Die Gefahr, die von gemischten Teams ausgeht
Ich hatte doch erzählt, dass mich eine überdrehte feministische Journalistin angerufen hatte.
Ein Hauptgrund ihrer Erregung, worüber sie sich besonders aufgeregt hatte, war, dass ich geschrieben hatte, dass Frauen in der IT nicht so unbedingt gut gelitten sind, weil man ständig die Gefahr sieht, irgendeiner sexuellen Belästigung, sexistischen Bemerkung oder gar der Vergewaltigung beschuldigt zu werden.
Es gab ja in den USA schon viele solcher Fälle. Eine hatte mal geklagt, weil die Kollegen nach Feierabend privat noch in irgendeinen Stripschuppen gegangen sind (war früher in den USA mal durchaus üblich), und sie nicht mitgenommen haben. Hätte man sie gefragt, ob sie mitkommen will, hätte sie dann deshalb geklagt. Weiß nicht mehr, irgendwas mit 4 hat sie bekommen, 14 oder 40 Millionen Dollar oder sowas in der Art hat sie an Entschädigung bekommen.
Viele Leute von Bekanntheit, besonders in der IT, können sich auf Konferenzen und dergleichen nur noch mit Security-Personal bewegen. Nicht mal so sehr, um körperliche Angriffe abzuwehren, sondern um sie keine Sekunde allein zu lassen, weil die Gefahr zu groß ist, dass irgendwo eine Abkassierfeministin lauert, die ihn dann beschuldigt und abkassiert. Die steigen nicht in Fahrstühle, wenn da eine Frau drin ist. Schon vor um die 20 Jahren ging mal ein Text rum, den ein amerikanischer Professor geschrieben hatte, dass es nicht mehr möglich ist, gefahrlos über den Campus zu gehen. Kommt ihm eine Frau entgegen, ist es völlig egal, was er macht, egal ob lächelt, guten Tag sagt, ignoriert, Bogen drum macht, gar nichts tut, grimmig guckt … egal was, er wird immer beschuldigt. Es bleibt nur, sofort umzudrehen und die Flucht nach hinten anzutreten. Und man muss vorher gründlich schauen, ob einem eine Frau entgegenkommen könnte. Das ist in den USA zwar deutlich schlimmer als bei uns, aber grundsätzlich haben wir dieses Problem hier auch.
Es gibt in den USA Firmen, in denen die Tür eines Zimmers nicht mehr geschlossen werden darf, wenn eine Frau im Raum ist. Damit jeder sehen kann, was im Raum vor sich geht, und hinterher niemand behaupten kann, irgendwie begrapscht worden zu sein oder sowas. Viele Firmen haben auch deshalb keine Büros, sondern nur Großraumbüros mit offenen Cubicles, und dazu dann Besprechungsräume aus Glas, die zwar schalldämmend sind, aber jeder sehen kann, was drinnen passiert. Es gibt sogar Hersteller, die dafür Glaswände mit Flüssigkristallschicht anbieten, damit man dann, wenn es dann doch noch mal sein muss, die Wände auf trüb stellen kann, weil sich niemand mehr das Risiko normaler undurchsichtiger Bürowände leisten will. Ich kenne auch ein Bürohochaus neueren Datums in Deutschland, von amerikanischen Architekten gemacht, in dem die Büros alle nur Glaswände haben und völlig durchsichtig sind. Ich weiß nicht genau, ob das damit zusammenhängt und was der Grund dafür war, aber ich hatte da mal zu tun und fühlte mich darin äußerst unwohl, wegen dieses ständigen Gefühls gegenseitiger Kontrolle. Ich mag sowas gar nicht.
Gibt auch keine Bewerbungsgespräche unter vier Augen mehr. Wenn sich eine Frau bewirbt, ist da in den USA immer, und bei uns praktisch immer eine Frau auf der Firmenseite mit dabei, im Zweifelsfall eine Gleichstellungsbeauftragte oder sowas. Weil zu viele sonst abkassieren wollen, indem sie behaupten, irgendwas unzulässiges gefragt oder gierig angeschaut worden zu sein oder sowas.
Auch wenn das nur ein (in den USA inzwischen nicht mehr kleiner) Teil ist, die Gefahr ist ständig da. Risiko ist das Produkt aus Schadenshöhe und Schadenseintrittswahrscheinlichkeit. Und das fällt unter Risk Management.
Und dann behaupten sie, Männlichkeit wäre „toxisch“.
Jedenfalls regte sich die Journalistin fürchterlich darüber auf, dass ich geschrieben hatte, dass es in der Industrie Leute gibt, die Frauen im Team deshalb für gefährlich halten, weil man immer fürchten muss, dass sie die Belästigungskarte ziehen und einen beschuldigen. Was sie für völlig absurd hielt.
