Würde ich kiffen…
Ein Leser, der damit anscheinend und im Gegensatz zu mir eigene Erfahrung hat, schreibt mir, wie ich bloggen würde, wenn ich kiffen tät’. Auf die Idee, mir darüber Gedanken zu machen, bin ich noch gar nicht gekommen.
Er nimmt dabei Bezug auf die Amygdala.
Deine Amygdala-Theorie stimmt.
Lieber Hadmut,
ich kann Dir aus der Praxis berichten, dass das, was bei Dir Theorie ist ( mangels deines eigenen, ungesunden
Lebenswandels ) absolut richtig ist.Mal ganz spitz formuliert: Würdest Du selbst kiffen, wäre es Dir wahrscheinlich egal gewesen, ob die Welt ( als soziale Verbundenheit bzw. Bühne ) etwas durch dein Blog über deinen Dissertationskrimi – oder auch alles andere – erfährt. Du wärest dann nicht mehr hinreichend sozial interessiert, nicht einmal im eigenen Interesse. Und ja, das wäre sehr, sehr schlecht. Nicht nur für deine Leser/innen/nden -und alle anderenx*nden.
Ich will das THC hier nur als ein Beispiel von vielen aufzeigen. Ich bin sehr froh, diesen “Gips an der Amygdala” dann auch wieder losgeworden zu sein. Trotzdem stimmt aber auch diese Analogie zum gebrochenen Bein, denn es kann auch schon mal medizinisch sinnvoll sein. Ganz sicher z.B. in der Geriatrie, wenn Menschen unter natürlicher
Einsamkeit leiden, weil z.B. alle anderen Lebensgefährten schon lange tot sind.
Also an viel zu wenig sozialer Interaktion leiden.Das THC zeige ich hier auch nur als ( das eine, mir bekannte ) Beispiel, in deinen Ausführungen kommen ja auch all die anderen sozial -verzerrten und verzehrten zum Ausdruck. Es stimmt. Natürliche, soziale Bedürfnisse lassen
sich substituieren. Mit genau diesen von Dir genannten schlechten Folgen, wenn die einzig richtige Indikation dafür – nämlich die Notwendigkeit einer medizinischer Behandlung – gar nicht gegeben ist.Hier spricht ein Selbstversuch, der auf einen “Schlag” ( nicht meiner, da war nichts ) ziemlich viele Bezugspersonen verloren hat durch Falschbeschuldigung und null Aufklärungschancen. Ausser vielleicht einer Bodycam, aber das weiß man ja immer erst hinterher wenn man mal eine gebraucht hätte.
Und ich war eine Zeit lang echt froh, das es diesen “Gips” überhaupt gibt. Die von Dir oft genannte oder vermutete Funktionalität Amygdala / Umwelt / Freund-Feinderkennung ( letzteres war die Baustelle an der ich selbst zu knabbern hatte) im Zusammenhang mit irgendwelchen irren Ersatzaktivitäten der wiederkehrenden Protagonisten auch in deinen Betrachtungen ist richtig.
Spaßeshalber einmal umgedreht ist es allerdings auch nicht verkehrt, so das man sagen könnte:
Dein Blog, lieber Hadmut, ist dein Joint ! Aber so ist es dann natürlich verhaltensmäßig richtig – und eben nicht verdreht. Der Unterschied letztendlich, um den es geht, ist jener zwischen Aktivität und Passivität.Oder wie in meinem Fall: Wenn man etwas tun möchte ( Aufklärung/ Gerechtigkeit), aber nicht kann, ergibt das eine ziemliche ungesunde Fallhöhe, emotional. Eine erzwungene Passivität. Und das macht zornig. Mitunter seehr zornig. Keine Handlungsmöglichkeiten, und wie man das aushält. Ohnmacht im Sozialbezirk. Wogegen etwa diese Pflanze also sehr gut hilft.
Viel besser ist natürlich Deine Entscheidung, den Zorn zu schreiben. Ich habe damit jetzt auch angefangen. Klar war mir das auch von alleine, und schon immer, das es der bessere Weg wäre. Manchmal muss man aber auch erst die Worte dafür finden, in meinem Fall hat’s etwas gedauert.
Danke Dir für auch diese guten Inspirationen !
[…]
herzliche Grüße,
[…]
Ja, das könnte passen.
Kleine Detailkorrektur allerdings: Da werden zwei meiner Hirn-Themen vermischt. Das eine ist die Amygdala mit der Freund-Feind-Kennung. Das andere ist das, was ich zu Drogen und besonders Zigaretten beschrieben hatte, nämlich dass ich vermute (und allgemein in Bezug auf Drogen auch schon in der Literatur gelesen habe), dass sie auf das Belohnungszentrum wirken. Dass die Droge also chemisch verursacht, dass das Belohnungszentrum künstlich gereizt und die Belohnung ohne vorherige belohnungswürdige Tat und noch dazu im Übermaß ausgelöst wird, und deshalb die Droge das belohnungswürdige Verhalten völlig verdrängt. Und meine Theorie ist, dass damit das Sozial- und Rudelverhalten durchgesetzt wird, man sich dann gut fühlt, oder bei Verstoß dann eben im Gegenteil ein schlechtes Gewissen hat. Deshalb ist auch anzunehmen, dass Leute, die als so „gut“ hingestellt werden, etwa Mutter Theresa, oder auch die berüchtigten „Gutmenschen“ und die ganzen Moralapostel und Ökoretter und so weiter eigentlich nur Dopaminjunkies sind, die hinter der moralischen Tat herhechten wie der Junkie hinter der Droge.
