Ansichten eines Informatikers

Bonhoeffers Theorie der Dummheit

Hadmut
28.5.2022 15:32

und Danischs Anmerkungen.

Ein Leser schreibt mir, dass Dietrich Bonhoeffers „Theorie der Dummheit“ so etwas wie die komprimierte Version meines Blogs wäre, und genau in meine Theorie mit dem Rudelverhalten und der Amygdala passe. Dazu gäbe es ein sehr gutes Erklärvideo:

Das ist in der Tat sehr beachtlich. Denn demnach sah Bonhoeffer Dummheit nicht als einen intellektuellen, sondern als einen moralischen Defekt an.

Dummheit im Sinne Bonhoeffers sei nicht angeboren, sondern man werde unter bestimmten Umständen dumm – oder die Menschen ließen es einfach zu, dass sie dumm werden.

Menschen in Einsamkeit würden diesen Effekt seltener zeigen als Menschen in Gruppen. Deshalb scheine Dummheit weniger ein psychologisches, als ein soziologisches Problem zu sein. Und jeder Machtzuwachs, ob politisch oder religiös, „infiziere“ die Menschen mit Dummheit. Es sei fast ein soziologisch-psychologisches Gesetz, dass die Macht des einen die Dummheit des anderen braucht (und nach sich zieht?). Es gehe nicht darum, dass bestimmte Eigenschaften wie der Intellekt plötzlich versagten, sondern dass der Mensch unter dem Einfluss von Macht seine autonome Position aufgebe. Man habe bei diesen Leuten nicht mehr den Eindruck, mit einem selbstbestimmten Menschen zu reden, sondern die Schlagworte und Parolen hätten von diesem Besitz ergriffen. Er sei deshalb zu allem Bösen fähig und können nicht erkennen, dass es Böse ist.

Ein Text Bonhoeffers sei hier zu finden.

Das passt verblüffend gut zu meinen bisherigen Beobachtungen, Überlegungen und Theorien.

Es könnte durchaus sein, dass das ein Mechanismus im Gehirn ist, wie man ihn von vielen Tierarten kennt, nämlich die Einordnung ins Rudel, dem Leithammel oder der Leitkuh zu folgen. Dazu könnte es eine Art „override“-Schaltung im Hirn geben, die zugunsten der Gruppe und des Zusammenhalts bestimmte Funktionen abschaltet, die man braucht, wenn man auf sich allein gestellt ist. Ich hatte das ja oft beschrieben, dass ich Moral nicht für einen absoluten Wert oder irgendeine Gerechtigkeit halte, sondern ausschließlich für einen unbewusst ablaufenden Mechanismus, der einen dazu bringt, das Rudelverhalten zu verfolgen. Moral ist, sich ins Rudel einzuordnen und dessen Regeln zu folgen. Sowas geht nicht mehr, wenn jeder selbst denkt.

Ich hatte das auch oft beschrieben, dass ich Nazis, Linke, Kommunisten, Sozialisten, Feministen, Antifa, Islam alle für gleich, für dasselbe Syndrom halte: Das Einrasten in ein Rudelverhalten.

Wenn algorithmisch weiter denkt, könnte man zu dem Gedanken kommen, dass das Hirn zwei Betriebszustände kennt: Einzelgänger und Rudelmitglied. Und dass im Einzelgänger-Modus der Verstand dominiert, denn wozu bräuchte man Moral und Rudelverhalten, wenn man allein ist? Ist das Hirn aber im Rudel-Modus, könnte eine Menge umgeschaltet werden. Eben das Rudelverhalten, das dann dominant wird, und das Abschalten des Verstandes, weil selbst zu denken dann kontraproduktiv ist. Ich hatte das ja mal beschrieben, dass eine Sendung über eine Affenart berichtete, die irgendwo (China oder sowas) mal in einem Tal eingeschlossen wurde, in dem es sehr kalt werden kann, und die dann ein völlig abweichendes Sozialverhalten entwickelt haben, nämlich kooperieren und füreinander sorgen, zusammenrücken. Weil sie nur so überleben können. Eigene Meinungen würden zum Tod führen.

Ähnliches sieht man bei Rudeltieren, die gejagt werden, ob Büffel, Antilopen oder Fische. Sie können nur überleben, wenn sie auf Gedeih und Verderb zusammenbleiben.

