Ansichten eines Informatikers

DIN 5009

Hadmut
16.5.2022 19:01

Sowas von überflüssig.

Habe ich von kleinauf drin, brauchte man damals am analogen Telefon bei Ferngesprächen: Buchstabieren über Buchstabierworte, die Buchstabiertafel. Mein Name ist Danisch. D-A-N-I-S-C-H. Dora – Anton – Nordpol – Ida – Schule.

Grundwehrdienst, Truppenfernmelder, dasselbe nochmal auf Englisch: Alpha, Bravo, Charlie, Delta, Echo, Foxtrott, Golf, Hotel,…

Die Grundidee dahinter ist, die auf den analogen Kanälen mit Rauschen, Krachen, Frequenzbegrenzung und so weiter, schwer zu verstehenden und leicht zu verwechselnden Konsonanten – vor allem dann, wenn ohne Kontext zufällige Buchstaben eines verschlüsselten Textes vorgelesen werden – durch möglichst eindeutige Kombinationen zweier Vokale eindeutig zu machen. 26 Buchstaben hat das Alphabet und 5·5=25 Kombinationen der Grundvokale gibt es.

Kann man prächtig mit der Informations- und Kanaltheorie von Claude Shannon zusammenbringen. Man senkt dadurch die Übertragungsrate, verbessert aber den Signal-Rauschabstand.

Ging natürlich nicht mehr, hatte ich auch schon erwähnt, sogar zweimal, weil das N mit „Nordpol“ codiert ist und Nordpol gleich Doppel-Nazi ist.

Nicht nur, weil die Deutschen geglaubt hätten, dass die Arier vom Nordpol kommen, sondern auch, weil das Buchstabieralphabet ursprünglich jüdische Namen enthalten habe, was die Nazis ersetzt hätten. Ursprünglich nämlich hätte Nathan für N gestanden, was die Nazis durch Nordpol ersetzt hätten. Für D stand David, für S Samuel, für Z Zacharias. Hat man durch Dora, Siegfried, Zeppelin ersetzt.

Und das geht natürlich im großen Moralreinigungsbad der Gesellschaft gar nicht mehr.

Aber zurück zu den alten, jüdischen Namen geht ja auch nicht. Erstens viel zu männlich und zweitens, was sollen die Muslime von uns denken?

Und der Migrant von heute weiß, was Berlin und was Köln ist, aber nicht, was Berta oder Konrad sind.

Deshalb hat man eine neue Buchstabiertafel veröffentlicht, die jetzt aus Städtenamen besteht:

Aachen, Berlin, Chemnitz, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Goslar, Hamburg Ingelheim, Jena, Köln, Leipzig, München, Nürnberg, Offenbach, Potsdam, Quickborn, Rostock, Salzwedel, Tübingen, Unna, Völklingen, Wuppertal, Xanten, Ypsilon, Zwickau.

Ypsilon, das ist die Stadt, von der die grünen Autos mit dem Autokennzeichen Y-… kommen.

Kapiert, wie so eine Buchstabiertafel funktioniert und was deren Zweck ist, hat man offenbar nicht. Denn Berlin und Chemnitz haben dassselbe Vokalmuster. E-I.

München und Nürnberg auch, Ü-E.

Offenbach und Potsdam sind auch nicht allzuweit auseinander. O-e-A zu O-A

Hört sich auch bekloppt an: D-A-N-I-S-C-H – Düsseldorf – Aachen – Nürnberg – Ingelheim – Salzwedel – Chemnitz – Hamburg. Da kommt garantiert die Rückfrage „Was um alles in der Welt wollen Sie denn in Ingelheim?“

Ehrlich gesagt, wüsste ich jetzt auch nicht, wer das überhaupt noch verwendet. Außer Militär, und die buchstabieren international (Alpha, Bravo,…)

Neulich hatte ich das mal noch aus alter Gewohnheit gesagt, weil mich irgendein Call-Center mit lausiger VoIP-Verbindung nicht verstanden hatte. Die wussten gar nicht mehr, was ich von ihnen wollte, und musste denen erst erklären, dass es um die Anfangsbuchstaben geht. Nordpol! ja, N, wie Nordpol. Nein, nicht Mordpol! N wie … wie .. wie Nacht oder sowas. Nein, nicht Macht. Nnnnnnh, nicht Mmmmmh. Nudel! Nein, kein Pudel!

Was hilft es, wenn die Leute nicht mehr schreiben können und nicht alle 26 Buchstaben kennen?

Wir leben im Zeitalter der E-Mail, des Tweets, der Webpräsenz.

Ist Euch eigentlich klar, dass ich seit mindestens 10 Jahren kein Telefonbuch mehr benutzt, weil nicht mehr gebraucht habe?

Und als ob die Buchstabiertafel nicht ohnehin schon ziemlich tot wäre, muss jetzt eine neue eingeführt werden, die keiner kann und alle erst lernen müss(t)en, weil irgendwer nicht ertragen kann, dass für das N ein Nordpol verwendet wird, und da vorher mal Nathan stand?

Weil Nordpol eine Idee der Nazis war?

Haben die noch alle Tassen im Schrank?

Sind die noch ganz dicht?

Wer macht so einen Scheiß?

Was wäre denn gewesen, wenn da vor den Nazis nicht Nathan, sondern gleich Nordpol gestanden hätte? Wär’s dann gegangen?