Gerade bin ich auf Twitter über das gestolpert:
Die Cancel-Kultur in Berliner Kulturbetrieben mit ihren Verdachtsberichten nimmt obskure Formen an. Manche Theater geben sich neue Regeln, die befremden. https://t.co/ivmdBWfRX7
— Berliner Zeitung (@berlinerzeitung) February 23, 2022
Klaus Dörr wies sämtliche Vorwürfe zurück. Doch egal, der Ton war gesetzt, der nächste MeToo-Fall in der Welt. Der Intendant legte drei Tage nach der taz-Veröffentlichung sein Amt nieder, übernahm die Verantwortung. Er wollte sich der medialen Schlammschlacht entziehen. Die fand nun ohne ihn statt. Die Presse sog den Fall gierig auf und schmückte ihn aus. Die Frauenzeitschrift Brigitte stellte Dörr in eine Reihe mit dem Regisseur Dieter Wedel und dem verurteilten Sexualstraftäter Harvey Weinstein, drei Fotos, gleich groß nebeneinander unter dem Titel: „Belästigt, vergewaltigt, Freispruch?“ Als sei einer der drei nach einer Vergewaltigung freigesprochen worden.
Klaus Dörr redet seit seinem Rückzug nicht mit der Presse. Journalistinnen, die ihn trotzdem in ihren MeToo-Berichten unterbringen, ersetzen eigene Recherchen gern durch krasse Meinungen. Dörrs Anwalt ist gegen ein Dutzend Veröffentlichungen juristisch vorgegangen. Die Beiträge verschwanden dann online oder wurden korrigiert, im Brigitte-Text trägt nicht nur die Schlagzeile schwarze Balken.
Nur, wie ausfällig war der übergriffige „Sexist“ überhaupt geworden, dass die Gesellschaft ihn ausschließen musste? Man stutzt schon beim ersten Lesen der taz, die sich der „Aufdeckung“ des Falles rühmt, denn der Hauptvorwurf läuft auf angebliches „Anstarren“ von Frauen hinaus. Der einzige zitierte fiese Spruch („… jeder will dich ficken!“) fiel – wenn überhaupt – vor sieben Jahren nach viel Wein auf einer Premierenfeier in Stuttgart. Ansonsten stellt die taz vor allem unkonkrete Behauptungen auf wie „enge, intime, körperliche Nähe und Berührungen, erotisierende Bemerkungen“, Mobbing, Machtmissbrauch. Was genau ist gemeint? In den Gedächtnisprotokollen der Beschwerdeführerinnen der Volksbühne – es sind sieben, nicht wie kolportiert zehn –, liest es sich so: Klaus Dörr hat einer Frau „die Hand auf die Schulter gelegt“, angeblich auch auf ein Bein, es reichte „bis zu Handküssen zur Begrüßung“. Die „sexistischen“ Begriffe heißen „Maus“, „Theatermaus“, „Tante“; Machtmissbrauch meint wohl SMS nach Feierabend aufs Privathandy. Eine Schauspielerin will nach einem Gespräch mit Dörr Existenzangst bekommen haben, sie ist 63 und unkündbar, weil länger als 15 Jahre am Haus.
Das ist genau das, was ich meine. Darauf läuft’s hinaus, wenn irgendwas nicht läuft wie gewünscht.
Ich war mal eine Woche auf Studienreise in Peking. Mit Besuch in der Peking-Oper, allerdings die Touristen-Version, die mit 2 Stunden auskommt (war gut und lustig). Der Reiseleiter meinte, ursprünglich wäre die Peking-Oper beim Kaiser und ähnlichen Anlässen aufgeführt worden, und unter drei Tagen pro Aufführung hätten sie’s nicht gemacht. Und dort erklärte man mir auch, dass es verschiedene Opernhäuser und -stile gibt, je nach Stadt (Oberbegriff Chinesische Oper). In den einen (ich glaube, das war Peking) spielten nur Männer, die auch die Frauenrollen übernehmen. In den anderen (weiß nicht mehr, kann sein, dass das Shanghai war) nur Frauen, die auch die Männerrollen spielten. (Was dort beides nicht allzu schwer ist, weil die ohnehin alle vollbekleidet und sehr stark und knallbunt in Standard-Figuren geschminkt sind, und man ohnehin nicht mehr sieht, wer darunter steckt.)
Die linksextremistisch-propagandistische Wikipedia schreibt dazu allerdings:
Früher wurden auch die Frauenrollen von Männern gespielt. Diese Tradition stirbt aber immer mehr aus. Zwar gibt es noch einige männliche Dàns, aber sie klagen häufig über mangelnde Aufträge, weil das chinesische Publikum inzwischen lieber Frauen in den Frauenrollen sieht. Frauen dagegen haben zuweilen auch Männerrollen gespielt, wobei nun auch das inzwischen selten zu sehen ist.
Ob’s stimmt, ist eine andere Frage.
Bei meinem Besuch vor zehn Jahren war das noch so. Die hatten nämlich als Show-Element vor der Aufführung ihre Schminktische im Foyer aufgestellt, so dass man den Schauspielern beim Schminken zuschauen, ihnen über die Schulter gucken und sehen konnte, wie diese Figuren, unter denen man auf der Bühne die Schauspieler nicht mehr erkennt, entstehen. Die waren sogar ziemlich locker drauf und haben bei der Gelegenheit auch das ein oder andere Kind gleich mitgeschminkt. Deshalb weiß ich, dass das da alles Männer waren, auch wenn die Rolle auf der Bühne dann die schüchterne Jungfrau war, der einer den Hof machte.
Aber in China haben sie es auch nicht so mit dem Gender-Hype.