Abiturienten, Mathematik und Deutsch
Baden-Württembergs neuer Slogan: Wir können alles. Außer Mathematik und Hochdeutsch.
Baden-Württembergs Abiturienten protestieren: Einige haben eine Petition gestartet, in der sie sich über zu schwere Mathematikaufgaben beschweren und „eine Punkterhöhung oder Ähnliches“ fordern. (Was wäre denn so ähnlich wie eine Punkteerhöhung?)
Sie beschweren sich, dass die Prüfungen nicht aufgabengleich mit den Jahren zuvor waren. Sie erwarten, dass Aufgaben nur so gestellt sind, dass man Aufgabe und Lösung vorher kennt. Dass man sie auswendig lernt und nicht, dass man dann in der Prüfung live und vor Ort denken muss.
Einer beschwert sich gar, dass er „seine Freizeit geopfert“ habe. Ach, Gottchen. Ein Schüler, der noch gar nicht arbeitet, beklagt sich, dass er seine Freizeit für sein eigenes Abitur geopfert habe. Für sich selbst, um es zugespitzt zu sagen.
Oder Logik-Ergüsse wie dieser:
Vergleichen wir unsere hilfsmittelfreien Teil und den Analysispflichtteil mit den fünf vorherigen Jahren, dann kann man eindeutig sagen, dass dieses Jahr diese beiden Teile die schwierigsten waren.
Heißt: Sie wollen nicht die schwierigste Prüfung der letzten fünf Jahre haben. Wenn sie sie aber nicht gehabt hätten (falls es überhaupt stimmt), dann würde sie ein anderer Jahrgang gehabt haben. Das wäre dann in Ordnung?
Letztlich kann ich das aber nicht beurteilen, ohne die Aufgaben und die Lehrpläne gesehen zu haben. Für uns war das damals aber normal, Aufgaben zu bekommen, die nie zuvor gestellt worden waren. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir uns auch nicht mit den früheren Abi-Aufgaben befasst, weil es die Informationstechnik dazu noch nicht gab, um das im großen Stil zu tun. Für uns waren die Klassenarbeiten/Klausuren die Vorbereitung. Abi war für uns nur eine sehr ausgedehnte Klassenarbeit mit Trinkflasche und Pinkelmöglichkeit. Und das waren eigentlich fast immer Aufgaben, die wir vorher nicht dran hatten, weil es immer darum ging, die eigene Birne anzustrengen und nicht nur das eingetrichtete Wissen zu reproduzieren. Weil es bei uns um Können und Denken und nicht um Wissen ging. Das war übrigens der offizielle Grund, warum wir in Physik die Formelsammlung und in Englisch das Oxford Advanced Learners Dictionary verwenden durften: Weil das Wissen sei und es im Abitur nicht um Wissen gehe, sondern um Können.
Was ich aber viel gruseliger finde: Lest Euch mal den Text und die Kommentare durch. Wie schlecht deren Deutsch ist. Beispiel:
Das Mathe-Abitur des Jahres 2022 in Baden-Württemberg war dieses Jahr deutlich schwerer, wie das der letzten Jahre.
Komparativ. Schwerer als und nicht schwerer wie. Der Satzbau unterstellt, dass die Abiture der letzten Jahre gleich waren und es nun ein neues gab. So war es aber nicht. Man müsste „als die Abiture der letzten Jahre“ schreiben, Aber eigentlich kann nicht das Abitur schwer sein, sondern höchstens schwer wiegen. Schwer sind die Abituraufgaben. Es könnte schwer sein, geeignete Räume zu finden. Oder Aufsichtspersonal.
Oder:
Ich unterschreibe, weil das Mathe-Abi 2022 extrem unverhältnismäßig und schwer war, im Vergleich zu den Vorjahren.
Hatte ich neulich schon: „Extrem“ ist das neue „sehr“ Was ist denn „extrem unverhältnismäßig“? Wörter mit un- bilden ja das Gegenteil einer Eigenschaft, beschreiben deren Abwesenheit. Was wäre denn die Steigerung von gar nicht? Viele Leute verweisen dabei auf das Beispiel „extrem schwanger“ – man sei es oder nicht. Stimmt nicht ganz. Ich habe mal eine mit Drillingen gesehen, wie war schon sehr schwanger. Und der mit den Neunlingen würde ich ohne weiteres das Prädikat „extrem schwanger“ zugestehen. Aber hier geht es ja um Wörter, die mit der Vorsilbe un- gebildet sind. Kann man extrem unschwanger sein? Was wäre die Steigerung von „nicht schwanger“ bis ins Äußerste? Mit Blick auf die aktuelle Transdiskussion und die political correctness breche ich diese Diskussion hier aber ab, da liegen zu viele Tretminen. Ihr wisst, was ich meine.
Ich habe es oft geschrieben: Der Zeitpunkt, an dem ich in Deutsch in Grammatik, Interpunktion, Orthographie am Besten war, war der zum Abitur. Das meiste, fast alles, was ich in der Schule gelernt habe und berufsrelevant war, war nur Vorgeplänkel, denn Mathematik habe ich an der Uni nochmal von Anfang an komplett neu gelernt. Nur das Deutsch, mit dem ging es nach dem Abitur bergab. Das hat sich an der Uni vom Geschwätz so richtig abgenutzt und abgeschliffen, und die Rechtschreibreform hat mir den Rest gegeben. Zum Zeitpunkt des Abiturs war ich so richtig sicher, brauchte eigentlich nie etwas nachzuschauen. Heute passiert es mir oft, dass ich nachschauen muss, ob man etwas groß oder klein schreibt, auseinander oder zusammen, und gefühlt-geschätzte 99% der Fälle, in denen ich unsicher bin und nachschauen muss, stellen sich dann als Fälle heraus, die durch die Rechtschreibreform geändert wurden. Aber irgendwelche völlig überflüssigen Kultusminister, die sonst nichts zu tun hatten, und eine Horde von Germanisten haben die Sprache vermurkst, weil sie meinten, dass sie dadurch leichter würde. (Welcher Idiot kam eigentlich auf die Idee, ausgerechnet Germanisten an der Sprache herumpfuschen zu lassen?) Heute wissen wir, dass Kultusminister und Germanisten eientlich nichts können und getarnte Marxisten sind. Es war der Versuch, Sprache in Richtung Marxismus zu biegen, indem man sie einfacher, gleichmachender macht.
Ergebnis: Siehe diese Online-Petition. Die können nicht besser Deutsch, sondern immer schlechter. Müsste man manchmal, in besonderes krassen Fällen, eigentlich als Germanen-Kanak bezeichnen.