Gender? So’n Blödsinn haben wir hier nicht…
Ich war in einem Fachgeschäft für Antiken-Kitsch.
Alles so enorm kitschig, dass es so überkitscht schon wieder gut aussieht. Götter-Statuen. Nachbildungen antiker Statuen. Muskulöse männliche Götter, gern in Kriegerpose, und meist barbusige oder ganz nackte weibliche Göttinnen, entweder im Stil der Botticelli-Venus, nackt, aber schamhaft mit den ewig langen Haaren verdeckt und in der unvermeidlichen Muschel stehen, oder als schamlose Nacktstatue.
Ich stand vor einem nackten Frauentorso in Lebensgröße, stand im Schwerlastregal auf einer kleinen Palette, sieht aus wie aus Stein gemacht, wie so eine alte Statue eben. Preis unterer dreistelliger Bereich, weil letztes Stück, Sonderangebot. Ich stand davor, hielt das wirklich für Stein, dachte, das Ding wiegt mindestens 400 kg, und hab überlegt, wie sie das in dieser Qualität zu dem Preis hinkriegen, ob die das jetzt computergesteuert meißeln lassen oder mit der CNC-Fräse machen oder ob sie Sklavenarbeiter haben oder was. Ein Verkaufer sieht mein Gesicht, merkt, was ich denke, und gibt mir die Statue einfach in die Hände. Kann man auch mit einer Hand halten, ist nämlich hohl und ganz leicht. Sieht wirklich gut und nach Stein aus, aber klopfen darf man nicht. Klingt wie Plastikdose, ist es wohl auch. Massenware aus Plastik in die Form gedrückt, und dann irgendwie so beschichtet, dass es völlig echt aussieht. Absolut wetterfest, garantiert er mir, könnte man völlig problemlos vors Haus stellen. Man müsst’s halt nur festschrauben, damit’s nicht wegfliegt. Oder füllen.
Regalweise Statuen un-, halb-, dreiviertel- und ganz nackter Göttinnen. Alle Größen, von Schreibtisch über Foyer bis Vorgarten. Gern auch für den Kaffeetisch. Kitsch as Kitsch can. Kein Erbarmen. Warum eigentlich auch nicht?
Ich frage einen Verkäuferin, ob sie damit nicht Ärger mit Feministinnen, Gender und sowas bekommen. Sie guckt mich völlig verständnislos an. Nee, so’n Blödsinn hätten sie hier nicht.