Ansichten eines Informatikers

„Glamping“

Hadmut
24.4.2022 16:43

Au weia.

Mir ist auf Webseiten zum Thema Reisen der Begriff „Glamping-Zelt“ begegnet. Ich dachte erst, das wäre ein Schreibfehler und sollte „Camping-Zelt“ heißen. Nachdem mir der Begriff dann aber nochmal begegnet: Das Kunstwort meinen die ernst.

Definitionen:

glampings.de:

“Glamouröses Camping” an den schönsten Orten Europas

Glampingwelt:

GLAMPING – WAS IST DAS?

Eigentlich nicht schwer zu erklären: Glamping verbindet Glamour & Camping. Nähe zur Natur, nur eben ohne auf Luxus und Annehmlichkeiten verzichten zu müssen. Ihr eigenes Pop-up-Paradies sozusagen!

Zurück zur Natur, aber mit Luxus und Annehmlichkeiten.

Ach, Du meine Güte. Vermurkste Erziehung plus grüner Zeitgeist.

Wie bequemes Fahrradfahren mit e-Bike.

Als ich noch in Karlruhe zugange war und noch den Hubschrauberpilotenschein machen wollte, schon einiges an Lehrbüchern dazu gelesen hatte, kam ich an einem abgelegenen, kaum genutzten Sportplatz der Uni Karlsruhe am nördlichen Campus-Ende vorbei, der so umringt von Bäumen und von außen kaum einsehbar war. Den hatte nämlich so ein dickes Luxusschiff von Promi-Hubschrauber, Agusta, wenn ich mich recht erinnere, als Landeplatz genutzt. Und nun stand der da, und der Pilot saß da rum, langweilte sich, wartete eben auf die Rückkehr seiner Passagiere.

Ich natürlich hin, mal gucken, Fachsimpelei angefangen, weil ich doch gerade für den Pilotenschein lernen tät. Der Pilot, ein etwas Älterer, der Unterhaltung zugänglich, weil der sich auch langweilte. Hatte gerade einen Politiker und einen Industrieboss zu einem Gespräch in die Uni geschaukelt.

Ich natürlich technische Fragen gestellt. So Dinge, die man in der Theorie in den Büchern liest, und auch im Prinzip versteht, von denen man aber nicht weiß, wie und wie stark die sich in der Praxis auswirken. Ein früherer Kollege von mir war Fluglehrer für Segelflugzeug und so kleine Motordinger, und auf meine Frage, wie stark man Steuerhorn und Pedale bewegen muss, weil in den Büchern nur steht, welche Richtung, aber nicht wie weit, sagte der nur „das muss man sich erfliegen“.

Nun hatte ich also aus den Büchern gelernt, dass der Hubschrauber an und für sich vier Flugzustände kennt, die sich danach unterscheiden, wie die Luft durch den Rotor strömt, Hovern, Schweben, Vorwärtsflug, Autorotation. Hovern braucht am wenigsten Leistung, Schweben am meisten. Autorotation gar keine, macht man, wenn das Triebwerk ausgefallen ist, so eine Art kontrollierter Zwischenweg zwischen Segelflug und Absturz. Es gab schon fehlkonstruierte Hubschrauber, die aus dem Hovern, dem Fliegen in Bodennähe (so bis ungefähr 1 Meter über dem Boden) nicht rauskamen, weil zu schwach motorisiert. Normale Reisehubschrauber können fliegen, aber nicht in der Luft schweben oder senkrecht steigen, weil dafür die Motorleistung nicht reicht. Erst so Rettungshubschrauber und sowas haben genug Wumms, um auch senkrecht hochzusteigen, was sehr kritisch ist, weil man damit seinen eigenen Luftstrom nach unten produziert und darin zwar steht, damit aber trotzdem rapide nach unten geht. Wenn man merkt, dass man mit einem normalen Hubschrauber, der sowas nicht abkann, in den eigenen „Downwash“ gerät und damit trotz voller Motorleistung am oberen Anschlag im gesunden Zustand abstürzt, weil es abwärts geht, hilft nur noch: Stick nach vorne, um aus der eigenen Luftströmung raus in stehende Luft zu kommen.

Deshalb können normale, zivile, sparsame Hubschrauber mit normaler Leistung vorwärts fliegen, aber nicht in der Luft stehen oder senkrecht steigen, weil sie dazu übermotorisiert sein müssen und das im Normalfall dann einfach zu schwer und zu teuer wird. Braucht auch Sprit, geht auf Reichweite und so weiter.

Deshalb sieht man das bei normalen Hubschrauber-Starts, dass der erst etwas vom Boden abhebt (hovert), dann wie so ein Luftkissenboot vorwärts rutscht, damit erst etwas Geschwindigkeit nach vorne aufnehmen muss, und damit erst in die Anströmung von vorne/oben kommt, die es ihm erlaubt, aufzusteigen. Ich hatte ja mal so eine Probebstunde, und bin auch schon woanders mitgeflogen, und da war das eben nicht so, dass man zack hoch ging, sondern eigentlich fliegen musste wie so ein normales Tragflächenflugzeug, nämlich erst mal auf die normale Startbahn (hovern statt rollen) und dort dann auf der normalen Startbahn Tempo noch vorne aufnehmen und dann hoch.

