Ansichten eines Informatikers

Informatiker ab 35 zu alt

Hadmut
15.2.2022 17:23

Ein Leser schreibt mir:

(ich anonymisiere die Altsangaben etwas)

Habe gerade deinen Betrag zur Verjüngungskur bei IBM gelesen.

Letztes Jahr habe ich (promvierter Informatiker, damals [irgendwas zwischen 36 und 39], und gute [..] Jahre einschlägige Berufserfahrung) eine neue Stelle gesucht.

Mit Headhunter beraten was ich will, und wie bzw. bei wem wir mich anbieten wollen.
Wir gehen gemeinsam die Firmen zu denen er Kontakte hat durch und kommen im Gespräch auf TikTok, weil ich Erfahrung im Bereich Algorithmen zur Video-Verarbeitung habe.

Headhunter winkt ab: “Promoviert oder nicht; Arbeitserfahrung oder nicht; kannst du vergessen. Die haben ein Hard-Limit bei 35. Darüber stellen die Neu gar nicht ein. Ich kann dich anbieten aber das ist Zeitverschwendung.”

Wobei mich interessieren würde, ob das nur für die Einstellung gilt, oder mach dann auch rausfliegt, wenn man 35 wird.

Wird Zeit, dass wir altersfluide werden und jeder sich sein Alter selbst aussuchen kann und jeder in den Knast kommt, der einen nicht entsprechen anspricht.

Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob ich mich als 30 ausgeben und bei TikTok arbeiten oder lieber als 70 ausgeben und den Rentenantrag stellen will. Oder als 130 und den ältesten Deutschen geben.

Bedenkt man, dass zu meiner Zeit damals das Abi noch 13 Jahre dauerte, noch ein Jahr Grundwehrdienst dazukam und ein Informatikstudium auch so durchschnittlich 14 Semester dauerte, war man schon rein rechnerisch bei 6 + 13 + 1 + 7 = 27 Jahren, wenn man mit dem Studium fertig war. Vermutlich läuft das in China heute anders. Ich kann mich noch erinnern, dass neulich in Sachen Olympia ein Bericht im Fernsehen kam, in dem ein Skilehrer (weiß nicht mehr, ob Bayern oder Österreich) erzählte, wie die Chinesen für die Winterspiele Skifahrer machten. Die wollten in die Medaillenränge und kamen mit Leuten an, die noch nie auf Ski gestanden und noch keinen Schnee selbst erlebt hatten. Man sagte ihnen, dass sei schwierig, weil sie gegen Leute antreten müssten, die Ski fahren seit sie 4, 5, 6 Jahre alt sind und daran immer einen Riesen-Spaß hatten, also schon [weiß die Zahl nicht mehr] x-tausend Stunden Ski-Erfahrung hätten.

Die Chinesen hätten geantwortet, das sei doch gar kein Problem. Wenn man sofort anfinge, und 6 Tage in der Woche von früh morgens bis spät abends nichts anderes mehr mache als Ski zu fahren, käme man doch bis zu den Spielen auf dieselbe Zahl von Stunden. Passe doch genau.

Vermutlich machen die das mit ihren Informatikern so ähnlich.

Interessante juristische Frage: Das – ach, herrje, wie heißt das? – Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz soll doch sicherstellen, dass Produkte nicht mit Kinderarbeit hergestellt werden. Würde das nicht auch Altersdiskriminierung verbieten?

Warum eigentlich nicht mal Alten-Quoten?