Ansichten eines Informatikers

Timm Thaler

Hadmut
4.6.2022 15:47

Beachtlich.

Ich hatte ja schon erwähnt, dass ich einen Tinnitus habe und deshalb manchmal ganz gerne beim Arbeiten nebenher den Fernseher laufen lasse, damit es nicht zu still ist oder ich nur das Geräusch der PCs höre.

Nachdem in ARD und ZDF gerade mal wieder gar nichts kam, was man hätte ertragen können ohne hinzugucken, habe ich auf Amazon Prime geschaut, ob es da irgendwas im kostenlosen Bereich finde, was man laufen lassen kann.

Ich bin an einer uralten Mini-Fernsehserie hängen geblieben: Timm Thaler. Von 1979. Mit Tommy Ohrner. Wenn ich mich nicht irre, eine von diesen wunderbaren Miniserien für Kinder, die das ZDF damals, in der guten alten Zeit, als Männer noch Männer, Frauen noch Frauen und das ZDF noch ein Fernsehsender und keine Gender-Klapsmühle war, zwischen Weihnachten und Silvester täglich ausgestrahlt hat, jedes Jahr eine Story in fünf oder sechs Teilen. Richtig gute Sendungen, das war immer so ein Highlight.

Ach, dachte ich, kannste mal gucken. Das habe ich damals sehr gerne gesehen. Mir ist zwar klar, dass mir viele Serien und Filme, von denen ich damals total begeistert war, heute, mit dem anderen Blick und den anderen Gewohnheiten und Maßstäben, unglaublich dröge und langweilig vorkommen, aber der Reiz liegt ja manchmal gerade darin, sich bewusst zu machen, wie sich die Maßstäbe seit der Kindheit verändert haben.

Gerade zweieinhalb Folgen nebenher laufen gelassen.

Die Story, beruhten auf einem Buch von James Krüss, war die häufig wiederholte Geschichte vom Deal mit dem Teufel, hier in der Kinderversion: T(h)imm Thaler schließt mit dem Baron, der den Teufel darstellt, damals Tagesgespräch, weil so böse gespielt von Horst Frank als der fiese Unsympath schlechthin, einen Deal: Der Baron kann nicht lachen, braucht aber dringend ein Lachen, und deshalb verkauft ihm Timm Thaler sein Lachen im Tausch dafür, dass er künftig jede Wette gewinnt, sei sie auch noch so absurd. Das Standardmotiv vom Deal mit dem Teufel, das man dann bereut und aus dem man wieder rauszukommen versucht.

Verblüffend.

Natürlich kann die schlechte Bild- und Trickqualität des Fernsehens von 1979 heute das FullHD-16:9-gewohnte Auge nicht mehr überzeugen. Auch der Erzählstil wirkt sehr hölzern und manchmal fast tagesschauartig. Die Kameraführung statisch, weil die damals eben groß und schwer waren, die Charaktere doch überzeichnet (was ich allerdings damals schon fand, was allerdings wohl auch in der Natur eines Kinderbuches oder einer Kindersendung liegt, dass man die Figuren nicht zu fein schnitzt, sondern derbe wie Kasperle und Krokodil).

Aber: Nicht langweilig. Mir kommt im Gegenteil – und im Gegensatz zu vielen Produktionen der damaligen Zeit – das Erzähltempo recht flott und gedrängt vor. Vielleicht eine Folge der Vorgabe, die Story aus dem Buch in die zur Verfügung stehende Sendezeit zu quetschen, so ein Harry-Potter-Syndrom.

Mir fiel aber noch etwas ganz anderes auf:

Mir kommt die Serie vor wie eine Zeitfenster in die eigene Jugend. Wie und mit welchen Fahrrädern die unterwegs sind, was die anhaben, wie die sich benehmen, wie die reagieren, wie die reden, das ganze Umfeld: Wie aus meiner eigenen Kindheit und Jugend. Wie 1979.

Gerade aber bin ich an einer bösen Stelle vorbeigekommen:

Der Baron/Teufel hat jetzt das Lachen und lacht über das Unheil, das er auf der Welt anrichtet: Katastrophen und Energiekrise, und sagt am Überwachungsmonitor zufrieden zu seinem Sekretär Anatol:

Sehen Sie, Anatol!

Unsere Ölbohrungen in der Nordsee. Ausgezeichnet. Ausgezeichnet!

Denn Öl wird knapp werden. Kohle wird knapp werden. Und wenn die Menschen keinen Strom mehr haben für ihre Maschinen und kein Öl für ihre Motoren, werden sie sich gegenseitig die Köpfe einschlagen.

Halten Sie unsere Vorräte zurück!

Florida!

Anatol: Ich habe zehntausend Tonnen Pfirsiche vernichten lassen.

Sehr gut, Anatol. Die Preise werden in die Höhe schnellen und wir werden verdienen. Kaufen Sie sämtliche Obsternten dieser Welt auf und vernichten Sie sie!

Rio! Ich bin äußerst zufrieden. Der Blick auf das Elend ist phantastisch, da draußen. Die Touristen kommen, sehen den Strand, baden im Meer, wohnen in den exklusivsten Hotels, aber kein Blick auf Elend und Not. Es könnte auch die Freude schmälern und unser Geschäft. Sie sind ein Musterschüler, Anatol!

Hahahaaaa

Irgendwie musste ich gerade an Wladimir Putin denken.