Springer zerlegt sich selbst und wird woke
Aktuelles von BILD und Axel-Springer-Verlag.
Ein Leser weist auf folgendes hin:
Mit großem Bedauern habe ich meine Kündigung bei BILD eingereicht. Die Gründe dafür erkläre ich in einem offenen Brief an Axel-Springer-Chef Mathias Döpfnerhttps://t.co/sGbHSTMuDW
— Judith Sevinc Basad (@JSevincBasad) June 16, 2022
Ich kann diese „offenen Briefe“ ja eigentlich gar nicht leiden. Ich halte solche „offenen Briefe“ für schlechten Stil. Entweder schreibt man an einen Empfänger oder an die Öffentlichkeit, aber nicht beides zugleich, und vor allem nicht auf die gleiche Weise. Das hat immer sowas davon, dass man den Empfänger zu einer öffentlichen Antwort zu nötigen versucht.
Aber vom Stil mal abgesehen kann man hier schon in diesen Brief reingucken:
Der Grund für meine Kündigung ist am Ende der Umgang von Axel Springer, also auch Ihr Umgang, mit der woken Bewegung. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht mehr über die Gefahren berichten kann, die von dieser gesellschaftlichen Bewegung ausgehen. Und ich habe das Gefühl, das der gesamte Verlag in dieser Sache nicht mehr hinter mir steht.
Keine Thematik hat mich als Journalistin so sehr um den Verstand gebracht, wie der Aktivismus einer kleinen Minderheit, die offiziell behauptet, für Diversität zu stehen, aber eine im Kern radikale Ideologie verfolgt.
Über Jahre hinweg habe ich beobachtet, wie selbst riesige Konzerne vor den totalitären Forderungen der woken Aktivisten eingeknickt sind. Ich habe verfolgt, wie die einzige Frau im Vorstand von Adidas gefeuert wurde, weil sie sagte, dass Rassismus in ihrem Konzern kein großes Problem ist. Ich habe beobachtet, wie Dozenten an einer Medizin-Uni in den USA nicht mehr von „Vater“ und „Mutter“ und „männlich“ und „weiblich“ reden, weil sie sonst von radikalen Aktivisten als „transphob“ beschimpft werden. Und ich habe darüber berichtet, wie Antirassismus-Aktivisten an deutschen Schulen weiße Kinder demütigen, um ihnen ihre „weißen Privilegien“ auszutreiben.
Diese Themen sind ein heißes Eisen. Wer über sie schreibt, muss mit harten Anfeindungen rechnen, die immer nach dem gleichen Schema ablaufen: Äußerungen werden absichtlich aus dem Zusammenhang gerissen und falsch dargestellt, um kritische Stimmen als „rechts“ zu diffamieren und sie somit aus dem Diskurs zu werfen.
Besonders aggressiv gehen dabei Trans-Aktivisten vor, die eine der krudesten Behauptung vertreten, die das 21. Jahrhundert hervorgebracht hat: Dass das biologische Geschlecht nicht existiert.
Was geht da vor sich? Wie können ein paar Clowns so massiven gesellschaftlichen Druck aufbauen?
Und was hat das noch mit Pressefreiheit zu tun?
Genau diesen Aktivismus stellten 120 deutsche Wissenschaftler in einem 50-seitigen Dossier an den Pranger. In einem Welt-Artikel erklärten fünf dieser Wissenschaftler, wie die kruden Thesen eines fragwürdigen Aktivismus auch in Deutschland Einzug in junge Formate des ÖRR erhalten. Es wird kritisiert, dass schon Kindern vermittelt wird, dass eine Transition die beste Option für sie sei – ohne auf die Nebenwirkungen von lebenslangen Hormontherapien, Pubertätsblockern und irreversiblen Operationen einzugehen.
Genau darüber wollte ich bei BILD in einem Artikel berichten, kurz nachdem der Welt-Kommentar veröffentlicht wurde. In dem Artikel äußerte sich der Kinderpsychiater Prof. Dr. med. Alexander Korte, einer der 5 Autoren des Welt-Kommentars, mit folgenden Worten:
„Der Aufruf ist nicht dafür gedacht, transsexuelle Menschen – deren Existenz wir akzeptieren und vor deren Leidensdruck wir den allergrößten Respekt haben – zu diskreditieren. Es geht auch nicht darum, dass Kinder nicht frühzeitig über ihre Sexualität aufgeklärt werden sollen. In dem Aufruf geht es darum, vor gefährlichen Falschinformationen – wie Leugnung biologischer Tatsachen und die Mär der Vielgeschlechtlichkeit, kurz: der Verbreitung unwissenschaftlichen Tatsachen – zu warnen“.
Der Artikel wurde verhindert. Mir wurde gesagt, dass ich den Wissenschaftler-Aufruf kritisieren sollte, ansonsten würde der Artikel nicht erscheinen. De facto wurde von mir verlangt, dass ich genau das negativ darstelle, für was ich seit Jahren mit vollem Idealismus kämpfe: vor den Gefahren des woken Aktivismus zu warnen.
Allein das hat mich psychisch zermürbt. Die Situation spitzte sich zu, als Sie, Herr Döpfner, einen Tag später einen offenen Brief an alle Mitarbeiter von Axel Springer schickten.