Es haben schon Leute völlig intakte Hubschrauber aus dem normalen Flugzustand verloren, weil sie im Wald dicht über die Bäume flogen und damit – ohne es zu merken – in den Flugzustand „hover“ gerieten, dafür also weniger Leistung als zum richtigen Fliegen brauchten, der Motor zu wenig lieferte. Wenn sie dann über eine Lichtung fliegen, also nicht mehr über den Baumwipfeln hovern, brauchen sie plötzlich mehr Leistung, bekommen die nicht so schnell vom Motor, stürzen quasi ab und müssen in der Lichtung notlanden. Und dann stehen sie da und kommen nicht mehr weg, weil die Motorleistung nicht reicht, um senkrecht zu steigen, und der Platz nicht reicht, um nach vorne Geschwindigkeit aufzunehmen. Dann hat man einen völlig intakten unbeschädigten Hubschrauber im Wald stehen, der nicht mehr wegkommt. Zerlegen und abholen oder verschrotten. Oder versuchen, das Gewicht so weit wie möglich zu reduzieren, alles ab, was sich abschrauben lässt, Sprit fast ganz raus, und hoffen, dass er leicht genug wird, um hoch genug zu kommen und irgendwohin zu fliegen, wo man ihn wieder zusammenschrauben und auftanken kann.

Also fragte ich diesen Piloten, ob dieser kleine Bolzplatz für ihn denn ausreiche, um mit dieser Riesen-Kiste da wieder rauszukommen, weil da ja rundherum Bäume standen. Im Prinzip war dieser Sportplatz ja auch so eine Lichtung.

Volltreffer. Er hat mir sein Pilotenleid geklagt.

Eigentlich, ja eigentlich, sie diese Agusta ja ein ganz wunderbares Maschinchen, fliegt sich gut, macht Spaß, er fliegt sie so gerne. Sieht auch verdammt gut aus. Cockpit geil.

Aber, da hätte ich genau den wunden Punkt angesprochen. (Weshalb er sich auch auf ein Gespräch mit mir eingelassen hatte, denn, sagte er, Laien wüssten sowas nicht.)

Der Platz würde ihm, wenn er vom hinteren Ende Anlauf nimmt, gerade so reichen um da rauszukommen. Aber das auch nur, weil er das vorher wusste, und deshalb nicht vollgetankt hat, sondern nur gerade soviel, wie er für diesen Flug braucht, um leichter zu sein.

Eigentlich wäre das für diesen Heli gar kein Problem, aber der sei viel zu schwer. Weil die beiden, Politiker und Konzernboss (ich sage jetzt nicht, wer das war, beide auch längst aus dem Geschäft), sich für was besseres halten. Einem Piloten seines Alters würden sie nicht mehr trauen, also muss ein Copilot mitfliegen – der gerade mit denen mitgegangen und deshalb nicht da war. Außerdem brauchten sie die Luxus-Passagierzelle. Dicke Polstersessel, Kühltruhe, Minibar, der ganze Scheiß, weil es ihnen nicht zuzumuten sei, für eine halbe Stunde mal einfach nur in einem normalen Flugzeugsitz zu sitzen. Ein normaler Hubschrauber sei ihnen nicht zuzumuten, es muss standesgemäß sein.

Dann aber, so schimpfte er, seien sie zu doof, einzusehen, dass das, was sie alles mitschleppen wollen, nämlich die Luxuspassagierzelle und den Copiloten, enorm Gewicht kostet, und damit die Wegstrecke, die er zum Starten braucht, und den Verbrauch im Flug, deutlich erhöht. Dass er damit dann auf solchen Sportplätzen ohne Tricks dann eigentlich nicht landen (genauer gesagt: nicht wieder starten) kann, sähen sie aber auch nicht ein. Deshalb muss er zum Ausgleich Sprit reduzieren, kann weniger tanken, und kann deshalb nicht weit und lange fliegen, was sie aber auch nicht kapierten und beleidigt sind, weil doch der Bekannte von ihnen, der X, neulich so und so weit geflogen werden konnte. Der flog aber mit normaler Ausstattung, ohne Copiloten und landete auf großer Fläche, konnte also volltanken. Ginge den hohen Herren nicht in die Birne, und die lenkten dann Staat und Konzerne. Zu doof, um sich mit dem Hubschrauber fliegen zu lassen. Würden die sich einfach hinsetzen, anschnallen und die Klappe halten, wäre das alles gar kein Problem. Aber sie könnten es nicht ertragen in einem normalen Hubschrauber mit normaler Ausstattung zu fliegen. Völlig unvertretbar der Gedanke, dass sie dabei gesehen würden, wie sie aus einem ganz gewöhnlichen 7-Millionen-Euro-Hubschrauber aussteigen wie das gemeine Volk. Zu peinlich. Der ganze Scheiß muss mitgeschleppt werden. (Ich bin mal in Australien mit einem Billig-Heli aus den 50er Jahren mitgeflogen, da haben wir einfach die ganze Tür ausgehängt und am Startplatz zurückgelassen.)

Der war richtig sauer. Und ich hatte ihn genau auf diesen Punkt angesprochen.

Und jetzt also haben wir im Zeitalter der Erdenrettung und des Klimaschutzes das „Glamour-Camping“ im Luxus entdeckt. Jetzt geht man also mit dem ganzen Gerümpel zelten.

Aber dann e-Auto fahren, um das Klima zu retten.

Nachtrag: An dem Tag hatte ich übrigens verstanden, warum es Hubschrauber mit Rollen und nicht nur welche mit Kufen gibt. Der sagte mir nämlich, dass er die Rollen braucht, um vorwärts rollen und statt dem Hovern schneller Vorwärtsgeschwindigkeit aufnehmen zu können. Das verkürze den Anlauf merklich.