Mein Schweigen zum Jugoslawienkrieg
Eine Leserin oder ein Leser (unklar) beschwert sich, dass ich etwas zum Ukraine-Krieg schreibe, nicht aber genauso auch zum Jugoslawien-Krieg.
Das ist das Argument, dass man entweder nur gerecht verteilt über alle Kriege oder über gar keinen schreiben darf. Diesen Denkfehler habe ich schon früher untersucht, nämlich als es hieß, dass man an Muslimen kein Wort der Kritik äußern darf, wenn man nicht gleichzeitig dieselbe Kritik auch an Christen äußert. Oder Frauen nicht kritisieren darf, wenn man nicht auch Männer kritisiert. Als ob jede Kritik immer nur Kollektiveigenschaften kritisieren darf, keine Individualeigenschaften. Rudeldenken irgendwo zwischen Marx und Amygdala.
Ich kann das schon deshalb nicht, weil ich keine Zeitschriftenredaktion mit 100 Journalisten plus Technischer Abteilung bin, sondern Einzelkämpfer, der alles allein machen muss. Ich schreibe ja schon 7 Tage die Woche, jeden Tag. Was soll ich denn noch alles machen? Sind Leute denn mit gar nichts zufriedenzustellen?
Um den Vorwurf aber zu beantworten:
Ich habe zum Jugoslawienkrieg nichts geschrieben, weil der von 1991 bis 2001 stattfand. Und da hatte ich noch kein Blog. Da gab es teilweise noch nicht mal das World Wide Web.
Wie hätte ich da was schreiben sollen?
Und selbst wenn ich es als jemand, der einen der ersten Webserver an der Uni betrieben hat, getan hätte: Wie hätte man es denn dann lesen können?
Bei mir stapeln sich gerade derartige Vorwürfe, wo ich dann frage, wie das überhaupt hätte gehen sollen. Einer rügt, dass ich ein Bild nicht kommentiere, das er mir schickt. Keinerlei Angabe, was es ist, wann, wo, klein, unscharf, nichtssagend. Man sieht eine Frau, einen Mann, noch Leute, einen Bus und eine Leitplanke. Was soll ich dazu sagen? Dass das Bild sehr klein ist?
Eine der häufigsten Antworten, die ich gerade auf Zuschriften gebe: „Wo hätte ich das denn geschrieben?“
Eine Menge Leute machen mir Vorwürfe für etwas, was ich nie geschrieben habe. Oder wovon ich das Gegenteil geschrieben habe, sie es aber nicht für nötig hielten, den Blogartikel auch zu lesen.
Im Moment ist es ganz schlimm.
Allgemeines Amygdala-Sausen.
Ich überlege gerade, ob schon Nachrichten, Bilder, Kenntnis von Kriegshandlungen die Amygdala in eine Hyperfunktion versetzen können, die Leute ein überdrehtes Freund-Feind-Verhalten bekommen, wenn sie lange genug Krieg im Fernsehen sehen.
Ich habe schon überlegt (und im Blog beschrieben), ob so etwas wie das Dritte Reich und der Holocaust, worüber die Gutmenschen immer jodeln, wie unbegreiflich das alles sei, Auswirkungen einer Übererregung der Amygdala waren, überdrehtes Freund-Feind-Denken.