Denn mit diesem Brief ist der Konzern vor der unerträglichen Tyrannei der woken Aktivisten eingeknickt.
Und weiter an Döpfner:
Nochmal: Die gesamte Kritik des Dossiers und des Welt-Kommentars bezieht sich auf eine unwissenschaftliche Ideologie, die zunehmend den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beeinflusst: Der Behauptung, dass man das biologische Geschlecht durch einen einfachen Sprechakt wechseln kann.
Dass Sie als Axel-Springer-Chef diesen Fakt falsch darstellen, dass Sie damit tatsächlich leugnen, dass es zwei biologische Geschlechter gibt (im selben Atemzug aber den Autoren „Pseudowissenschaft“ vorwerfen) –, dass Sie die Autoren des Gastkommentars und deren gesamte Kritik als Hetze gegen Minderheiten, ja sogar als homophob diffamieren, und deren kritische Stimme in bester Manier der Cancel Culture mundtot machen – das hat mich zutiefst erschüttert und erschüttert mich noch jetzt.
Es hat mich schockiert, dass der Koloss Axel Springer, der regelmäßig gegen die übelsten Diktatoren der Welt schießt, sich plötzlich von der inhaltslosen Propaganda einer woken Minderheit in die Knie zwingen lässt und dabei auch noch die eigenen Journalisten als Menschenfeinde verhöhnt, die bei diesem bizarren Schauspiel nicht mitmachen wollen.
Eine andere Sache, die mich nachhaltig irritiert, ist die Bigotterie, mit der Sie gleichzeitig versuchten, sich aus der Affäre herauszureden.
Und das wirft gewaltige Fragen auf.
Die erste ist, warum Friede Springer Mathias Döpfner Aktien im Wert von angeblich rund einer Milliarde Euro geschenkt habe.
Die zweite ist, warum man BILD-Chef Julian Reichelt kurz drauf mit typisch feministischen Beschuldigungen geschasst und abserviert hat. Ich war mir damals schon ziemlich sicher, dass man den politisch abgesägt hat, um die BILD inhaltlich neu auszurichten.
Wie also kann das angehen, dass eine eigentlich so winzige und lächerliche Truppe wie die Woken es schafft, einem Riesen-Tanker wie Springer den Kurs zu ändern?
Entweder läuft da im Hintergrund ein ganz dreckiges Ding mit Erpressung und allem drum und dran, amerikanischem Einfluss, und und und, man weiß ja nicht, welche Leichen die noch im Keller haben. Oder mir fällt Angela Merkel ein.
Und zu Angela Merkel fällt mir eine Menge ein. Dass sie angeblich sehr eng mit Friede Springer befreundet sein soll.
Und dass ich mehrfach auf Journalistenkonferenzen im NDR ebensolche Einflussnahmen – die Handreichung einer Broschüre, in der steht, wie Journalisten über Schwule und Lesben zu schreiben haben, oder der schon oft beschriebene Hinterzimmerauftritt der „Neuen Deutschen Medienmacher“ (der Name ist Programm und doppeldeutig, entweder neue Macher der Medien, oder Macher neuer Medien), finanziell zurückzuverfolgen bis zum Kanzleramt, während bekannte Fernsehjournalisten auf der Hauptbühne stehen und sich über jeden lustig machen, der das Thema anspricht, dass die Kanzlerin die Medien steuere.
Dabei war Springer mit WELT und BILD noch der letzte Verlag, der sich wenigstens so ab und zu mal noch gegen diesen Mainstream stellte. Anscheinend aber hat man den Verlag jetzt innerhalb von rund zwei Jahren auf regierungstreu umgebügelt.
Ende der großen Verlage
Ich hatte neulich den Vergleich zwischen den großen örtlichen Zeitungsverlagen und Kaufhäusern gezogen. Beide waren früher das, worin man seinen Tagesbedarf an Dingen und Informationen bezogen hat, weil man aufgrund des Standes der Technik und der Infrastruktur auf einen lokalen Anbieter angewiesen war, der als Generalist auftrat.
Längst aber gibt es ein ortsunabhängiges Amazon und viele ortsunabhängige kleine Läden, während die klasssischen Kaufhäuser – von allem etwas, aber nichts so wirklich richtig – eigentlich am Ende angekommen sind. Ebenso die Zeitungsverlage.
Nun ist Springer kein örtlicher Verlag, sondern überregional tätig, könnte aber als woke-Schleuder dasselbe Schicksal erleiden.
Ich denke, das Zeitalter unabhängiger, einzelner Blogger zieht gerade auf.
Es gab ja neulich schon den Fall, dass eine Journalistin bei der New York Times hngeschmissen hat, weil die zu illiberal sind. Kurios daran: Es ist Barri Weiss, die nicht nur als Solojournalistin nun sehr erfolgreich ist und mehr Geld verdient als vorher, sondern – Brüller – als Kolumnistin bei der WELT, Springer, eingestellt wurde. Das war aber vor über einem Jahr. Inzwischen scheint sich Springer dem Gebaren der New York Times anzunähern.
Und jetzt hat man es sogar noch geschafft, die Glaubwürdigkeit der BILD zu ruinieren. Und dazu gehört wirklich was.
Zu klären ist: Wie schafft es eine so kleine Gruppe mit einer so bekloppten Ideologie, ganze Staaten umzudrehen?