Ansichten eines Informatikers

„Stinkfaul in der Sonne zu liegen…“

Hadmut
26.2.2022 16:31

Mir ging so ein altes Lagerfeuerlied durch den Kopf.

Ich weiß nicht mehr, wo ich das aufgeschnappt habe. Pfadfinder oder Ferienlager. Aber so spätestens um 1985, 86 rum muss es gewesen sein. Ein wunderbares Lied, das kaum einer kennt. Kann man auch mit nicht ganz so sensationellen Sangeskünsten und ein paar einfachen Akkorden auf der Klampfe gut singen.

„Stinkfaul“ oder so ähnlich heißt es.

Ich habe den Text noch mehr oder weniger im Kopf und könnte es auch noch singen, am besten natürlich bei Dunkelheit vor Leuten rund um ein Lagerfeuer. Wusste aber nicht, woher das kam. Es ging darum, wie schön das Leben früher doch war, und dann die Frage zu stellen, warum wir eigentlich nicht mehr die Lausejungs von früher sein können.

Und da kamen dann solche Dinge drin vor, wie

Die Hauptstrasse ganz einfach zu sperren
und Hüppekästchen spielen mittendrauf

Ok, das ist jetzt politisch gerade ein ganz rotes Tuch, heute ist das minenbeladen, aber sowas:

Pausenlos auf einen Kirchturm zu starren,
nach fünf Minuten schaut schon jeder mit rauf.
Und dann nicht einfach wegzulaufen,
sondern kopfschüttelnd zuzusehn,
wie er allmählich wächst, der Haufen,
der nach oben guckt – Oh Mann, ist das schön!

Ein herrliches Lied. Das Lebensgefühl von damals. Lässt sich inzwischen sogar googeln, ist ein Lied von einem gewissen Ulrik Remy. Gut, dass ich das – mit ungefähr 35 oder 40 Jahren Verspätung – jetzt auch weiß. Gibt auch eine Sangesprobe dort, kommt mir aber komisch vor, weil wir das deutlich langsamer und ruhiger gesungen haben.

Wie ich darauf jetzt komme?

Mir ging so ein paar Zeilen aus dem Lied durch den Kopf, als ich die Nachrichten sah:

Und dann, vom Bierdunst noch halb benommen,
durch dunkle Straßen heimwärts gehn
und lauthals brüllen: “die Russen kommen!”
und die Gesichter zu sehn – Oh Mann, ist das schön!

Die Russen kommen!

Das war so in meiner Jugend- und Adoleszenzphase tatsächlich mal ein geflügeltes Wort: „Die Russen kommen“. Eigentlich aus dem zweiten Weltkrieg, aber nun so ein Spott auf Leute mit übertriebenen Ängsten, um sich über sie lustig zu machen und die Generation, die den Krieg noch miterlebt hatte, aufzuschrecken. Gottogott, die Russen kommen!

Nach der Wende baute dann ein Witz darauf auf: Wenn früher ein Russe mit einer Kalaschnikow auf Dich zukam, wollte er Dich erschießen. Wenn er das heute tut, will er sie Dir verkaufen.

Nach der Wende gab es dann tatsächlich mal so eine Entspannungsphase, in der das gut war. Da hieß „Die Russen kommen“, dass sie zum Singen kommen. Kennt Ihr die CD mit dem Konzert der Leningrad Cowboys (trotz des Namens Finnen), die sie zusammen mit einem Militärchor der Roten Armee aufgenommen haben und dabei zusammen „Yellow Submarine“ singen?

Der Ausruf „Die Russen kommen“ hat sich gerade semantisch wieder sehr verschoben. Heute wieder hochkritisch.

Mir ging gerade wieder mal durch den Kopf, dass ich trotz alle des Unbills, den ich persönlich erlebt habe, eigentlich in der besten Zeit gelebt habe, weil ich – zumindest bis 2020 – nie Hunger, Krieg, Seuchen, Naturkatastrophen selbst erlebt habe.

Inzwischen aber geht wirklich alles bergab, und zu einem großen Teil machen wir uns das selbst. Die Verrottung unserer Gesellschaft, dieses jeder-ist-jedermanns-Feind, das haben wir uns als Gesellschaft selbst gebaut. Was hatten wir für eine schöne Jugend. Ich muss da immer an die alte Langnese-Werbung vom Strand denken – Like Ice In The Sunshine. Eigentlich hatten wir nur Spaß. Ein unbeschwertes Leben. Keinen Streit, keine Vorwürfe, keine Tretminen, es war so wunderbar.

Heute haben wir eine selbstgemachte, linksgemachte, frauengemachte Hölle. Heute ist man, egal, was man macht oder lässt, immer Sexist, Rassist, Nazi.

Die Leute werden zunehmend aggressiver und gehen sich wegen jeder Kleinigkeit an den Hals.

Und jetzt haben wir eben wieder Krieg.

Eigentlich geliefert wie bestellt. Uns ging’s so gut, dass wir es nicht ertragen konnten, wie gut es uns ging. Wir sind in die Dekadenz gerutscht.

Und ich lege großen Wert auf die Feststellung, dass der größte Teil der Zerstörungsarbeit an unserem ehamals schönen Leben auf den Feminismus zurückgeht oder über den Feminismus lief. Als Rabulistik- und Täuschungsmanöver des Marxismus.

Was paradox ist. Weil die Marxisten, also ausgerechnet die, die ihre Faulheit zum Weltbild erheben wollten, sich damit die Möglichkeit zerstört haben, „Stinkfaul in der Sonne zu liegen…“