Es ist also ziemlich sicher, und ich habe mich ja oft darauf bezogen, dass es im Gehirn ein evolutionär entstandenes komplexes Verhaltensmuster geben muss, das dafür sorgt, dass man in den Rudel-Modus geht und sich unterordnet, das Rudelverhalten weitgehend vorbehalts- und kritiklos übernimmt, und dafür das eigene Denken abschaltet.

Unzählige Male hatte ich beschrieben, dass ich auf feministischen, linken, rot-grünen Konferenzen und Veranstaltungen immer wieder den starken Eindruck hatte, dass die da so eine Art Gottesdienst abhalten und denen ein Stück vom Gehirn, die Ratio, organisch oder zumindest funktional fehlt. Dass die mit Wonne jedem Blödsinn folgen, sei er noch so offensichtlich schwachsinnig oder durch einfache Beobachtung zu falsifizieren. Das könnte genau dieser Effekt sein. Und denkt man es weiter, dann bin ich vielleicht auch nur deshalb in der Lage, das so deutlich wahrzunehmen, weil ich eben Single und notorischer Individualist, also fest im Einzelgängermodus bin.

Im Ergebnis käme man damit zu einem Effekt wie beim Rattenfänger von Hameln:

Einer markiert den starken Leithammel und flötet seine Musik, und alle, bei denen das Gehirn einrastet, folgen ihm. Und halten dann alle, die das nicht tun, für Feinde.

Oft hatte ich beschrieben, dass ich die Holocaust-Ausstellungen für falsch halte, weil sie nur die konkrete Symbolik der Nazis zeigt, als gelte es nur darum, die Feinderkennung zu trainieren, es aber letztlich egal sei, ob die nun Hakenkreuze oder Dreiecke oder sonstwas hatten. Um das Prinzip gehe es. Und da könnte es gut sein, dass dieses ganze Rudelgehampel mit Fahnen und Hakenkreuzen und Uniformen und Hitlergruß und was nicht alles, vor allem diese Dauerpräsenz der Symbole, der Aufgabe dient, das Gehirn stabil im Rudelmodus zu halten und damit den Verstand abgeschaltet.

Es könnte also gut sein, dass die Sorte Mensch, die Bonhoeffer als moralisch dumm beschrieben hat, und die ich als welche, denen was im Hirn fehlt, wahrgenommen habe, einfach Leute in der Hirnbetriebsart Rudelmitglied sind, und deshalb der Verstand, die Individualität, das eigene Denken schlicht und einfach abgeschaltet sind.

Bonhoeffer beschreibt, dass man die Leute nicht belehren kann, weil man sie mit Argumenten nicht mehr erreicht, überhaupt nichts mehr vortragen kann (Was übrigens genau der Effekt ist, den ich damals im Promotionsstreit auf Seite der Professoren erlebt habe.). Es sei nur noch möglich, diese Leute zu befreien. Dann würde der Verstand wieder einsetzen. Das aber könnte genau der Effekt sein: Aus dem Rudel austreten, der Verstand setzt wieder ein.

Und genau das kann man häufig bei Aussteigern aus irgendeiner Szene beobachten. Sind die da erst mal raus, fangen die wieder an, normal zu denken. Und das könnte auch erklären, warum man nach Krieg Deutschland von den Nazis „befreien“ konnte, obwohl die Deutschen doch selbst die Nazis waren: Man hat dadurch wohl diesen Rudelmodus hart beendet. Nazitum vorbei, weil Hirn wieder umgeschaltet.

Denkt man noch ein Stück weiter, könnte man zu dem Gedanken kommen, dass der Verstand und das analytische Denken selbst keine permanente Eigenschaft des Menschen sind, sondern eher eine Art Notprogramm für den Fall, dass man nicht in einem Rudel, sondern auf sich selbst gestellt ist. Im Normalfall folgt man der Leitkuh, im Notfall muss man dagegen selbst denken. Und Denken lässt man bleiben, wenn man keine Not hat, weil es Energie kostet.

Und das könnte die Geschlechterrollen im Thema Verstand erklären. Denn im Tierreich und als zwingende Konsequenz der Geschlechterfunktionen sind es in der Regel die Männchen, die oft als Einzelgänger unterwegs sind, während Weibchen sehr oft im Rudel eingegliedert sind, weil es für sie anders kaum geht.

Was uns jetzt fehlt: Teststreifen, irgendein Schnelltest, der feststellt, in welchem Modus das Gehirn ist.