Warum ein Tatort-Regisseur keinen Tatort mehr dreht
Vom Verfaulen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks
Die NZZ hat ein Interview mit Tom Bohn, der seit 30 Jahren als Autor und Regisseur Tatort-Krimis dreht.
Der Name sagt mir nichts – seine Werke schon. Die Tatort-Folge aus Ludwigshafen mit dem Erich-von-Däniken-Klon, bei dem echte Außerirdische beim Auflösen des Mordfalls helfen und am Ende mit ihrer fliegenden Untertasse wegfliegen, war ein Highlight, auch weil Nina Hagen sehr alienmäßig rüberkommt.
Er will nicht mehr.
Jeden Montagmorgen schüttle der Bäcker nur seinen Kopf.
Weil inzwischen die Redaktionen der Sender immer stärker auf political correctness achteten:
Ihnen wird mehr reingeredet?
Ja. Auch politisch. Ich habe ein paar Mal angeeckt mit Themenvorschlägen: Eine Geschichte über Flüchtlingshelfer in Afrika und Dealer im Görlitzer Park schwebte mir vor. Da bin ich nicht mit durchgekommen.
Warum nicht?
Man könnte es falsch verstehen. Es könnte den Rechtsradikalen zuspielen. Es hiess: «Ist gefährlich zurzeit, machen wir nicht.» Dahinter steht noch nicht einmal eine politische Linie, sondern es ist einfach die Sorge, in einem falschen Licht dazustehen.
Können Sie das ausführen?
In meinem letzten «Tatort» ging es um eine Links- und eine Rechtsradikale, beide sind auf der Flucht: Sie wissen nichts von den politischen Einstellungen der jeweils andern, lernen sich kennen und finden sich sehr sympathisch. Bis ihnen klar wird, wofür die andere steht, und sie anfangen, sich zu bekämpfen.
Ja, und?
Es entbrannte eine grosse Diskussion. Die beiden Radikalen dürften nicht zu sympathisch wirken, da müsse man aufpassen. Immer wieder wurde nachkorrigiert, am Ende hatten wir ungefähr elf Drehbuchfassungen. Von der ursprünglichen Idee ist noch die Hälfte übrig geblieben. Es ist der klassische Fall: Man glaubt, dem Zuschauer alles erklären zu müssen. Es darf bloss nicht jemand etwas missverstehen.
Das Problem ist also nicht einmal die linke Ideologie an sich.
Das Problem ist die schiere Angst, einer Ideologie nicht zu entsprechen. In Frage gestellt zu werden. Anzuecken. Von den Rudelregeln abzuweichen.
Was zeigt, dass Rundfunk im Sinne seines Begriffs im Linkstum nicht mehr möglich ist, weil der sozialistische Konformitätsdruck so enorm hoch ist. Das habe ich nicht nur bei den Konferenzen im NDR immer wieder beobachtet, dass die sich gegenseitig massiv unter Druck setzen und geringste Abweichungen verfolgen. Eines der übelsten Beispiele für diesen Konformitätsdruck ist eben die NDR-Tatort-Kommissarin Charlotte Lindholm, genauer gesagt ihre Darstellerin Maria Furtwängler, die da massiven öffentlichen Druck betreibt, dass Tatort-Krimis politisch korrekt zu besetzen sind – nicht etwa realitätsnah, wie es die Rundfunkordnung fordert. Und die sich beschwert, dass Frauen da benachteiligt würden, laut eines Presseartikels aber unter allen Tatort-Darstellern mit großem Abstand das meiste Geld bekommt. Großgehalt für wenige Tage Arbeit im Jahr. Obwohl ich ihre Krimis für ziemlich lausig halte. Von vielen Tatort-Krimis kenne ich die Stories noch nach Jahren, Jahrzehnten, Szenen von Schimanski und Stöver fallen mir immer noch ein. Von Lindholm-Krimis fällt mir beim besten Willen nicht mehr ein als dass da die Weiber zicken und streiten und irgendwelche Krisen haben. Die einzige deutsche Tatort-Komissarin, die mir jetzt spontan positiv einfallen würde, ist Lena Odenthal (Ludwigshafen), und als sonstige Figuren noch die Staatsanwältin und „Alberich“ vom Münster-Tatort. Alle anderen (die mir überhaupt gerade spontan einfallen) wirken auf mich, als würden sie sich nur mühsam durch das Drehbuch arbeiten.
