, es selbst und besser zu machen.

Ob man überhaupt in der Position ist, zu moppern, wenn man es selbst nicht machen wollte.