Es könnte sogar sein, dass das die Hypermoral der Grünen erklärt. Je größer die Moral, die man sich auftürmt, desto größer die Dopaminausschüttung, wenn man ihr folgt. Ich hatte ja schon mal vermutet, dass die Erde und das Klima gerade so eine Art Babyersatz sind, und die Welt zu retten gerade das Bedienen der feministisch ausgehungerten Muttergefühle in XXL sind.
Ich hatte das ja schon oft erwähnt, dass mir das bei Rauchern immer auffällt, dass sie sich in der Rolle des Sozialen fühlen und Rauchen für eine unglaublich soziale Tat halten (und das auch so wahrnehmen), und daraus den Schluss gezogen, dass die Droge das Sozialbelohnungszentrum auslöst, das einem dann eine tüchtige Ladung „Das hast Du gut gemacht!“ ausschüttet, obwohl man nichts positives getan hat.
Damit zerschießt man sich das Sozialverhalten völlig. Es könnte aber Auswirkungen auf die Freund-Feind-Erkennung haben.
Ich muss da immer an einen Alligator denken. Dazu muss man wissen, dass Alligatoren etwas intelligenter als Krokodile (wie die in Australien) sind, in sehr begrenztem Maße lernfähig. Auf der USA-Tour habe ich damals in New Orleans auch die Sumpftour gemacht, auf der man mit einem Schiff durch die Sümpfe voller Alligatoren fährt. Und dann hat er uns einen vorgeführt. Einen wild lebenden Alligator, der sich aber an ihn gewöhnt hat, sogar auf seinen Namen hört (er hat ihn gerufen und er ist gekommen – Koinzidenz? Kausalität? Oder ruft der dressierte Mensch jedesmal den Namen, wenn der Alligator kommt?), und jeden Tag bei der Tour zum Boot kommt, um sich sein Leckerli abzuholen. Er steckte ein Marsh Mallow auf einen langen Stock, hielt ihn über das Wasser, und der Alligator sprang hoch aus dem Wasser, um sich das Ding zu holen. (Im Archiv habe ich noch das Foto davon.)
Das führte zu Diskussionen. Tierquälerei. Einem Alligator Süßigkeiten zu geben. Die Zähne und so.
Ja, sagte er, die Diskussion gibt es auf jeder Tour, immer dieselbe. Erstens schade ein Marsh Mallow Krokodil-/Alligatorzähnen überhaupt nicht, die können viel mehr aushalten. Und wenn, wär’s auch egal, weil deren Zähne sowieso nachwachsen und per Natur ausgetauscht werden. Aber: Marsh Mallow wäre das einzig bekannte Belohnungsmittel, was ihnen nicht schade. Denn alles „Gesunde“ wie Hühnchen führe dazu, dass die Tiere das Jagen komplett einstellen und nur noch zum Boot kommen, um sich füttern zu lassen. Füttert man sie nicht mehr, verhungern sie, anstatt wieder zu jagen. Aus noch unbekannten Gründen haben sie die Marsh Mallows zwar sehr gerne, fassen sie aber nicht als Futter-Substitut auf, stellen nicht das Jagen ein. Schmecken irgendwie toll süß, aber lösen den Futter-Sensor nicht aus.
Und an den muss ich denken, wenn ich an die Theorie denke, dass Drogenkonsum das Sozialverhalten völlig verdrängt und ersetzt. Weil damit das Belohungszentrum stärker ausgelöst wird als durch sozial nützliches Verhalten. So, wie der nicht mehr jagen geht, wenn er Hühnchen bekommt, verhält sich einer auf Droge nicht mehr sozial, wenn die Droge seine Dopamin-Klospülung auslöst. Kennt Ihr noch diese ganz alten Klospülungen, bei denen der Spülkasten oben an der Decke hängt, und da, wo heute der Spülhebel sitzt, eine lange Kette mit einem Holzgriff dran hing, und wenn man dran zog, gewaltiger Donnner kam, weil das Wasser zwei Meter tief das Rohr hinabstürzte? Am Klo noch die Kette von der Decke hing? Kennen die Leute heute gar nicht mehr. (Schade eigentlich, dass man sowas nicht mehr baut, hatte irgendwie Stil.) Und so wirkt dann die Droge auf die Dopamin-Ausschüttung. Großer Donner.
Und das wäre ja auch das, was der Leser hier beschreibt.