Ansichten eines Informatikers

Chipnot

Hadmut
16.5.2022 18:07

Und Ihr regt Euch über Fax auf.

Es gab ja die Tage mehrere – unverifizierte oder sogar unverifizierbare – Berichte, wonach die Kriegstechnik der Russen ziemliche Bastellösungen seien.

Da hieß es, sie hätten billige Amateurhandfunkgeräte, wie im an sie im Baumarkt bekommt. Analog, unverschlüsselt, leicht abzuhören.

Die Ausrüstung zum Lagern und Übernachten bestehen teils aus gewöhnlicher, ziviler Campingausrüstung.

Dann hieß es, man habe eine abgeschossene russische Drohne untersucht und herausgefunden, dass sie relativ einfach aus Zubehörteilen für Modellflugzeuge gebaut sei und eine gewöhnliche, handelsübliche, billige Spiegelreflexkamera von Canon enthielte. (Da war mir allerdings nicht klar, warum sie das nicht tun sollte, beides ist doch gut. Würde ich auch nehmen.)

Neulich hieß es dann, sie hätten ein abgeschossenes Kampfflugzeug untersucht und darin entdeckt (was man auch mit Videoaufnahmen aus anderem Zusammenhang belegt hatte, die ich aber aus irgendwelchen Gründen im Browser nicht anzeigen konnte), dass man in deren Kampfflugzeuge zivile GPS-Geräte aus dem Westen auf das Armaturenbrett geschraubt habe, mit denen sie navigierten, weil ihr eigenes Glonass-Zeugs wohl nicht viel taugt. Hätte ich zu gerne mal gesehen, wie das aussieht, wenn man ein ziviles GPS-Gerät auf das Armaturenbrett eines Kampfflugzeuges schraubt. Sowas halte ich dan nauch für einen groben Fehler, weil die nämlich nicht auf Geheimhaltung und Selbstzerstörung ausgelegt sind. Kommt man nämlich auf genau diese Weise an ein feindliches Gerät, könnte man daran GPS-genau herausfinden, wo der gestartet ist, und mal ein paar Granaten hinschicken.

Es ist beachtlich, wieviel westliche Technik Russland braucht, um seinen Kriegskrempel zu bauen. Da bekommt man dann auch ein Gefühl dafür, warum die Amerikaner so sehr darauf achten (oder achteten), keine kriegsrelevante Technik in den Osten zu exportieren. Und Kryptographie verboten, Kryptologen absägten. (*räusper*…)

Ein Leser weist nicht dazu nun auf diesen Artikel von NTV hin, wonach die Russen inzwischen Waschmaschinen plünderten, um an irgendwelche Chips zu kommen, die sie für die Panzer bräuchten.

Sowas habe ich neulich über Deutschland aber auch schon gelesen. Irgendwo stand, dass ein Hersteller irgendwelcher dringend benötigter Geräte einen Chip brauchte, der auch für die Steuerung von Waschmaschinen verwendet werde, und deshalb 100 nagelneue Waschmaschinen gekauft, den Chip ausgelötet und die Waschmaschinen dann weggeworfen hat.

Welcher Chip?

Bei einer Anhörung im US-Senat hat Handelsministerin Gina Raimondo bemerkenswerte Aussagen zu russischen Nachschubproblemen für den Krieg in der Ukraine getätigt. “Uns liegen Berichte von Ukrainern vor, dass russische Militärausrüstung, die sie im Kampfgebiet finden, mit Halbleitern gefüllt ist, die sie aus Geschirrspülern und Kühlschränken entnommen haben”, zitiert sie die “Washington Post”.

Laut der Ministerin ist dies auf die US-Sanktionen zurückzuführen, die nach dem Angriff auf die Ukraine gegen Russland und Belarus verhängt wurden. Die US-Technologieexporte nach Russland seien seit Beginn der Sanktionen Ende Februar um fast 70 Prozent zurückgegangen, sagte sie.[…]

Die Handelsministerin sagte dem Senat, ihr lägen Berichte vor, wonach bereits zwei russische Panzerfabriken ihre Produktion wegen Komponentenmangels einstellen mussten. Laut einem Bericht des Weißen Hauses handelt es sich dabei um das Tscheljabinsker Traktorenwerk und dessen Mutterfirma Uralvagonzadov.

Die meisten Chips und andere Hightech-Komponenten werden mit US-amerikanischen Patenten oder Patenten anderer westlicher Länder hergestellt. Schon vor dem Angriff am 24. Februar durften viele dieser Güter nur mit Sondergenehmigung nach Russland geliefert werden, falls sie zur militärischen Nutzung entwickelt wurden. Inzwischen fallen auch Komponenten oder Software unter das Embargo, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. […]

Ein weiteres Beispiel für das Hightech-Dilemma der Russen sind immer knapper werdende Lenkwaffen. Damit Marschflugkörper et cetera ihr Ziel selbstständig finden können, sind ebenfalls Chips nötig. In einem Pentagon-Briefing sagte ein hoher Beamter des US-Verteidigungsministeriums, man wisse, dass Russland bereits viele seiner präzisionsgelenkten Munition “verbrannt” hat.