Und das ist genau das Problem, dass ich damals in der Stellungnahme für den Landtag Sachsen beschrieben habe:
Eigentlich ist es Inhalt der Rundfunkordnung und Verpflichtung des Rundfunks, alle in der Bevölkerung ernstlich vertretenen Ansichten darzustellen und auch die Realität wahrheitsgemäß darzustellen.
Spaß und Satire sind natürlich möglich, man kann also ohne weiteres mal Außerirdische im Tatort mitspielen lassen. Aber was halt nicht geht, ist, wie von Furtwängler gefordert und mit politischem Druck durchgesetzt, hohe Frauenanteile bei Tatortkommissaren durchzusetzen, wenn die Frauenquote der Fernsehkommissare ohnehin schon weit über der der echten Polizei liegt. Denn das ist dann Propaganda, politisches Lügen. Und genau das verbietet die Rundfunkordnung.
Eigentlich hätten wir sogar Mechanismen, die das zumindest dem Prinzip nach verhindern würden. Wenn die KEF, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, den Finanzbedarf prüft und den neuen Rundfunkbeitrag berechnet, wäre sie dem Gesetz nach verpflichtet, zu überprüfen, ob die Inhalte der Rundfunkordnung entsprechen, ob also das, was der Rundfunk produziert, überhaupt der Beitragspflicht unterliegt. Das aber tun sie nicht. Das lassen sie einfach weg, und niemand in der Gebührendiskussion (außer mir) stört sich daran, dass das Verfahren nicht nach dem Gesetz abläuft. Auch unser korruptes Bundesverfassungsgericht prüft und bemerkt das nicht, ordnet aber gleichwohl Beitragserhöhungen an.
Hätte die KEF ihre Aufgaben erfüllt, hätte man die Beiträge massiv senken müssen, weil viele der Sendungen im ÖRR als nicht beitragsfinanzierungsfähig eingestuft werden und damit aus der Kostenrechnung herausfallen müssten. Und spätestens dann, wenn solche politische Vorgaben für den Tatort gemacht werden, oder politischer Druck wie durch Furtwängler ausgeübt wird, müsste man a) Furtwängler wegen Verstoßes gegen die Rundfunkordnung feuern und b) den Tatort aus der Beitragsfinanzierung nehmen.
Das ist nicht einmal so fern, wie es sich anhört, denn – hatte ich ja in der Stellungnahme auch schon ausgeführt – die Bewegung geht sowieso in Richtung der Mediatheken und des Video on Demand, und unser ÖRR ist ohnehin viel zu groß gewuchert.
Es wäre ohne weiteres möglich, den ÖRR auf ein gesundes Maß zurechtzustutzen, den Zwangsbeitrag zu kürzen, und den ganzen Polit- und Unterhaltungsmüll als optionales Zusatzprogramm anzubieten. Wem’s gefällt, der soll es sich kaufen, um wem nicht, der eben nicht.
In meiner Jugend war das so, dass die Fernsehsender erst abends zu den 17:00-Nachrichten eingeschaltet wurden. Bis dahin kam entweder gar nichts (Rauschen) oder ein Testbild. Und so irgendwann zwischen Mitternacht und ein Uhr morgens bedankten die sich für die Aufmerksamkeit und schalteten wieder ab. Dann rauschte es wieder auf dem Fernseher. Ich hatte dann irgendwann so einen kleinen Schwarzweiß-Fernseher am Fußende meines Bettes stehen und da oft spät geguckt, regelmäßig bis zur Senderabschaltung und dem Rauschen. Irgendwann hatten sie dann angefangen, noch die Nationalhymne zu spielen und die Deutschland-Flagge zu zeigen (würde heute Politterror auslösen).
Das hat damals gereicht. Heute würde es nicht mehr reichen, weil wir schneller informiert werden können und wollen, und man ja digital und nicht mehr chemisch auf Film aufnimmt. Aber eigentlich würde – ähnlich wie in Australien – ein Nachrichtenkanal, ein Kanal für Sonstiges, und was für Kinder völlig reichen, und der Rest dem Privatfernsehen überlassen werden können, werbe- oder gebührenfinanziert.
Ein politisierter Tatort verstößt gegen die Rundfunkordnung und hat seinen Anspruch auf Beitragsfinanzierung verwirkt.