Ein Beispiel dafür sei Mariupol, wo zunehmend “dumme Bomben” eingesetzt würden.

Dazu legt mir der Leser einen Bericht „Operation Z – The Death Throes of an Imperial Delusion“ des Royal United Services Institute for Defence and Security Studies bei (Das Titelbild ist genial – abgesprengter Turm eines russischen Panzers, der aussieht wie ein bekloppter Totenkopf.) Der enthält einen Annex der Dinge, die den Russen gerade knapp sind und zum kriegen fehlen. Anscheinend sitzen gerade viele Russen da und löten alles auseinander, was sie an Elektronik finden können, um an Bauteile zu kommen. Darunter taucht auch der C8051F120 auf. Ein Microcontroller. Dazu der Leser:

“Der Chip-Mangel sei inzwischen so schlimm geworden, dass große Industrieunternehmen Waschmaschinen kauften, um die Chips herauszureißen und wiederzuverwenden, sagte ASML-CEO Peter Wennink dem Wirtschaftsportal “Protocol”.”

Da sitzen dann wohl zahllose Russen rum und löten die Controller von den Platinen.

Der C8051F120 8-bit Mikrocontroller von Silicon Labs z.B. dürfte sowohl in Panzern wie auch in Waschmaschinen und Geschirrspülern zu finden sein:

https://www.mouser.de/datasheet/2/368/C8051F12x-13x-1397919.pdf

(Gar nicht so billig für son simples Teil: >30€)

Der C8051F120 ist eine moderne Version des uralten 8051 von Intel.

https://de.wikipedia.org/wiki/Intel_MCS-51

Ein paar 8051 habe ich 1980, also vor 42 Jahren (!), von einem Mitarbeiter von Intel in einem Zweigwerk von Intel in Sunnyvale (Silicon Valley)

geschenkt bekommen.

Das finde ich drollig. Denn den 8051 hatte ich schon in einer frühen Phase des Studiums dran. War ein Praktikum zur Parallelprogrammierung. Wir sollten einem 8051 beibringen, gleichzeitig auf einer 7-Segmentanzeige Uhr und Stoppuhr zu spielen, und die Ampeln einer Verkehrskreuzung (Modellbauzubehör für H0-Eisenbähnchen) zu steuern und auf die Fußgängertaste zu reagieren. Das muss wohl so um 1988 herum gewesen sein.

Und nun, fast vierzig Jahre später, löten die Russen sie aus Waschmaschinen aus, weil sie sie für ihre Panzer brauchen.

Was ich insgesamt erstaunlich finde.

Gut, der 8051 reicht auch nach 40 Jahren noch, um eine Waschmaschine zu steuern. Ich glaube mich erinnern zu können, dass sie den sogar auf dem Mars einsetzen, weil der noch als altmodisch ist und so archaisch große Strukturen hat, dass der nicht so anfällig für die Weltraumstrahlung ist. Aber einen deutlich leistungsfähigeren ESP8266 bekommt man inzwischen selbst im Einzelpreis im Einzelhandel ab unter einem Euro und den Nachfolger ESP32 selbst einzeln und auf Platine mit Bauteilen ab etwa 5 Euro. Die Dinger stammen aus Asien, ich weiß aber nicht, inwieweit die Amerikaner da einen Exportstop drauf haben.

Aber sagen wir es mal so:

Bevor ich einen Krieg anfinge, hätte ich den Keller unauffällig mit dem Zeug gefüllt und ein paar Alternativen parat.

Chipkrise

Mir geht eine Frage durch den Kopf.

Seit einiger Zeit ist bei uns ja auch Mikroelektronik schwerz zu kriegen. Raspberry Pis so gut wie gar nicht mehr, und vor alle die Compute Modules eigentlich gar nicht. Jede Menge PC-Hersteller haben Probleme. Bei den Autoherstellern stehen die Bänder still. Die Kamerahersteller können nicht liefern oder nehmen ganze Modellreihen vom Markt. Chipkrise.

Heißt immer: Liegt an der Pandemie.

Inzwischen frage ich mich, ob die Chipkrise künstlich erzeugt und nur vorgetäuscht ist, um den Russen die Produktion von Kriegsgerät zu erschweren. War ja absehbar, dass die Russen sowas vorhaben. Die Ukraine hat sich schon lange auf den Angriff vorbereitet, und die Geheimdienste wussten davon garantiert auch schon länger.